Spanien klemmt alle erneuerbaren Energien ab

Das Moratorium sieht vor, dass künftig keine Einspeisevergütung mehr für neuen Ökostrom bezahlt wird

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Die spanischen Branchenverbände sind in Aufruhr, nachdem die neue konservative Regierung unvorhergesehen ein Moratorium beschlossen hat. Die Konservativen beschlossen am Freitag, dass neue Ökostrom-Anlagen keine Einspeisevergütung mehr erhalten. Das entsprechende "Königliche Dekret 1/2012" wurde schon am Samstag veröffentlicht, weshalb auch Anlagen in der Luft hängen, die sich noch im Bau befinden.

"Die beschlossene Maßnahme legt den Sektor der regenerativen Energiequellen in unserem Land lahm und zerstört ein aufstrebendes Unternehmensnetzwerk", protestierte die Vereinigung der Produzenten erneuerbarer Energien (APPA).

37 Verbände haben am Dienstag in Madrid gegen die dramatischen Folgen protestiert, die das Moratorium für den Sektor und für das Land haben könnte. Neben Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace haben sich auch die größte Gewerkschaft CCOO, die Vereinigung der Installateure und andere gegen den Einschnitt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz ausgesprochen. Sie bezeichneten die Maßnahme als "historischen Fehlgriff". Getroffen werde einer der "wenigen Sektoren der heimischen Wirtschaft, in denen Spanien weltweit eine Führungsposition einnimmt".

Sie weisen darauf hin, dass in dem Sektor schon in den vergangenen Jahren 20.000 Arbeitsplätze verloren gingen. Dabei war vorgesehen, in diesem Bereich 300.000 neue Stellen zu schaffen. Sie warnen aber nicht nur, dass die Arbeitslosigkeit noch weit über die Marke von 23% hinaus steigen könnte, sondern auch vor der weiteren "Standortverlagerung und einem Technologietransfer in Drittländer, die wir niemals wieder aufholen können". Sie betonen auch, dass man sich nun noch weiter von den Klimazielen entferne. Spanien gehört zu den Ländern, die besonders stark gegen die Kyoto-Klimaschutzziele verstoßen haben.

Fraglich wird, ob das Land die EU-Richtlinie erfüllen kann, wonach der Anteil der erneuerbaren Energien 2020 auf 20% steigen soll. Die APPA rechnet vor, dass Spanien schon 2010 hinter seinen Zielen zurückgeblieben sei, weil der Ausbau krisenbedingt längst zurückgefahren wurde. Statt wie geplant auf 12,1% sei der Anteil der erneuerbaren Energien nur auf 11,3% gestiegen. Auch die Energieabhängigkeit wird kritisiert, denn noch muss Spanien 85% seiner Energie importieren. Gerade sorgte die Drohung des Irans, der EU den Ölhahn abzudrehen, für Wirbel, weil Spanien fast 15% seines Öls aus dem Land bezieht.

Die Regierung hat für ihre vorübergehende Maßnahme keinen Zeitrahmen genannt, um die geplante Neustrukturierung des Strommarktes umzusetzen. Das kritisiert sogar der konservative Regierungschef der Extremadura. Auch José Antonio Monago forderte seine Parteifreunde der Volkspartei (PP) in Madrid auf, schnell "Gewissheit" zu schaffen. Derweil sollen die bisherigen Vergütungen weiter gezahlt werden. Er trifft sich am Donnerstag mit dem zuständigen Minister José Manuel Soria, um für die erneuerbaren Energien als "Motoren" zur Entwicklung der armen Region einzutreten. Er befürchtet, dass das Moratorium auf mehrere Jahre angelegt ist, da die "Vorauszuteilung für 2012 und die folgenden Jahre" für Photovoltaikprojekte ausgesetzt wurde.

Er hat auch die Stromgewinnung aus Biomasse im Blick. Denn Vergütungen wurden nicht nur für die zuvor viel zu hoch subventionierte Photovoltaik gestrichen. Das Moratorium betrifft alle erneuerbaren Energien und damit sind zukunftsträchtige solarthermische Kraftwerke genauso betroffen wie Windenergie, Geothermie und Wellenkraft. Kritisiert wird aber auch, dass Hintertürchen für Ausnahmegenehmigungen vorgesehen seien. Die Regierung kann für "bestimmte Anlagen" eine Sonderregelung treffen, auch für große Anlagen mit einer Leistung über 50 Megawatt.

Es ist erstaunlich, dass Spanien seinen Standortvorteil gegenüber Desertec nicht nutzt, aber gleichzeitig die Laufzeit des Atomkraftwerks Santa Maria de Garoña bis 2019 verlängern will. Der Meiler, baugleich zu den havarierten Blöcken im japanischen Fukushima, dessen Konstruktionsmängel seit Jahrzehnten bekannt sind, hätte 2011 nach 40 Jahren abgeschaltet werden sollen. Gebraucht wird dessen Strom nicht, da 2011 schon 33% des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurden.