Bürger verkaufen ihren Strom selbst

Kommt jetzt "das Manufaktum" unter den Stromprodukten? Die ersten Energiegenossenschaften schließen sich zu einem Dachverband zum Verkauf von regional erzeugtem Ökostrom zusammen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bisher geht der Stromanteil der vielen EEG-Kraftwerke in einem allgemeinen Strommix unter. Dessen besondere Qualitäten (regional, regenerativ, atom- und konzernfrei, klimaschutzverträglich) verschwinden in diesem Graustrommix; andererseits werden ihm gerne allerlei negativ Etiketten angeheftet (Alarmismus mit der EEG Umlage, angeblicher erforderlicher Netzausbau oder wahlweise Wettbewerbsnachteile für den Industriestandort Deutschland).

Auf der Suche nach alternativen Vermarktungskonzepten für den selbst erzeugten Ökostrom haben sich jetzt eine Reihe süddeutscher Energiegenossenschaften zum Dachverband "Bürgerwerke eG" zusammengeschlossen, um den Strom von ihren (Solar-) Anlagen jenseits der immer weiter sinkenden Einspeisevergütung selbst zu verkaufen.

Die Lieferung an Genossenschaftsmitglieder soll bald beginnen. Allerdings steht noch nicht endgültig fest, wie eine 100%ig regenerative Versorgung stattfinden wird. Man würde gerne mit Strom aus regionalen Wasserkraftwerken auffüllen, so dass die Lastkurve nicht nur bilanziell jeweils übers Jahr, sondern zu jedem Zeitpunkt als regenerative Vollversorgung stattfindet. Das Problem so Bürgerwerke eG sei aber, dass deutscher Wasserkraftstrom in vielen Fällen nicht zu bekommen sei, weil die Konzerne diesen nicht an jeden verkaufen.

So steht im Moment als favorisierte Lösung der Zukauf von österreichischem Wasserkraftstrom im Raum. Möglich wäre im Prinzip aber auch die Kombikraftwerkslösung, die regional ebenfalls schon erprobt worden ist. Allerdings befürchten die Bürgerwerker, dass wirklich 100%ig regionaler Ökostrom vielen Interessierten zu teuer sein könnte.

Eine Befürchtung, die vielleicht aber auch völlig unbegründet ist. Denn die Mär von der Stromarmut etc. wird durch die Empirie längst widerlegt: Trotz seit 16 Jahren freier Wahl des Stromanbieters hat bisher gerade mal ein Drittel der Stromkunden in Deutschland seinen teuren Grundtarif verlassen. Der Preis scheint also für die übergroße Mehrheit nebensächlich zu sein. Andererseits ließe sich für die besondere Qualität eines wirklich 100%igen regenerativen Stromproduktes, bei dem die Lieferung aus den Anlagen in der jeweiligen Gegend des Stromkunden stammt, sicher ein fairer Preis erzielen. Denn von der Qualität her wäre das dann dann "das Manufaktum unter den Stromprodukten".

Im Raum steht auf der anderen Seite die Frage, ob die Regierung mittelfristig die verpflichtende Direktvermarktung und Ausschreibungen von Ökostrom durchsetzen will. Auch hier könnte das Genossenschaftsmodell die Rettung sein. Bundesweit geht der solare Zubau indessen in geringerem Umfang weiter. Im März wurden in Deutschland Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 155,805 MW neu ans Netz gebracht. Im Jahr 2014 sind bisher insgesamt 460 MW Photovolatik neu installiert worden. Im gleichen Zeitraum 2013 waren es noch 776 Megawatt (und im gesamten Jahr 2013 3.300 MW). Die Vergütung für Solarstrom würde für alle ab dem 1. Mai 2014 neu ans Netz gehenden Anlagen um 1 Prozent weiter abgesenkt.