"Sie soll gekocht werden wie ein Truthahn"

Außer Kontrolle

Gilberto V., unter dem reißerischen Namen "Cannibal Cop" bekannt geworden, darf wieder auf freien Fuß. Allerdings nur unter strengen Auflagen.

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Kein Zugang zum Internet, eine psychologische Untersuchung, 100.000 US Dollar Kaution und ständiges Tragen einer elektronischen Fußfessel – das sind die Auflagen, die der New Yorker Gilberto V. erfüllen muss um in "Freiheit" zu leben. Freiheit bedeutet in diesem Falle, dass er nicht mehr in Haft sitzt - doch gerade auch das Tragen der Fußfessel relativiert letztendlich den Begriff Freiheit.

Die Verurteilung Gilberto V.s im Jahr 2012 hatte zu Kontroversen geführt. Während die einen in ihm eine tickende Zeitbombe sahen, die nun einmal entschärft werden müsse, fanden die anderen, dass hier eine Art Gedankenpolizei eingeschritten sei und Phantastien bestrafte.

Gilberto V.s Phantasien, so sagte seine Verteidigerin vor Gericht, seien krank und pervers - aber eben nur Phantasien. In diesen wollte Gilberto V. Frauen zerstückeln, kochen, essen. Den Tieren ähnlich, die geschlachtet und gekocht werden, sollten die Frauen in Gilberto V.s Gedanken enden – an den Füßen aufgehängt und mittels Kehlenschnitt ausblutend, "an Seilen aufgehängt wie ein Truthahn"... Das Internet bot auch ihm die Möglichkeit, seine Phantasien mit anderen zu teilen und sich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Gedanken hegten. Wie es während der Gerichtsverhandlung hieß, habe Gilberto V. Informationen über potentielle Opfer gesammelt und im Internet, zusammen mit Gleichgesinnten, auch "konkret die Entführung und Ermordung geplant". Er habe beispielsweie im Internet nach Chemikalien gesucht, die dazu dienen können, ein Opfer bewusstlos zu machen, ferner auch nach Tauen, die für die Fesselung geeignet sind. Weiterhin habe er eine Straße aufgesucht, in der eine Frau lebte, deren Entführung er für 5.000 US Dollar angeboten habe. Die Verteidigung sah in den "Plänen" jedoch nur eine konsequente Weiterführung der Phantasie, schließlich sei niemand verletzt, entführt oder gar ermordet worden. Auch der Versuch einer solchen Straftat sei niemals unternommen worden.

Der Richter, der nunmehr den früheren Schuldspruch aufhob, schloss sich der Meinung der Verteidigung an und entließ Gilberto V. in die (relative) Freiheit. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch bereits Berufung angekündigt, sie hält Gilberto V. weiterhin für der Planung von Straftaten schuldig . Im früheren Verfahren war er schuldig gesprochen worden. Der Schuldspruch hätte, wäre er aufrecht erhalten worden, bis zu lebenslanger Haft bedeuten können. Zur Last gelegt worden waren ihm geplante Tötung, Entführung und Kannibalismus.

Die unbefugte Nutzung der Polizeidatenbank wurde ihm weiters zur Last gelegt. Gilberto V. hatte diese genutzt, um Frauen zu finden, die denen in seinen Phantasien entsprachen. Nach der Entdeckung war Gilberto V. aus dem Polizeidienst entlassen worden.

Der Fall ist nicht nur in Bezug auf das Internet interessant, sondern ist für die Frage wichtig, ab wann eine Phantasie zu einer Planung einer Straftat wird. Das Internet macht es zwar leichter, für diverse Phantasien Gleichgesinnte zu finden, doch dies bedeutet nicht, dass die Phantasien auch zwangsläufig in die Tat umgesetzt werden sollen. Vielfach wird jedoch die Meinung vertreten, dass Worte oder Phantasien eben doch zwangsläufig in Taten münden, weshalb schon bestimmte Meinungen oder artikulierte Phantasien verboten werden bzw. die Urheber strafrechtlich verfolgt werden sollten. Auf der anderen Seite sehen manche Menschen gerne in einer Phantasie einen ausdrücklichen Wunsch, exemplarisch seien hier sadomasochistische Phantasien oder auch Vergewaltigungsphantasien genannt.

Der Fall ist auch für die Beurteilung von sogenannten Selbstmordforen nicht unwichtig. Diese Foren dienen unter anderem auch dem Austausch von Selbstmordphantasien und werden daher von der Politik gerne als etwas angesehen, was unterbunden werden müsse. Auch hier stellt sich die Frage, ab wann eine solche Phantasie dann als mehr als eine Phantasie angesehen werden sollte und was dies für den Urheber bedeutet. Gilberto V.s Phantasien waren durch seine Frau entdeckt worden, welche Spyware auf seinem Rechner installierte um das Internetverhalten ihres Mannes zu überprüfen.