Wissenschaftsjournale: Konzentration, Karriere und Kommerz

Trotz Open Access können Elsevier, Wiley-Blackwell, Springer und Taylor & Francis ihr Oligopol ausbauen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Internet-Euphorie der 90er Jahre scheint passé: NSA und GCHQ überwachen das Netz, Deutschland dräut die Vorratsdatenspeicherung und Amazon, Zalando & Co. machen schlichtweg alles gleich und nehmen den Einzelhändlern die Existenz. Die Zuversicht, das Netz mache die Welt vielfältiger, gestatte uns Informationen und Produkte verschiedenster Provenienz zu konsumieren, scheint gedämpfter denn je. Auch die womöglich naive Hoffnung, das Netz wirke tendenziell hierarchienivellierend, ist gestorben - vielmehr wäre eine Dominanz wie etwa die von Amazon oder Google ohne das Netz unvorstellbar.

Als das Netz noch wenig intuitive Kommunikationsverfahren wie Gopher und Telnet brauchte waren Wissenschaftler die wohl intensivsten Nutzer der neuen Informationsinfrastruktur, erlaubte diese ihnen doch den raschen und globalen Zugriff auf relevante Informationen und den effizienten Austausch mit Kollegen. Und nicht zufällig wurde die Hypertext Markup Language, die den Konsolenzugriff auf das Internet im Bewusstsein der Nutzer mehr oder minder obsolet werden ließ, an einer wissenschaftlichen Einrichtung, dem CERN, entwickelt.

Auch wenn die Wissenschaft in gewissem Sinne immer noch einigermaßen autonom ist, bleibt sie von den durch die Digitalisierung ausgelösten Konzentrationseffekten nicht verschont, das wiesen Vincent Larivière, Stefanie Haustein und Philippe Mongeon in einem kürzlich im Open-Access-Journal PLOS One erschienen Artikel mit dem Titel The Oligopoly of Academic Publishers in the Digital Era nach.

Die Untersuchung basiert auf einer Auswertung von 45 Million Zeitschriftenartikeln, die zwischen 1973 und 2013 publiziert und in der Datenbank Web ofScience indiziert wurden. Die Limitierung auf Daten des Web of Science hat weitreichende Folgen, die von den Autoren, das soll nicht unerwähnt bleiben, eingestanden werden:

Das Web of Science indiziert laut Selbstbeschreibung nur ausgewählte Journale nach nachvollziehbaren Regeln und unter strengster Beachtung der Qualität der Zeitschriften. Diese Darstellung wird allerdings teils nachdrücklich bestritten: Die Auswahl etwa scheint eher der Publikationssprache als anderen Eigenschaften der Zeitschriften geschuldet und die laut Informationen des Web of Science höchstzitierten Journale sind meist diejenigen, die auch am häufigsten Artikel wegen wissenschaftlicher Mängel zurückziehen müssen.

Trotz dieser Randnotizen fördert der Artikel von Larivière, Haustein und Mongeon höchst Interessantes zu Tage: Die Konzentrationseffekte unter den im Web of Science indizierten Zeitschriften sind beachtlich. In Naturwissenschaften und Medizin sowie in den Sozial- und Geisteswissenschaften wuchs der Anteil der von den Verlagen Elsevier, Wiley-Blackwell, Springer und Taylor & Francis aufgelegten Zeitschriften kontinuierlich, besonders aber seit die Wissenschaftskommunikation Mitte der 90er Jahre digital wurde.

Die stärkste Konzentration findet sich der Erhebung zufolge in den Sozialwissenschaften mit sage und schreibe 70 %, wohingegen die Geisteswissenschaften von diesem Phänomen noch am ehesten verschont bleiben und eine circa zwanzigprozentige Konzentration aufweisen, Medizin und Naturwissenschaften rangieren dazwischen und weisen Konzentrationen von 53 % auf.

Beachtenswert erscheint vor allem die Beschleunigung der Effekte seit Mitte der 90er Jahre: 1973 publizierten die fünf größten Verlage aus Medizin und Naturwissenschaft wenig mehr als 20 % der Artikel des Samples. 1996 lag der Wert bei 30 %, stieg bis 2006 auf 50 %, um 2013 den Wert von 53 % zu erreichen. Dabei teilten sich 2013 alleine die drei Verlage Elsevier, Springer und Wiley-Blackwell satte 47 % der Artikel des Samples. Die Zunahme der Konzentrationen war in den Sozial- und Geisteswissenschaften noch ausgeprägter: Bis 1990 produzierten die fünf größten Verlag nur 10 % der Artikel des Samples, Mitte der 90er lag der Wert bei immer noch sehr moderaten 15 %, um bis 2013 auf über 51 % zu schnellen.

Auch wenn man anzweifeln kann, dass die im Web of Science indizierten Journale per se von besonderer Qualität sind, ist unbestritten, dass Wissenschaftler, Wissenschaftsverwaltungen, Berufungskommissionen und Evaluatoren ein wahrhaft fetischistisches Verhältnis zum Web of Science haben. In einer kruden Komplexitätsreduktion wird weithin postuliert, ein in dieser Datenbank indiziertes Journal habe hohe Qualität, woraus wieder abgeleitet wird, dass ein in einem solchen Journal publizierender Wissenschaftler ebenfalls besondere Qualität aufweise.

Die Botschaft der Publikation von Larivière, Haustein und Mongeon lautet daher eigentlich: Wer Karriere machen will, muss bei in Zeitschriften von Elsevier, Wiley-Blackwell, Springer und Taylor & Francis publizieren und er wird damit nicht nur die Konzentration weiter vorantreiben, sondern auch die Kommerzialisierung, schließlich findet sich unter den genannten Anbietern kein einziger Non-Profit-Verlag oder ein Verlag in Hand einer Fachgesellschaft. Vielmehr sind die Verlage allesamt potente Wirtschaftsunternehmen mit beindruckenden Gewinnen: Die Autoren verweisen etwa für Springer auf eine Gewinnmarge von 35 % im Jahr 2012 oder von 28,3 % für Wiley 2013, Elsevier strich 2013 gar einen Gewinn von 38,9 % ein.