Mit der Griechenland-Anleihe ist das Casino wieder richtig geöffnet

Dass Griechenland wieder drei Milliarden Euro erhält, sagt nichts über eine Verbesserung im Land, sondern viel über die gefährliche Geldschwemme aus

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Nach vier Jahren unter dem Rettungsschirm hat Griechenland heute erstmals wieder eine längerfristige Anleihe versteigert. Das griechische Finanzministerium hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass eine über fünf Jahre laufende Staatsanleihe ausgegeben werde. Tatsächlich haben sich die Investoren regelrecht um die Papiere gerissen, denn die Anleihe war sechsmal überzeichnet. Statt drei Milliarden Euro hätte sich Griechenland also etwa 20 Milliarden besorgen können. Um den durchschnittliche Zinssatz bei scheinbar bezahlbaren 5% zu halten, nahm man nur eine halbe Milliarde mehr als geplant ein, um deutlich unter den etwa 7% zu bleiben, die als Absturzgrenze gelten.

Die Emission aus Griechenland sei ein Indiz dafür, wie sehr die Zuversicht der Anleger zurückgekehrt ist, werden verschiedene Experten zitiert. "Händler halten sich bei Investments dieser Kategorie nicht länger zurück“, sagte Christian Lenk von der DZ Bank in Frankfurt. Und das könnte zu reichlich Erstaunen führen. Denn die Lage in dem Land ist fataler als je zuvor. Die Arbeitslosigkeit liegt auf Rekordniveau bei 27% und die Verschuldungsquote ist inzwischen auf knapp 180% der Wirtschaftsleistung (BIP) hochgeschossen. Dass für 2013 ein Haushaltsdefizit von mehr als 13% erwartet wird, ist sicher kein Grund, dem Land neues Geld zu leihen. Das sind sogar vier Punkte mehr als 2012.

Dass das Land 2020 seine Schulden auf 120% des BIP drücken kann, womit man ohnehin nur am Ausgangspunkt der "Rettung" angelangt wäre, glaubt wohl niemand mehr ernsthaft. Dabei gab es diverse Schuldenschnitte und einen Schuldenrückkauf, um die Verschuldung zu reduzieren. Die Versteigerung heute trägt sogar noch dazu bei, dass die Kapitalkosten und die Schulden noch schneller steigen werden. Denn die 5%-Rendite, die geboten werden musste, liegt deutlich über dem Zinssatz, für den Griechenland Geld aus dem Rettungsschirm erhält.

Um den Schuldenstand auf ein erträgliches Maß zu senken, benötigte das Land ganz andere Schuldenschnitte. Die Erleichterung durch den 2012 hat sich schnell in Luft aufgelöst. Zwar sanken die Verbindlichkeiten um rund 100 Milliarden Euro und damit die Staatsverschuldungsquote von 170% auf 157%. Doch längst hat das Land die Schuldenquote von damals sogar wieder deutlich überschritten. Das hat auch damit zu tun, dass das Land über die Kürzungs- und Sparprogramme regelrecht in die Depression getrieben wurde.

Sogar der Vater der Strukturprogramme stimmte deshalb zum "mea culpa" an. Denn der Internationale Währungsfonds (IWF) musste schließlich einräumen, die Wirkungen auf das Wachstum und Arbeitslosigkeit massiv unterschätzt, aber die Schuldentragfähigkeit völlig überschätzt zu haben. Tatsächlich ist die Wirtschaftsleitung Griechenlands seit Ausbruch der Krise um gut 25% gesunken.

Spekulanten setzen darauf, dass es keinen Schuldenschnitt geben, sondern die Steuerzahler wieder einspringen werden

Was bedeutet es also, dass trotz der fatalen Situation wieder viele Spekulanten bereit sind, dem Land Milliarden zu leihen? Sie setzen erstens deutlich darauf, dass es keinen Schuldenschnitt geben wird, sondern wieder die Steuerzahler in die Tasche greifen müssen. Die Anleihe wurde zudem nach britischem Recht begeben und das schließt einen Schuldenschnitt wie 2012 gegen den Willen der Gläubiger aus.

An dem Beispiel Griechenland lässt sich zweitens nun noch viel deutlicher als am angeblichen "Erfolg" Irlands aufzeigen, dass es sich um eine reine Show handelt. Dieser "Erfolg" wird lediglich über eine gefährliche Geldschwemme herbeigeführt, weil die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldschleusen gefährlich geöffnet hat. Sie hat inzwischen sogar damit fast alles Pulver verschossen, um einer noch gefährlicheren Deflation etwas entgegensetzen zu können. Und die weltweit extrem lockere Geldpolitik führt überdies zur Bildung riesiger spekulativer Blasenbildungen. Die WhatsApp-Übernahme durch Facebook verdeutlicht die Dotcom-Blase 2.0.

Nichts anderes ist es, wenn Griechenland, das von allen Ratingagenturen als ausfallgefährdete Ramsch-Anleihe eingestuft wird, wieder Milliarden erhält. Das liegt schlicht daran, dass die Banken für das Zentralbankgeld, das sie praktisch für einen Nullzins erhalten, lukrative Anlagen suchen, womit auch die EZB praktisch die Banken subventioniert, damit sie Staatsanleihen von Krisenländern kaufen. Und Griechenland findet sich in einem interessanten Umfeld wieder. Die Geldflut führt dazu, dass auch Länder wie Pakistan und Sri Lanka nun wieder Geld geliehen bekommen.

Sogar das konservative Wall Street Journal spricht deshalb sogar von einem "zweifelhaften Anleihe-Erfolg" Griechenlands: "Die Märkte haben immer wieder bewiesen, dass sie ein kurzes Gedächtnis haben, wenn es um Zahlungsausfälle von Staaten geht." Das wäre sicher anders, wenn tatsächlich die dafür gerade stehen müssten, die Milliarden im Casino verzocken. Das hat jetzt die Türen wieder so richtig geöffnet. Solange aber die Verluste weitgehend auf Staaten und die Steuerzahler abgewälzt werden können, kann man sich ein so kurzes Gedächtnis auch erlauben.