Merkel-Sieg in Rom

Renzi siegt mit seiner Partito Democratico, die die Austeritätspolitik umsetzen will, Beppo Grillo muss schwere Niederlage einstecken

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Der italienische Regierungschef Matteo Renzi hat bei den Europawahlen seinen ersten Erfolg verbucht. Seine sozialdemokratische Partito Democratico wurde mit knapp 41 die prozentstärkste Kraft im Land. Weit abgeschlagen landete mit 21 Prozent die 5-Sterne-Bewegung um den Komiker Grillo.

Auf den dritten Platz kam mit 17 Prozent die Rechtspartei Forza Italia, deren Mentor und Gründer Berlusconi nach seiner rechtskräftigen Verurteilung nur noch im Hintergrund aktiv sein kann. Ihm ist es nicht gelungen, sich als Opfer linker Richter darzustellen und seine Partei noch einmal zu stärken. So machen die Wahlen den Niedergang des altenBerlusconismus deutlich, dem es
ohne seinen Namensgeber kaum noch einmal gelingen dürfte, zur hegemonialen Macht in Italien zu werden.

Nach fast 20 Jahren Verspätung wird damit eine Parole Realität, die schon in den 90er Jahren gerufen wurde: "Bye, bye Berlusconi". Manche sehen in Renzi den neuen, moderneren Berlusconi, der sich schon vor seiner Wahl als autoritärer Macher inszenierte. Seine Parteikonkurrenten haben diese Macherqualitäten bereits zu spüren bekommen.

Renzi hat sie alle verdrängt und deutlich gemacht, dass er die letzten Reste linker Traditionen aus der Partei verbannen will. Das ist allerdings kaum noch möglich, weil die PD heute eher eine liberale Partei mit einem kleinen sozialdemokratischen Flügel ist, der keinen Einfluss hat. Renzi ist denn auch der Wunschkandidat der deutschen Regierung, weil er für eine Politik steht, die die Austeritätspolitik erfüllen will und bereit ist, weitere Opfer für große Teile der Bevölkerung zu akzeptieren. Wegen der Schwäche der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen aktuell in Italien gibt es dagegen wegen Gegenwehr.

Renzi kann auch hier die Politik fortsetzen, die Berlusconi über fast zwei Jahrzehnte vorangetrieben hat. Anders als der politische Selbstdarsteller verzichtet Renzi aber auf jede Spitze gegen die EU und gegen Deutschland. In konservativen und wirtschaftsliberalen Medien Deutschlands war man denn auch des Lobes voll für den Ministerpräsidenten. "Auf dem Arbeitsmarkt hat Renzis Regierung eine weitgehende Liberalisierung von Zeitverträgen für eine Dauer von bis zu drei Jahren durchgesetzt und durch das Parlament gebracht. Aufsehen erregte dabei seine Haltung gegenüber den Gewerkschaften, die nach althergebrachten Riten erst einmal großes Palaver mit dem Ministerpräsidenten wollten. Doch Renzi sagte nur kurz, wer ihm etwas vorzuschlagen oder mitzuteilen habe, könne eine Mailnotiz senden", //www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/europawahl-renzi-kann-nun-durchstarten-12958613.html:hieß es in derFaz.

"Der entzauberte Clown"

Beppo Grillo von der Fünf Sterne Bewegung hat sich im Wahlkampf rhetorisch und politisch hingegen in Deutschland- und EU-Kritik versucht. Daher war in deutschen Medien die Häme nicht zu überlesen, mit der das italienische Wahlergebnis kommentiert wurde.

"Der entzauberte Clown" schrieb so etwa Spiegel-Online. Nicht seine rechtspopulistischen Ausfälle gegen Flüchtlinge und andere Minderheiten stehen in der Kritik, sondern seine rhetorische Absage an die Austeritätspolitik und den Einfluss Deutschlands: "Glück gehabt. Italien, das drittgrößte Land in der Euro-Zone, ist Beppe Grillo nicht auf den Leim gegangen, dem Anti-Politiker mit seinen absurden Forderungen. Staatsschulden? Einfach nicht mehr bezahlen. Verträge mit Europa? Ignorieren. Reformen? Quatsch."

Hier werden Forderungen, wie sie auch linkssozialdemokratische Kräfte in Europa vertreten, diskreditiert. Der Online-Redakteur der Taz, Manuel Schubert, hat am vergangenen Wochenende denn auch den Spitzenkandidaten der Europäischen Linkspartei Alexis Tsipras zum Feindbild erkoren, dem er ohne jegliche Begründung vorwarf, "ein billiger Populist, verkappter Antisemit und gewiss kein Europäer" zu sein. Dass der Mehrheitsflügel von Syriza mit Tsipras einen dezidiert proeuropäischen Kurs verfolgt und jeden Austritt aus EU und Eurozone vehement ablehnt, spielt keine Rolle. Aber wer braucht schon Fakten, wenn man sich an einer politischen Kraft abarbeiten kann, die noch ein Europa jenseits der von Deutschland favorisierten Austeritätspolitikpropagiert.

In Italien zumindest hat Tsipras mit dazu beigetragen, dass wieder eine kleine linkssozialdemokratische Liste ins EU-Parlament gezogen ist. Angewidert vom desolaten Zustand der italienischen Linken gründeten Gewerkschafter, Intellektuelle und Feministinnen die "Liste Tsipras für ein anderes Europa", die knapp 4 Prozent erreichte. Es wird sich zeigen, ob die parlamentarische und außerparlamentarische Linke wachsen wird, wenn Renzi durchstartet, was die regierungsnahe deutschsprachige Presse von ihm erwartet. Schließlich habe er die wichtigsten Reformen, die Opfer für große Teile der italienischen Gesellschaft vorsehen, für die Zeit nach der Europawahl aufgehoben.