Korea: Süden droht dem Norden

Ein vorgebliches Verteidigungskonzept und die Art, wie es vorgestellt wird, versprechen die Spannungen weiter zu verstärken

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel halten an. Zur Abwechslung ist es diesmal der Süden, der ordentlich Öl ins Feuer gießt. Die Zeitung Korea Times berichtet von drastischen Drohungen des südkoreanischen Verteidigungsministers Han Min-koo. Man überlege den Aufbau einer Spezialeinheit, die gegebenenfalls den Auftrag bekommen könnte, Kim Jong-un, den nordkoreanischen Staatschef umzubringen.

Natürlich steht ein solcher Einsatz nicht bevor. Wenn derlei tatsächlich geplant wäre, würde kaum darüber geredet werden. Aber genauso selbstverständlich sind derlei Äußerungen, wie sie Han in einer öffentlichen Parlamentssitzung machte, bestens geeignet die Spannungen weiter zu steigern. Wie die Japan Times anmerkt, werden sie den Norden eher darin bestärken, Atomwaffen zu entwickeln.

Aber vielleicht ist genau das ganz im Sinne des Verteidigungsministers. Denn natürlich stärkt der schwelende Konflikt nicht nur die Position Kim Jong-uns gegen Konkurrenten und potenzielle Reformer im nordkoreanischen Machtgefüge. Er sorgt auch dafür, dass Südkoreas Rechte ihre Wähler bei der Stange halten kann und diese sich nicht über den Abbau von Gewerkschaftsrechten und die Zerschlagung von Streiks beklagen.

Han verpackt seinen Vorstoß als Verteidigungsmaßnahme. Sein Ministerium bereitet ein Konzept für eine Antwort auf einen Angriff mit Atomwaffen aus dem Norden vor. Demnach würde versucht werden, durch gezielten Raketenbeschuss in Kombination mit besagten Spezialeinheiten die militärische und politische Führung des Landes auszuschalten.

Allerdings kann zum einen aus so einem Defensiv- auch ganz schnell ein Offensiv-Konzept werden, wie man auch im Norden wissen wird. Zum anderen ist die logische Konsequenz für den Norden ein Wettrüsten. Dann wird das dortige Militär eben versuchen, seine Schlagkraft weiter zu erhöhen, sodass ein Enthauptungsschlag unmöglich gemacht werden kann. Dafür ist offensichtlich besonders schnelles Agieren nötig.

Alles in allem also eine Konfiguration, die sehr schnell aus dem Ruder laufen kann, wenn sich eine Seite akut bedroht fühlt. Rund 30.000 in Südkorea stationierte US-Soldaten - neben dem geplanten Raktenabwehrschild einer der Gründe für Pjöngjangs Paranoia - werden gegebenenfalls dafür sorgen, dass der Konflikt kein regional begrenzter bleibt.