Wenn ferne Monde Messdaten verfälschen

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Wer in den Atmosphären erdähnlicher ferner Planeten nach Biomarkern wie Methan oder Ozon sucht, läuft einer neuen Studie zufolge Gefahr, falsch-positive Messergebnisse zu provozieren

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Jedes chemische Element hat einen signifikanten Fingerabdruck, der bei der Spektralanalyse an Konturen gewinnt. Von dieser Gegebenheit profitieren unter anderem auch Astronomen, sofern sie über ein sensibles Teleskop mit einem leistungsstarken Spektografen verfügen, der das von extrasolaren Planeten reflektierte stellare Licht in seine verschiedenen farblichen Bestandteile zu zerlegen und im Infrarotlicht die Temperatur und chemische Zusammensetzung der Atmosphären zu sezieren vermag.

Nachweis im Lichtspektrum

In diesem Fall schlägt die Stunde der Biosignaturen respektive Biomarker. Fänden Planetenforscher etwa auf einem erdähnlichen, in einer habitablen Zone gelegenen Planeten in dessen Atmosphäre das Element Sauerstoff, das auf der Erde als Nebenprodukt der Photosynthese entsteht, wäre dies ein Indiz für Leben. Auch wenn Sauerstoff immer noch als der zuverlässigste Indikator für biologische Aktivität gilt, gibt es doch viele nicht-biologische Prozesse, die zu einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre führen können.

Bild: NASA/ESA/K. Retherfod/SWRI

Aus diesem Grund fokussieren sich Astrobiologen in den letzten Jahren immer mehr auf die chemischen Verbindungen Methan oder Ozon, bisweilen auch auf Kohlenstoffmonoxid. Gelänge es, solch aussagekräftigten Biomarker im Lichtspektrum zu bestimmen, wäre dies zumindest ein indirekter Beweis für Leben.

Sich überschneidende Spektren

Doch in einem aktuellen Fachbeitrag relativieren nunmehr drei Astrophysiker die Erfolgsaussichten dieser Strategie. In der im "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlichten Studie (s.u.) kommen Hanno Rein und Yuka Fujii von der University of Toronto Scarborough (UTSC) sowie David Spiegel vom Institute of Advanced Study in Princeton zu dem Schluss, dass das bisher favorisierte klassische Zwei-Substanzen-Detektionsverfahren, mit dem bei erdähnlichen Planeten Biomarker wie Methan oder Ozon ausfindig gemacht werden sollen, ineffektiv ist. Und zwar dann, wenn der observierte Exoplaneten über einen eigenen Mond verfügt, der selbst eine Atmosphäre besitzt und den Planeten in relativer Nähe umkreist.

In diesem Fall kommen sich die Spektren beider Himmelskörper in die Quere. Sie überschneiden sich, sie verschmelzen. "Sie könnten zwischen ihnen nicht unterscheiden, weil sie so weit entfernt sind. Sie würden beide in einem Spektrum sehen", erklärt Hanno Rein.

Nur futuristische Fernrohre könnten helfen

Selbst die leistungsstarken Teleskope der nächsten Generation - wie etwa das in vier Jahren auf Mission gehende James Webb Telescope oder das ab 2022 operierende European Extremely Large Telescope (E-ELT) - könnten bei einer solchen Konstellation kaum unterscheiden, ob etwa der Planet eine signifikante Sauerstoff-Methan-Mischung hat oder ob der ihn umkreisende Mond selbst über Methan verfügt.

Besäße etwa ein Planet mit einer sauerstoffreichen Atmosphäre einen Mond wie den Saturntrabanten Titan, der selbst eine methanreiche Atmosphäre hat, würde ein außerstehender, viele Lichtjahre entfernte Beobachter aufgrund der Nähe beider Objekte im Lichtspektrum ein falsch-positives Ergebnis erhalten. Für ihn sähe es aus, als befände sich in der Atmosphäre des Exoplaneten der starke Biomarker Methan und somit biologische Aktivität auf der fremden Welt.

Um derlei fehlerhafte Messergebnisse zu vermeiden, müsste man zunächst einmal die Existenz von Monden im Umkreis des beobachteten Planeten sicher ausschließen können, betont die Autoren des Papers. Bestenfalls sei dies mit einem futuristischen Teleskop möglich: "Solch ein Teleskop müsste auf unrealistische Weise groß sein, so um die 100 Meter im Durchmesser. Und es müsste im Weltraum gebaut werden", erklärt Rein. "Ein solches Teleskop existiert nicht, und es gibt keine Pläne, ein solches alsbald zu bauen."

Chancen bei erdnahen oder großen Exoplaneten und im Sonnensystem

Mit den zur Verfügung stehenden Fernrohren lassen sich laut Rein nur mit Bestimmtheit die Größe und Temperatur von Exoplaneten messen und die Frage beantworten, ob auf deren Oberflächen Wasser existiert und ob es sich um habitable Welten handelt oder nicht. "Wir können nicht wissen, woraus die Atmosphäre tatsächlich besteht, nicht mit den Methoden, die wir zurzeit haben."

Nur bei erdnahen erdähnlichen Exoplaneten, die in einer Entfernung von bis zu 32 Lichtjahren liegen, kommen Biomarker zum Tragen. Bei solch geringen Distanzen bestehe durchaus die Chance, das exoplanetare Spektrum vom exolunaren abzugrenzen, so das Forschertrio. Sinnvoller sei es aber, Biosignaturen zu verwenden, die ausschließlich auf einen einzigen Stoff beruhen – wie etwa Sauerstoff. Aber auch bei den großen Gasriesen, den Hot jupiters, sind Biosignaturen im Lichtspektrum im Gegensatz zu den Zwillingserden weitaus leichter zu detektieren.

"Wir sollten uns vergewissern, dass wir nach den richtigen Objekten suchen", verdeutlicht Rein, der sich für eine gezielte Suche nach außerirdischem Leben in unserem eigenen Sonnensystem stark macht, vor allem mit Blick auf die neuesten Daten über den Saturnmondes Enceladus, unter dessen eisiger Kruste ein verborgener flüssiger Wasserozeans gelegen ist. "Auch bei Exoplaneten wollen wir die Suche erweitern und Planeten um Sterne studieren, die kälter als unsere Sonne sind. Ein Beispiel hierfür ist der kürzlich entdeckte Planet Kepler-186f, der einen M-Zwergstern umkreist."

Paper: H. Rein, Y. Fujii, D. S. Spiegel. Some inconvenient truths about biosignatures involving two chemical species on Earth-like exoplanets. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; DOI: 10.1073/pnas.1401816111.