Heldenverehrung

Die öffentliche Trauer und die Gedenkveranstaltung zum Tod des Torhüters Robert Enke nehmen unvorstellbare Ausmaße an

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Das, was da Anfang dieser Woche bei Hannover passiert ist, hat niemanden kalt gelassen. Zu überraschend und plötzlich kam die Meldung vom Tode des Torhüters Robert Enke. Und als ein paar Stunden später noch die Nachricht kam, dass er Selbstmord begangen hatte, waren die meisten sicher rat- und sprachlos. Hatte man doch im ersten Moment an eine heimtückische Krankheit geglaubt, zumal der Torhüter zuletzt öffentlich einen sehr kranken Eindruck gemacht hatte, wenn man ihn am Bildschirm sah oder sprechen hörte.

Aber das, was nun seit Tagen in den Medien geschieht, und was morgen Mittag in der AWD-Arena geschehen wird, sprengt wirklich jeden erdenklichen Rahmen. Zunächst gab es am Tag des Todes und danach gleich wieder die bekannten Sondersendungen, in denen die Verantwortlichen in den Sendern auf die Schnelle ein paar Schnipsel aus dem Leben Enkes zusammenklaubten, ohne wirklich etwas Neues dem Ganzen hinzuzufügen. Dann war sich keiner der bekannten Fernsehtalker zu schade, seinen Senf zum Tode des Torhüters beizutragen.

Dass nun aber morgen Mittag auch noch gleich fünf TV-Anstalten live die Gedenkveranstaltung in der AWD-Arena übertragen wollen, wobei der Sarg des Türhüters inmitten des Areals aufgebahrt werden soll, darüber kann man eigentlich nur noch den Kopf schütteln, über eine Trauerfeier, wie es sie seit dem Tod des ersten Kanzlers der Bundesrepublik nicht mehr gegeben hat. Die Familie Enkes, seine Frau und seine Angehörigen können einem angesichts des öffentlichen Rummels um den Toten, nur leid tun.

Leute, möchte man da allen zurufen, haltet doch mal inne. Das war nur ein Fußballtorwart, der in all den Jahren nichts Außergewöhnliches geleistet hat, außer dass er insgesamt achtmal das Tor der deutschen Nationalmannschaft gehütet hat, Und das war auch nur ein Mensch, der mit seinem Leben (warum auch immer) nicht fertig geworden ist, der schwermütig und an der Seele krank war und seinem Leben auf tragisch-dramatische Weise ein Ende bereitet hat.

Haltet ihn, der, wie alle versichern, ein überaus ehrbarer und verlässlicher, fairer und sensibler Mensch und Sportsfreund war, in lebhafter Erinnerung. Spielt mit Trauerflor und/oder macht meinetwegen auch ihm zu Ehren ein Abschiedsspiel mit der Nationalmannschaft. Benennt nach ihm in Hannover, wo er zuletzt das Tor der 96er-Mannschaft gehütet hat, einen Platz oder von mir aus auch eine Straße.

Aber stilisiert ihn bitte nicht zum Helden. Dazu taugt Robert Enke nicht und das hat er auch nicht verdient. Weder im buchstäblichen noch im übertragenen Sinn. Und gewollt hätte er es im Übrigen auch nicht.