MH17: Wo bleiben die Beweise der Geheimdienste?

Geflissentlich bezichtigen sich alle interessierten Parteien gegeneinander, für den vermuteten Abschuss des Passagierflugzeugs verantwortlich zu sein, Beweise will aber niemand liefern

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Noch ist weiter nicht geklärt, ob die Boeing-Maschine Flug MH17 über dem Kriegsgebiet in der Ostukraine tatsächlich abgeschossen wurde oder ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelt. Vieles spricht dafür, dass die Maschine abgeschossen wurde, aber seltsamerweise hat bislang keine Seite direkte Beweise vorgelegt. Sehr schnell hatte sich allerdings US-Vizepräsident Biden, dessen Sohn in der Ukraine in einem dubiosen Ölkonzern tätig ist, auf einen Abschuss festgelegt, der Sprecher des Weißen Hauses bestätigte dies und bezichtigte mehr oder weniger direkt Russland. Das ist auch die Strategie der ukrainischen Regierung. Man darf vermuten, dass dies auch zwischen der ukrainischen und der amerikanischen Regierung abgesprochen wurde.

Ein Buk-M1-Raketensystem. Bild: public domain

Zwar berufen sich Vertreter der US-Regierung auf Geheimdienstinformationen, die nahelegen würden, dass eine Buk- oder SA-11-Rakete das Flugzeug abgeschossen hat, aber das Pentagon erklärte, es gebe keinen Beweis, dass die Rakete von Russland abgefeuert wurde. US-Präsident Obama sprach von einer "globalen Tragödie" und berief sich am Freitag auf Geheimdienstinformationen, nach denen die Rakete aus dem von Separatisten kontrollierten Gebieten abgefeuert worden sei:

Evidence indicates that the plane was shot down by a surface-to-air missile that was launched from an area that is controlled by Russian-backed separatists inside of Ukraine

Admiral John Kirby erklärte am Freitag, dass die Separatisten ohne Hilfe mit der komplizierten Technik wohl nicht umgehen können, weswegen russische Unterstützung erforderlich wäre. All das bleiben Vermutungen und Spekulationen, Kirby meinte denn auch suggestiv und gewunden, man habe "keinen Grund für den Verdacht, dass sie (russische Soldaten) keine Unterstützung auf der anderen Seite (der ukrainischen) geleistet haben". So ist alles möglich, aber man sucht den Verdacht auch von den Separatisten auf Russland zu lenken. Auch wieder ohne Beweise anzuführen, "glaubt" Kirby, dass Russland schwere Waffen an die Separatisten liefert und diese auch finanziell unterstützt. Wie sehr sich Kirby windet, lässt sich aus dieser Passage aus der Pressekonferenz erkennen:

Q: Prior to this week, was there any belief in this building that the separatists possessed this kind of weaponry?

REAR ADM. KIRBY: We -- without getting into -- I mean, first of all, we don't have perfect visibility into every capability that -- that the separatists have. We certainly knew that this was a capability that we had reason to believe that this was certainly a capability that they aspired to having access to.

Q: With vehicle-borne, or just the Man-portable air-defense systems (MANPADS)?

REAR ADM. KIRBY: I would say both.

Q: Both.

Q: To be clear, have you seen any anti-aircraft weapons cross the border to Ukraine?

REAR ADM. KIRBY: I have no information about specific anti-aircraft systems crossing the border into Ukraine.

What we have said is we have seen tanks go across. We've seen armored vehicles go across. Trucks of all sorts. We have seen major equipment move across the border into Ukraine from Russia. I don't have any specific indications of air defense systems or surface to air missile systems."

Der ukrainische Geheimdienst präsentierte zwar einige angeblich abgehörte Telefongespräche, die die Separatisten und Russland belasten, aber es lässt sich nicht sagen, ob sie manipuliert wurden oder den Flug MH17 betrafen. Die Flugschreiber sind noch immer verschwunden, mittlerweile ist offenbar wieder unklar, ob sie überhaupt schon auf dem riesigen Gelände gefunden wurden. Ohnehin würden sie keine weiteren Erkenntnisse liefern, wenn die Maschine abgeschossen wurde. Ob die Separatisten tatsächlich Beweise wegschaffen, wie die ukrainische Regierung behauptet, scheint nach Informationen von CNN mit Verweis auf die OSZE keineswegs sicher zu sein.

Angeblich habe ein US-Radarsystem registriert, dass kurz vor dem Abschuss ein System für Boden-Luft-Raketen eingeschaltet und ein Flugzeug verfolgt wurde. Ein anderes System habe eine Hitzespur registriert, was darauf hinwiese, dass eine Rakete abgeschossen wurde. Möglicherweise verfügen bzw. verfügten die Separatisten über Buk-Raketensysteme, sicher ist, dass die ukrainische Armee solche besitzt. Daher wäre interessant zu wissen, wo genau die Rakete abgefeuert wurde und wo sich zu dieser Zeit die Systeme der Separatisten und der ukrainische Armee befunden haben. Vermuten lässt sich, dass die US-Geheimdienste eben auch nicht wissen, wer die Rakete abgefeuert hat.

Der Versuch des russischen Präsidenten Putin, auf jeden Fall der ukrainischen Regierung die Schuld in die Schuhe zu schieben, weil sie für den Krieg und die Sicherheit des Lauftraums verantwortlich sei, war nicht glücklich. Allerdings hatte er stets eine unabhängige Untersuchung durch die International Civil Aviation Organisation (ICAO) befürwortet.

Geschickter geht nun das russische Verteidigungsministerium vor. Es behauptet, dass die malaysische Maschine im Bereich von 5 Flugabwehrsystemen geflogen sei und dass ein "ukrainischer Flugabwehr-Radar am Donnerstag unweit vom Absturzort in Betrieb" gewesen sei, womit man wohl auf die US-Informationen verweist. Es handele sich um die Radarstion Kupol, die zu einem Buk-M1-Raketensystem im Raum Styla, 30 km südlich von Donezk gehöre: "Die technischen Eigenschaften von Buk-M1 ermöglichen einen Datenaustausch zwischen mehreren Batterien über Luftziele. Deshalb hätte die Rakete von jeder der Batterien abgefeuert werden können, die in Awdejewka (acht km nördlich von Donezk) oder Grussko-Sorjanskoje (25 km östlich von Donezk) stationiert sind". Schon zuvor wurde erklärt, dass die Ukraine 27 Flugabwehr-Raketensysteme vom Typ Buk in der Region Donezk stationiert habe.

Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow legt nach und forderte Kiew auf, "einer zuständigen Kommission einen detaillierten Einblick zu gewähren, wie die Ukraine ihre Boden-Luft- und Luft-Luft-Raketen verwende". Die ukrainische Regierung erklärte, es seien zur Zeit des Absturzes der Maschine keine ukrainischen Kampfflugzeuge in der Luft gewesen, die Maschine sei außerhalb der Reichweite der Flugabwehrsysteme gewesen. Das mag man glauben oder auch nicht.

Verwunderlich bleibt, warum die Geheimdienste aller Seiten, allen voran die angeblich so allwissenden der USA, keine Beweise vorlegen wollen oder können, von genau wo aus die Rakete abgefeuert wurde und welche Flugabwehrsysteme sich dort befanden. Ein seltsames Spiel mit der Öffentlichkeit, die allseits mit vagen und spekulativen Informationen auf die eigene Seite gebracht werden soll. Derweil bemüht sich die ukrainische Regierung darum, dass die Separatisten von den Vereinten Nationen als "Terrororganisationen" eingestuft werden.