Endet die Migrationsroute jetzt in Südbaden?

Seit das Wetter im Mittelmeer nördlich von Libyen weniger stürmisch ist, nehmen die Zahlen der über das Mittelmeer und Italien nach Norden Wandernden wieder deutlich zu

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Route über Italien und die Schweiz

Die Zeitung Der Sonntag in Freiburg hatte kürzlich damit aufgemacht, dass jetzt, nachdem die Balkanroute fast abgeriegelt sei, die Zahl derjenigen Migranten steige, die über Italien und die Schweiz nach Deutschland kämen.

Nach Auskunft der Bundespolizeidirektion Stuttgart wurden im Bereich von Weil am Rhein 2014 1544 unerlaubte Einreisen festgestellt. 2015 stieg die Zahl auf 1787, um im gesamten ersten Halbjahr 2016 mit 908 einen (auf das gesamte Jahr hochgerechnet) niedrigeren Wert zu erreichen.

Dieser auf den ersten Blick niedrigere Wert ist jedoch der zeitlichen Abgrenzung geschuldet. Stürmisches Wetter im Mittelmeer hatte die Migrantenüberfahrten in den ersten Monaten des Jahre 2016 deutlich einbrechen lassen. Ab Mai stiegen sie jedoch deutlich an - und so erreichte die Zahl der Aufgriffe am Rheinknie in den Monaten Juni und Juli jeweils die Höhe von 400.

Die von der Bundespolizei aufgegriffenen unerlaubt Eingereisten kam im ersten Halbjahr 2016 hauptsächlich aus Eritrea, Gambia und Äthiopien. Hier erleichterte sicherlich in den meisten Fällen die Hautfarbe dieser Personen ihren Aufgriff, weicht ihre Haut-Pigmentierung doch stärker von der der lokalen Bevölkerung ab, als dies bei den Migranten aus dem Norden Afrikas der Fall ist.

Weder für den Bereich Weil, noch für Konstanz, gibt es derzeit Hinweise, dass die verstärkte Nutzung der zentralmediterranen Route nach Italien auf ein Ausweichen aufgrund der vielfach blockierten Balkan-Route zurückzuführen ist. Der Anstieg der Zahlen zum Sommer 2016 dürfte in erster Linie dem besseren Wetter im mittleren Mittelmeer geschuldet sein. Der Anteil unerlaubter Einreisen aus Frankreich im Bereich der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein ist nach Auskunft der Bundespolizeidirektion Stuttgart sehr gering.

Warum gerade Weil am Rhein?

Dass sich die unerlaubten Grenzübertritte im Bereich von Weil am Rhein wieder häufen, hängt mit der topografischen Situation an der deutsch-schweizerischen Grenze und dem Grenzverlauf zusammen. Dort, wo der Hochrhein die Grenze bildet, kommen Migranten höchsten über die Grenzübergänge an den wenigen Brücken über den Rhein.

Im Raum Schaffhausen und bei Basel bildet jedoch der Rhein aus historischen Gründen jedoch nicht die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland. Mit dem Beitritt der Schweiz zum Schengen-Raum sind nicht nur die Grenzkontrollen zwischen der Schweiz und Deutschland weggefallen, auch die sogenannte grüne Grenze wurde geöffnet - und heute fährt die S-Bahn der deutschen SBB-Tochter ohne Grenzkontrollen zwischen Zell im Wiesental bis Basel SBB.

Auch per Straßenbahn kann man inzwischen problemlos von Basel nach Weil am Rhein wechseln. Und der Regionalverkehr der Deutschen Bahn wechselt meist ohne Kontrolle zwischen Schweizer und deutschem Hoheitsgebiet. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass der Badische Bahnhof in Basel zwar barrierefrei von Schweizer Hoheitsgebiet umgeben ist, jedoch selbst zum deutschen Hoheitsgebiet zählt. Der frühere Grenzposten im Badischen Bahnhof ist inzwischen vollständig abgebaut.

Rückzug der Bundespolizei von der Grenze ins Hinterland

Die Bundespolizei hat heute im Stadtgebiet von Weil am Rhein ebenfalls keine Dienststellen mehr. Während früher noch Einsatzabschnitte in Weil-Otterbach und Weil-Autobahn vorhanden waren, wurden diese Dienststellen inzwischen in Lörrach konzentriert. Die Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein selbst, die früher in Weil am Rhein direkt neben dem dortigen Polizeirevier ansässig war, befindet sich unter Beibehaltung des bisherigen Namen seit geraumer Zeit nicht mehr in Weil, sondern mehrere Kilometer nördlich in Efringen-Kirchen

So wundert es wenig, dass Migranten, die nicht von der Bundespolizei aufgegriffen wurden, dann bei der nächsten für sie erreichbaren Polizeidienststelle in Weil auflaufen, um Asyl zu beantragen. Die Polizeiwache der baden-württembergischen Landespolizei in Weil am Rhein sei dem Ansturm der Migranten kaum kaum noch gewachsen, war im oben erwähnten Sonntags-Beitrag zu lesen.

Foto: Polizei Weil am Rhein

Nun ist die Weiler Wache der Landespolizei für die Migranten auch gar nicht zuständig - und daher für diese Aufgabe weder technisch noch personell entsprechend ausgestattet. Die Landespolizei in Weil am Rhein ist zudem mit der lokalen Kriminalität im Dreiländereck schon traditionell gut ausgelastet. Weil liegt in Baden-Württemberg schon seit vielen Jahren hinsichtlich der Kriminalität an der Spitze der einschlägigen Statistik.

Was macht die Bundespolizei, wenn sie die Grenze nicht bewacht?

Seit dem Wegfall der stationären Grenzkontrollen nach dem Schengen-Beitritt der Schweiz erfolgt die polizeiliche Fahndung im sogenannten Schengenschleier, einem Streifen mit einer Tiefe von 30 Kilometer. Die ehemals üblichen stationären Kontrollen an den früheren Grenzübergängen und innerhalb der früheren Zollgrenzbezirke, wo damals Sonderrechte hinsichtlich der Kontrollbefugnisse bestanden, werden seither nicht mehr durchgeführt.

Heute gibt es nur noch anlassbezogene Kontrollen direkt an den Grenzübergängen in der Folge der Auswertung der sogenannten polizeilichen Lagebilder. Von Streifengängen entlang der grünen Grenze ist schon seit Jahren keine Rede mehr. Angesichts der festgestellten steigenden Migration wurde die Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein inzwischen jedoch durch Beamte aus anderen Dienstbereichen verstärkt.

Eine umfangreichere Aufstockung der Kräfte der Bundespolizei scheitert derzeit an der reinen Verfügbarkeit. Und Nachwuchs fällt auch nicht von Bäumen. Derzeit wird nur jeder zehnte Bewerber von der Bundespolizei für die Ausbildung akzeptiert.

Kontrolliert werden die grenzüberschreitenden Verkehrsmittel von Fall zu Fall. Neben ICEs und Regional- und S-Bahnen, Bus- und Fernbuslinien wird auch die Autobahn A 5 innerhalb der 30- Kilometer-Zone kontrolliert. Da die A 5 in Südbaden immer innerhalb dieses 30-KM-Korridors entlang der Grenze zu Frankreich verläuft, werden von Weil aus Kontrollen bis an die Landkreisgrenze Emmendingen/Ortenaukreis durchgeführt, wo sowohl die Zuständigkeit der Weiler Bundespolizeiinspektion als auch Südbaden endet.