"Mit dem Zorn der Bevölkerung weitere Anschläge ausführen"

Afghanistan: Militante Gruppen nutzen die aufgebrachte Stimmung nach der Koranverbrennung für Anschläge; in den USA wird der Entschuldigungsbrief Obamas von politischen Gegnern als Zeichen von "Schwäche" bezeichnet

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Die beiden republikanischen Präsidentschaftskandidaten Newt Gingrich und Rick Santorum kritisieren US-Präsident Obama wegen seines Briefes an den afghanischen Präsidenten Karsai, in dem er sich für die Koran-Verbrennungen in Bagram entschuldigte ( Afghanistan: Die Stunde der Aufwiegler). Santorum warf Obama gestern Schwäche vor:

"Da wurde nichts mit Bedacht falsch gemacht. Das war ein Fehler, der passiert. Wenn man Amerikaner in Uniform tötet, so ist das nicht ein solcher Fehler... Sagen wir, es war Pech ('unfortunate')..aber sich für etwas zu entschuldigen, das nicht mit Absicht passierte, ist etwas für das sich ein Prsäident der Vereinigten Staaten nicht entschuldigen sollte... Meiner Überzeugung nach ist dies ein Zeichen von Schwäche."

Santorum zeigt, von Überheblichkeit gegenüber der Situation in Afghanistan abgesehen, auch einen Mangel an Kenntnissen über soziales Verhalten. Seit wann entschuldigt man sich nur für einen Schaden, der mit Absicht angerichtet wurde?

Schon vergangenen Donnerstag hatte Newt Gingrich den Brief Obamas als "Skandal" bezeichnet. Da am gleichen Tag, an dem Obama den Entschuldigungsbrief schickte auch zwei US-Soldaten von afghanischen Soldaten getöten wurden, so Gingrich, sei es Hamid Karsai, der den Amerikanern eine Entschuldigung schulde und nicht andersherum. Gingrich kritisierte doppelte Maßstäbe, die hier angelegt würden. Ein Kritikpunkt, der sonst häufig gegenüber der Praxis amerikanischer Besatzer geübt wird.

Indessen werden aus Afghanistan weitere Anschläge, einem Sprengstoffanschlag auf einen Militärflughafen om Osten Afghanistans und der Vergiftung von Speisen in der Militärbasis Torkham in der Nähe zur pakistanischen Grenze, gemeldet, die sich die Taliban auf ihre Fahnen schreiben - mit der Begründung, es handle sich um Racheaktionen für die Koranverbrennung und mit der Ankündigung, dass man "mit dem Zorn der Bevölkerung weitere Anschläge ausführen" werde.

Auch für den tödlichen Anschlag auf die beiden US-Militärberater am Wochenende ( "Green on blue") haben die Taliban öffentlich Verantwortung übernommen. Der genaue Hergang und die konkrete Umstände des Zwischenfalls, der das Verhältnis zwischen den USA und Afghanistan weiter belastet ( Afghan Handover Plan Roiled, sind jedoch noch nicht geklärt.

Wie der US-Blogger Juan Cole informiert, kursieren weiterhin Versionen eines Tathergangs, der nicht unbedingt auf einen geplanten Anschlag auf die beiden amerikanischen Militärberater schließen läßt. Laut Cole gebe es Aufzeichnungen auf Band - sogenannte "security tapes" -, die auf einen Wortwechsel zwischen den Amerikanern und einem afghanischen Sicherheitsbeamten schließen lassen, in dessen Verlauf der Mann so wütend wurde, dass er schoss - für die tatsächlichen Existenz dieser Bänder und deren Inhalt gibt es allerdings noch keine offizielle Bestätigung:

"Two US military advisers to the Ministry of the Interior were shot dead on Saturday by an Afghan security man. It turns out, according to recovered security tapes, that they were watching footage of the protests and cursing out the protesters, then speaking badly of the Qur’an. The Afghan argued with them that they should be more respectful, and when the argument escalated, he drew on them and shot them both dead."