Mail à la Russki

Neben der Spur

Im Moment ist alles suspekt, das in Russland nicht stattfindet oder aus Russland kommt. Sogar Mailadressen.

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Momentan ist die Lage angespannt, keine Frage. Was vor den Winterspielen noch als Ausgeburt von ewig gestrigen Spinnern galt, ist nun Mainstream. Der Russe als solcher ist wieder gefährlich. Mein Onkel (war übrigens selbst Russe, aber egal), hätte erleichtert aufgeatmet, Gott habe ihn selig. Die alten Feinbilder sind wieder aufgeschaltet.

Aber das beruht ja auf Gegenseitigkeit, denn auch das russische Parlament wird eventuell eine Anti-Terror-Gesetz verabschieden, das es grossen Internetfirmen nicht mehr erlaubt, russische Daten außerhalb von Russland zu speichern. Und plötzlich liest sich Antiterror irritierend falsch, und man kommt sich im Westen auch ein wenig missverstanden vor. Im Übrigen traut man - beinahe hätte ich gesagt: bei den Kommunisten - auch Cybercoins nicht. Das solle man als Einzelperson und öffentliche Institurion in Russland lieber auch nicht nutzen.

Da wird es dann doch kompliziert, denn mit fortschreitenden Sanktionen kommt es vielleicht bald wieder zu den Zeiten, in denen selbst die Ausfuhr von Servern nach Russland verboten wird. Und man wird ja wohl kaum alte Mütterchen in Sibirien mit der handschriftlichen Kopie von Emails beauftragen, damit sie im Industriegebiet von Irkutksiwaswieauchimmer abgelegt werden können.

Und auf der anderen Seite frägt man sich, was der Spin-off der russischen Mail.ru Group mit der Einführung einer Emailadresse im Schilde führt, die nur auf mobilen Geräten funzt, ohne Passwort. Alleine dass my.com als russischer Spin-off ausgewiesen wird, macht das ja diese Tage schon suspekt. Und dass man bei Mail.ru auch VK.com eher innerrussisch behandelt. Alles suspekt in diesem Russland. Klar.

Da möchte man doch angesichts des weltweiten Vertrauensverlusts das Fluchen beginnen. Aber das geht ja in Russland nun auch nicht mehr. Zumindest nicht in Filmen, TV-Shows und Konzerten.

Ja, man kommt sich ein wenig wie der Frosch im immer heißer werdenden Kochwasser vor, der sich überlegt, ob es Zeit wird, sich Sorgen zu machen, weichgekocht und kriegsbereit gemacht zu werden, oder ob es sich hier nur um einen von Nest verursachten Rauchmelder Fehler handelt und man im Topf sitzen bleiben soll.

Das beruhigt sich schon wieder irgendwie und dann kann man auch wieder über Skype fluchend Bitcoins mit russischen Freunden tauschen.