Bilderberg-Konferenz: "Das ist eine absolut vordemokratische Veranstaltung"

Rico Gebhardt, der Vorsitzende der sächsischen Linkspartei, rechnet mit Protesten gegen Elite-Treffen in Dresden

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Im Juni findet die Bilderberg-Konferenz in Dresden statt (Bilderberg-Konferenz: Machtelite trifft sich in Dresden). "Demokratie braucht Transparenz und Legitimation. Beides geht der Bilderberg-Konferenz komplett ab. Das ist vollkommen inakzeptabel", sagt der Vorsitzende der sächsischen Linkspartei Rico Gebhardt im Interview mit Telepolis und kündigt an, dass für die Linken das Treffen der Mächtigen auch ein Thema im Parlament sein wird. Gedanken macht sich Gebhardt über ein mögliches Aufeinandertreffen linker und rechter Protestgruppen. Beide Lager üben Kritik an der Elite-Zusammenkunft. ("Ist es nicht eine echte Sauerei, dass in einer Demokratie Interessen verfolgt werden?").

Wann haben Sie zum ersten Mal von der Existenz der Bilderberg-Gruppe gehört?

Rico Gebhardt: Ehrlich gesagt: Ich selbst erst bei der Ankündigung der Konferenz in Dresden. Das ist kein Thema, mit dem man im politischen Betrieb jeden Tag konfrontiert ist. Durch die Geheimheit der Treffen ist das doch eher eine Geschichte, die ausführlich in einschlägigen Foren diskutiert wird, dann allerdings zumeist mit einem ordentlichen Schlag Weltverschwörung und jenseits der wirklichen Kritiklinie. Für Die Linke als Partei ist das allerdings kein neues Thema. Da gibt es einige, die sich mit dem Thema beschäftigt haben und die mir entsprechend auch intensiv "Nachhilfe" geben konnten. Aber die Unkenntnis über die Konferenz ist letztlich ja auch in ihrem Charakter angelegt.

Die taz zitiert Ministerpräsident Stanislaw Tillich mit den Worten: "Ich freue mich, dass die wichtigen Entscheidungsträger Dresden als Tagungsort gewählt haben." Wie denken Sie darüber, dass die nächste Bilderberg-Konferenz in Dresden stattfinden wird?

Rico Gebhardt: Das ist komplett absurd. Ministerpräsident Tillich freut sich darüber, dass das gute Werbung für den Wirtschaftsstandort Sachsen und für Investoren sein würde. Solche Äußerungen angesichts des Charakters der Bilderberg-Konferenz offenbaren eine gewisse Einfachheit beim Tanz auf dem internationalen Parkett.

Wo setzt Ihre Kritik an den Konferenzen genau an?

Rico Gebhardt: Was Tillich offenbar gar nicht verstanden hat: Es handelt sich um ein privates, also geheimes Treffen selbsternannter Entscheidungseliten im Sinne einer neoliberalen Wertegemeinschaft. In der Politik würde man das Klüngelrunde nennen. Da treffen sich Entscheidungsträger aus der Wirtschaft mit handverlesenen und ideologiegeprüften Vertretern der Politik und diskutieren eine politische Agenda. Das ist eine absolut vordemokratische Veranstaltung. Demokratie braucht Transparenz und Legitimation. Beides geht der Bilderberg-Konferenz komplett ab. Das ist vollkommen inakzeptabel.

Gehen wir weiter auf den "demokratischen Gedanken" ein. Die Bilderberg-Konferenzen sind nach außen abgeschottet, was auf den Konferenzen gesagt wird, bleibt im Großen und Ganzen geheim. Könnten Sie sich als Politiker unter diesen Rahmenbedingungen vorstellen, an dieser Konferenz teilzunehmen?

Rico Gebhardt: Natürlich nicht. Wie gesagt: Politik lebt von Transparenz und Legitimation. Wenn das beides fehlt, sollte jeder, der es mit der Politik ernst meint, von einer Teilnahme Abstand nehmen. Die Legende Bilderberger lebt doch vor allen Dingen davon, dass wirtschaftliche, neoliberale Einflusseliten handverlesen Politiker zum Gespräch bitten und im Geheimen ihre Agenda klöppeln. Was auch immer da wirklich besprochen und entwickelt werden sollte: Jedwede Intransparenz verbietet sich im demokratischen Prozess.

Ich ziehe mal einen Vergleich: Die Münchner Sicherheitskonferenz tritt jedes Jahr als Treffen der internationalen Sicherheitspolitikern, Militärs und Rüstungsindustriellen zusammen und diskutiert vollkommen ungefragt sicherheitspolitische Fragestellungen. So ein Treffen bleibt nicht ohne Einfluss. Natürlich hat das Einfluss auf künftige Entscheidungen und Überlegungen genau dieser Personengruppen. Aber diesem Treffen fehlt jedwede Legitimation. Und trotzdem nimmt sie Einfluss auf die Art und Weise unseres weltweiten Zusammenlebens. Das ist doch vollkommen inakzeptabel. Allerdings: Einen Unterschied gibt es dann doch. Zumindest weiß ich bei der Münchner Sicherheitskonferenz, wer da was gesagt hat, denn die findet öffentlich statt. Dass das bei der Bilderberger-Konferenz nicht der Fall ist, delegitimiert sie doppelt.

Klassentreffen der Neoliberalen hat kein Anrecht darauf, mit öffentlichen Geldern abgeschirmt zu werden

Nun könnte man ja durchaus auch der Meinung sein, dass Politiker zusammen mit anderen Eliten einmal in Ruhe über die Weltpolitik reden möchten, ohne dass man, weil die Öffentlichkeit nicht dabei ist, jedes Wort auf die Goldwaage legen muss. Demnach ließe sich die Bilderberg-Konferenz einfach als "Plauderstunde" der Mächtigen einordnen. Gibt es etwas, was sie dieser Argumentation entgegenhalten?

Rico Gebhardt: Es steht jedem frei, mit jedem Mal zu plaudern. Aber seien wir doch mal ehrlich: Institutionelle Organisation eines informellen Gesprächsrahmens macht die Sache schlicht und ergreifend illegitim. Punkt. Aus. Ende.

Werden Sie und Ihre Partei sich mit der Bilderberg-Konferenz in Dresden weiter beschäftigen?

Rico Gebhardt: Ja, natürlich. Wir prüfen aktuell angemessene Aktionsformen. Wenn ich kritisiere, dass die Bilderberger als Klassentreffen der Neoliberalen eigentlich kein Anrecht darauf haben, mit öffentlichen Geldern abgeschirmt zu werden, muss ich darüber nachdenken, was dann eigentlich ein sinnvoller Protest ist, der im Nachhinein den Polizeischutz nicht auch noch legitimiert. Wir werden sehen. Wir sind da ja nicht unkreativ. Auch im Parlament werden wir in jedem Falle von unserem Fragerecht Gebrauch machen und die Staatsregierung auffordern, uns über die geplanten Kosten im Zusammenhang mit dieser privaten Veranstaltung zu informieren. Zumindest diese Transparenz beim "Thema Bilderberg" können wir herstellen.

Was meinen Sie, wie werden sich die Bürgern in Dresden verhalten? Wird es Proteste geben?

Rico Gebhardt: Ob das die Bürger von Dresden sein werden, weiß ich nicht. Allerdings ist Dresden aktuell ein Hotspot des bundesweiten Demonstrationsgeschehens. Gerade auch des rechtsgerichteten. Man denke an Pegida. Ich bin mir sicher, dass die extreme Rechte im Verbund mit den üblichen Verdächtigen aus Reichsbürgern und Aluhüten versuchen werden, den Protest zu vereinnahmen und in ihre Agenda zu setzen.

Das ist am Ende auch ein Abgrenzungsproblem für uns: Wir müssen unseren Protest und unser Angebot zum Protest so gestalten, dass er nicht verwechselt werden kann mit dem von rechtsaußen. Gleichzeitig ist eine Konfrontation eines Protestes von links und rechts ein Problem, denn das kann unser eigentliches Anliegen der Kritik an der Bilderberg-Konferenz überlagern. Wir stehen da vor einer echten Denksportaufgabe. Ich bin mir sicher, dass wir die meistern werden.