Zschäpe: Teufel oder Diddl-Maus?

Das mediale Bild von Beate Zschäpe zeigt, dass Rassismus und Neonazismus nicht als strukturelles Problem gesehen wird

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"Der Teufel trägt Prada", titelte der Südkurier. Bild textete "Der Teufel hat sich schick gemacht." Die Taz zitiert Nachbarn von Beate Zschäpe, die sie als Diddl-Maus bezeichneten. Charlie Kaufhold hat sich in einem kürzlich erschienenen Buch ausführlich mit dem medialen Bild von Zschäpe befasst.

Für ihre Untersuchung hat sie Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, der Taz, Spiegel-Online und der Bildzeitung analysiert. Damit hat Kaufhold nicht nur verschiedene Zeitungsformate, sondern auch Medien mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung von konservativ bis linksliberal einbezogen. Es gibt natürlich in Nuancen in der Berichterstattung. Doch die Autorin konnte feststellen, dass Zschäpe entweder dämonisiert oder bagatellisiert wird.

Hauptsache, den Katzen geht es gut

Die letztere Vorgehensweise ist ziemlich deutlich festzustellen, wenn sich beispielsweise in Facebook darüber ausgetauscht wird, wie es Zschäpes Katzen wohl jetzt geht. Als sie bei ihrer verlesenen Aussage auch erklärte, sie habe zeitweise die Katzen vernachlässigt, was für sie untypisch gewesen sei, waren manche enttäuscht.

Die Ermordung von 10 Menschen durch den NSU hat scheinbar bei manchen weniger Emotionen ausgelöst. Schwieriger ist schon, die mediale Dämonisierung zu bestimmen. Charlie Kaufhold betont dabei vor allem, es gehe darum, dass die Menschen, die mit Zschäpe vor ihrer Verhaftung in engerem Kontakt standen, sich von ihr abgrenzen konnten. Begriffe wie Teufel sollen Zschäpe aus der Menschheit entfernen.

Doch wo von Teufeln geredet wird, kann von Rassismus und rechten Strukturen umso mehr geschwiegen werden. Das beste Beispiel ist das enge Umfeld des heute bekannten NSU-Trios, das angibt, von Zschäpe getäuscht worden zu sein. Dass die vielleicht vom NSU nichts wussten, aber ein rechtes Weltbild hatten, bleibt dabei ausgeblendet.

Das ist auch generell der Effekt, den Kaufhold an der Art der Berichterstattung über Zschäpe sieht. Sie hat ihr Buch vor der verlesenen Erklärung von Zschäpe fertiggestellt. Sie betont allerdings, dass ihr Erklärungsansatz davon nicht tangiert worden sei. Im Gegenteil, man könnte sagen, dass das Buch dadurch als Diskussionsansatz noch wichtiger wurde.

Denn Zschäpes Erklärung machte deutlich, dass sie selber die mediale Zuschreibung übernimmt und sich als Frau darstellt, die von den Morden des NSU immer erst hinterher erfahren haben will, die die Taten so verabscheute, dass sie ihre Katzen sogar vernachlässigte und doch nicht von den beiden Uwes loskam, weil die dann mit Selbstmord drohten.

Nun könnte diese Erklärung eine juristische Strategie sein, um sich als schwache Frau zu stilisieren und somit ein vorherrschendes Frauenbild zu benutzen. Wahrscheinlicher ist aber, dass das Frauenbild in rechten Kreisen und in großen der bürgerlichen Medienöffentlichkeit so unterschiedlich gar nicht ist. Denn es ist nicht nur Zschäpe, die sich als unwissende Frau darstellt.

Keine Kastrationsangst durch Nazifrauen

Auch in anderen Gerichtsverfahren haben angeklagte Frauen aus der rechten Szene diese Rolle bedient. Sie argumentierten teilweise, dass sie aus Sorge um die Kinder politisch aktiv seien. Frauen aus der rechten Szene, die sich politisch äußerten und zu ihren Taten bekannten, sind hingegen nicht bekannt.

Wie gut die bürgerliche Öffentlichkeit dabei mitspielt, sieht man allein daran, dass wohl kaum jemand weiß, dass in der BRD eine Neonazifrau wegen eines Mordes an zwei Vietnamesen verurteilt wurde. Sybille Vorderbrüggen war Mitglied der Neonaziorganisation "Deutsche Aktionsgruppen", die vor 35 Jahren eine Art NSU-Vorläufer war, aber schnell vergessen war.

Lediglich der Altnazi Manfred Röder ist manchen noch bekannt. Auch die Opfer der Neonazis der frühen 1980er Jahre sind vergessen. Erst im Zuge der Diskussion um den NSU hat man überhaupt wieder an diesen rechten Terror erinnert. Im Prozess wurde Vorderbrüggen ebenso verharmlost wie heute Zschäpe. So schrieb die Zeit unter der Überschrift "Das Mädchen, das zur Bombe kam":

"Als könnte sie niemandem auch nur ein Haar krümmen: So freundlich lächelt sie manchmal, zu Beginn einer Prozeßpause, ihre beiden Anwälte an. So bescheiden wirkt sie, wenn sie den Gerichtssaal betritt, in ihrer weißen Strickjacke mit Zopfmuster, grünem Trachtenrock mit passenden grünen Wollstrümpfen. So lieb schaut sie aus mit ihren schulterlangen, breit gekämmten Haaren und dem blassen, immer noch mädchenhaften Gesicht."

Hier wie bei heute Zschäpe werden Geschlechterstereotype verwendet, die in weiten Teilen der bürgerlichen Gesellschaft geteilt wurden. Auf der Veranstaltung machte eine Besucherin darauf aufmerksam, wie sich die mediale Berichterstattung über militante Rechte von der Berichterstattung über Frauen in militanten linken Zusammenhängen gravierend unterscheidet.

Die Frauen aus der RAF wurden nicht als untergeordnet, sondern als Kämpferinnen dargestellt, die sogar den Männern in der Gruppe überlegen gewesen seien. Hier wurde das Bild von kämpfenden Frauen gezeichnet, vor der Männer Kastrationsangst haben. Ein solches Bild gibt es weder bei Zschäpe, noch gab es das bei Vorderbrügge.

Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob zumindest Teile der Medien und das Gericht künftig mit Zschäpes Erklärung argumentieren, um ihre These von dem Trio zu untermauern. Denn es ist auffallend, dass die Angeklagte mehrere der in der öffentlichen Diskussion strittigen Punkte über den NSU aufgegriffen und die offizielle Version bekräftigt hat.

Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil es mit dem Bild von der unwissenden Frau kollidiert, die mit den Aktionen des NSU angeblich nichts zu tun haben wollte. Warum sie dann genau weiß, warum die Polizistin Kieswetter sterben musste und dass es den NSU eigentlich gar nicht richtig gegeben hat, ist dann schon erstaunlich.

Denn eigentlich gilt doch in konspirativen Gruppen, dass Personen, die nichts mit den Aktionen zu tun haben, auch nicht viel darüber wissen. Sollte das Gericht zumindest in Teilen Zschäpes Aussagen übernehmen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch dazu dienen, das NSU-Kapitel als aufgeklärt abzuhaken und jede weitere kritische Nachfrage als lästiges Störfeuer zu betrachten.