Es wird ernst mit deutschen Atommüllexporten in die USA

Atommüll aus dem Forschungszentrum Jülich könnte schon im nächsten Sommer in ein US-Atomwaffenzentrum transportiert werden

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Am heutigen Dienstag findet nahe beim US-Atomwaffenzentrum Savannah River Site (SRS) in South Carolina die vorgeschriebene Anhörung im Rahmen der Umweltprüfung statt. Ab 19 Uhr (Ortszeit) soll in North Augusta öffentlich über die Pläne debattiert werden, deutschen Atommüll aus dem Forschungszentrum Jülich (FJS) in das umstrittene SRS zu verschiffen. Die Anhörung wird über das Internet übertragen. Längst wird an einer Durchführbarkeitsstudie gearbeitet und Verhandlungen laufen seit drei Jahren. Eine Absichtserklärung zwischen der US-Energiebehörde (DOE), dem Bundesministerium für Forschung und dem Nordrhein-Westfälischen Wissenschaftsministerium wurde im April unterzeichnet, wie Telepolis berichtet hat.

Es geht um 152 Castor-Behälter mit fast 300.000 abgebrannten Brennelementkugeln aus dem 1988 havarierten und stillgelegten AVR-Kugelhaufenreaktors in Jülich. Eigentlich müsste die Zeit drängen, denn die Betriebsgenehmigung für das dortige Zwischenlager lief schon vor einem Jahr ab. Sie wurde schon zwei Mal bis Juli verlängert, obwohl bei einem Stresstest für atomare Zwischenlager schon Anfang 2013 festgestellt wurde, dass es nicht sicher gegen Erdbeben und Flugzeugabstürze und nicht auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik ist.

K Area Complex zur Lagerung von Atommüll, Savannah River Site (SRS). Bild: DoE

Doch im FJS hat man offenbar keine Eile. Gegenüber Telepolis erklärte der Pressesprecher Jochen Mohr, man betreibe "beim Bundesamt für Strahlenschutz ein Antragsverfahren zur Verlängerung" der Genehmigung um drei Jahre. Mohr begründet den geplanten Export mit dem Atomwaffensperrvertrag. Schon in der Vergangenheit hätten die USA "mehrfach bestrahlte Kernbrennstoffe amerikanischen Ursprungs aus deutschen Forschungsreaktoren" zurückgenommen. Im Rahmen der Non-Proliferationspolitik solle jede Gefahr einer weiteren Verbreitung dauerhaft vermieden werden.

Nach Spiegel-Angaben seien durch einen "Trick" eigentlich verbotene Exporte in einigen Fällen auch wieder erlaubt. So sei in dem im vergangenen Sommer verabschiedeten deutschen Endlagersuchgesetz in letzter Minute eine Passage eingefügt worden, die Forschungseinrichtungen von einem Export-Verbot ausnehmen. Eigentlich war der AVR aber kein Forschungsreaktor und es ist fraglich, ob die Atom-Exporte über die eingebaute Hintertür möglich sind. Der AVR wurde als Versuchsreaktor von den Energieunternehmen betrieben und speiste 20 Jahre Strom ins Netz. Eine Expertenstudie kam zu dem Ergebnis, dass der Reaktor bei der Havarie am Pfingstsamstag 1988 nur knapp an einer Katastrophe "vorbeigeschlittert" sei.

Gemäß der Absichtserklärung soll der strahlende Müll aus Jülich alsbald in der SRS bis zu seiner Aufarbeitung gelagert werden. Einen endgültigen Vertrag könne es erst geben, wenn in der SRS die notwendigen Voraussetzungen für eine Annahme geschaffen worden sind. "Detaillierte Planungen gibt es daher noch nicht", erklärte Mohr. Die Transporte könnten nach seinen Angaben aber ab Sommer 2015 beginnen und ein Jahr später abgeschlossen werden. Transportiert werden soll der gefährliche Müll mit dem Schiff nach Charlston, wo er in einem Militärhafen umgeladen wird, um auf der Straße die gut 200 Kilometer in das Atomwaffenzentrum zurückzulegen.

Das US-Energieministerium will aus dem Atommüll 900 Kilogramm hoch angereichertes Uran gewinnen, das als Kraftstoff für Atomkraftwerke viel wert sei. "Wir wollen das Uran in unserem Chemiewerk von den anderen Materialien trennen und als günstige Energie für unsere Atomkraftwerke einsetzen", erklärte Bill Taylor. Gegenüber dem Deutschlandfunk wollte der Sprecher vom US-Energieministerium aber nicht bestätigen, dass Deutschland für die "Rücknahme" auch noch 450 Millionen Euro locker machen soll, wie der Spiegel berichtet hatte. Das ist deutlich mehr, als der Bau eines sichereren Zwischenlanger kosten würde.

USA wollen aus dem Atommüll ein Geschäft machen

Ohnehin hat US-Energiebehörde längst zugegeben, dass die Abtrennung des Urans aus den Kugeln bisher nur im Labor in kleinen Mengen gelungen ist. Und Tom Clements bezweifelte gegenüber Telepolis, dass die Umrüstung einer bestehenden Aufarbeitungsanlage gelingt. Der Leiter der lokalen Umweltorganisation Savannah River Site Watch meint, die Non-Profileration sei ohnehin nur ein Vorwand und real gehe es darum, den Atommüll loszuwerden. "Deutschland muss seinen Müll selbst entsorgen und unsinnige und gefährliche Transporte verhindern", erklärte er. "Während unklar ist, ob ein so unüblicher hochradioaktiver Müll überhaupt im SRS verarbeitet werden kann, ist sicher, dass es keinen Einlagerungsplan gibt."

Auch die USA verfügen über kein Endlager und haben enorme Probleme mit explodierenden Fässern in einem Endlager für “langlebigen mittelradioaktiven Abfall” aus der Atomwaffenproduktion. Das entsprechende Lager in einem einstürzenden Salzstock musste geschlossen werden, nachdem Arbeiter verstrahlt und Plutonium freigesetzt wurde. Doch offenbar soll in den USA aus dem Atommüll ein Geschäft werden. Clements weist auch darauf hin, dass längst aus aller Welt Atommüll in die USA geschafft werde. Auf dem SRS-Gelände lagere bereits Plutonium aus Kanada, Belgien, Italien und Schweden. Dazu kämen nach Clements noch 180 Millionen Liter flüssigen hochradioaktiver Müll der Atomwaffenproduktion der 1950er Jahre. Die Tanks schlagen längst leck, weshalb der Müll teuer in neue Behälter umgefüllt werden muss. Und bei den 152 Castoren aus Jülich soll es seiner Meinung nach nicht bleiben. Verhandelt werde mit Deutschland auch schon über die Annahme von weiteren 305 Castoren mit 605.000 Graphitkugeln aus dem THTR-300 in Hamm.

Doch aus verschiedenen Richtungen stoßen die Atom-Importe auf Kritik. So kritisiert die Vereinigung besorgter Wissenschaftler die geplante Annahme des Atommülls aus Jülich aus ganz anderen Gründen. Sie meint, ausgerechnet der Non-Proliferation werde ein Bärendienst erwiesen, wenn tatsächlich die Suche nach Möglichkeit zur chemischen Abtrennung des hoch angereichertem Uran in der SRS gelingen würde. "Doch das, was dort geplant wird, könnte die Vorzüge des internationalen Non-Proliferationsabkommens verwässern. Andere Länder könnten denken, dass wir versuchen, unseren Grundstock von waffenfähigem Uran zu vergrößern. Und dann wollen sie auch so etwas tun", sagte der Sprecher der Gruppe Ed Lyman dem Deutschlandfunk.