Wälder und Gelder

Wald in BritishColumbia. Bild: BC Ministry of Forests, Lands and Natural Resource Operations/CC BY-NC-ND 2.0

Die indigenen Gemeinschaften Kanadas haben die Wälder nicht nur geschont, sondern sogar deren Qualität verbessert - ganz im Gegensatz zum militärisch-kapitalistischen Komplex des Westens

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Immer wieder heißt es, die Menschheit zerstöre zwangsläufig die Natur, weil die Menschen "von Natur aus" zerstörerisch mit ihrer Umwelt umgehen. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Denn viele indigene Gemeinschaften gingen sehr verantwortungsvoll mit ihrer Umwelt um, so zum Beispiel die Ureinwohner von British Columbia, das an der waldreichen kanadischen Westküste liegt.

Die "First Nations", wie die indigenen Gemeinschaften Kanadas genannt werden, haben im Verlauf von 13.000 Jahren nicht nur die dortigen Wälder geschont, sondern sogar deren Qualität verbessert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Fachmagazin "Nature" erschienen ist.

Für die Studie wurden 15 verschiedene Orte mit modernen biochemischen und archäologischen Methoden untersucht, an denen bis vor 100 Jahren die "First Nations" gelebt haben - die Orte liegen rund 400 Kilometer nördlich von Vancouver und beherbergen vor allem Riesen-Lebensbäume (Thuja plicata). Ergebnis der Untersuchungen: In den Wäldern, in denen die "First Nations" lebten, sind die Bäume allesamt höher, ausladender und gesünder als die Bäume in der Peripherie. Die Bäume im Gebiet der First Nations haben im Durchschnitt grünere Blätter und einen größeren Stammumfang. Darüber hinaus wachsen sie schneller als die Bäume der Kontrollgruppe in der Peripherie und sind seltener von Schädlingen befallen.

Wie das? Die Bäume wurden vor allem durch enorme Mengen von Holzkohle-Asche, Abfallprodukt der Feuerstellen, gedüngt. Ein weiterer Dünger sind die sogenannten Køkkenmødding, also prähistorische Abfallhaufen aus Muschelschalen und Fischknochen, die als Überreste der Nahrungsgewinnung und -zubereitung zurückgeblieben sind. Diese Køkkenmødding bedecken tausende Quadratkilometer der untersuchten Wälder und reichen teilweise bis zu fünf Meter unter die Erdoberfläche, schließlich haben sich die First Nations der Westküste Jahrtausende von Meerestieren ernährt.

Der kohlensaure Kalk (Calciumcarbonat, CaCO3) der Muschelschalen und Fischknochen hat die Böden über Jahrtausende hinweg bis zum heutigen Tag mit Nährstoffen versorgt. Die Asche wiederum wirkt ebenfalls als Dünger und hat den pH-Wert der Böden angehoben, wodurch sich auch der düngende Phosphor-Gehalt erhöhte - aus eher saurem Boden wurde nach und nach eher alkalischer Boden, der fruchtbarer ist als die Böden der Peripherie.

Die indigenen Gemeinschaften haben die Wälder der kanadischen Westküste nicht nur geschont, sondern sogar deren Qualität verbessert. Der militärisch-kapitalistische Komplex jedoch müllt die Wälder zu und macht alles platt, was ihm unter die Säge kommt. Bild: Kira Hoffmann, kanadische Ökologin und Mitautorin der Studie.

Ohne Profitstreben

Nicht nur die First Nations, sondern auch die indigenen Gemeinschaften auf dem Gebiet der heutigen USA gingen meist sehr sorgsam mit ihrer Umwelt um. Bison-Herden wurden nicht bis zum Exzess getötet, weil allen klar war, dass sie sich regenerieren müssen. Die Bäume wurden möglichst an abwechselnden Stellen geschlagen, damit sie wieder nachwachsen können. Und die Ureinwohner gingen in der Natur oft im Gänsemarsch hintereinander her, um eine möglichst kleine Schneise in den wichtigen Weidelandschaften zu hinterlassen.

Profitstreben jedenfalls war diesen Gemeinschaften fremd. Dass indigene Gemeinschaften durch Landnutzung ihre Umweltbedingungen verbessern können, zeigt auch die jahrhundertelange Kultivierung der "Terra Preta" in Lateinamerika und Afrika. Die "Terra Preta" ist ein äußerst fruchtbarer, bis zu 2 Meter dicker Boden, der durch die stete Zugabe z.B. von Asche, Biomasse und Kohlenstoff entsteht.

Das Anthropozän bringt also nicht zwangsläufig Zerstörung über die Welt - doch sie kam mit den ersten europäischen Siedlern: Sie lynchten Millionen Ureinwohner, rotteten die Bisons aus und privatisierten das Land. (Das Wort "privat" kommt vom lateinischen "privare", was so viel heißt wie berauben, entziehen, vorenthalten.) Anschließend fielen die nordamerikanischen Wälder der Brandrodung und dem Kahlschlag zum Opfer, was eine enorme Desertifikation mit sich brachte. Der heutige Wassermangel in Kalifornien und anderen US-Bundesstaaten zeugt noch heute davon, dass die "Pioniere der USA" etliche wasserbindende Wälder und damit fruchtbare Böden vernichtet haben.

"In einer Zeit, wo uns so viele Forschungsergebnisse das negative Vermächtnis der Menschheit zeigen, ist es unglaublich, dass wir hier die entgegengesetzte Geschichte haben. Diese Wälder florieren durch ihre Beziehung mit den First Nations der Küstengebiete. Seit über 13.000 Jahren, also 500 Generationen, haben Menschen diese Landschaft gestaltet. Sprich, dieses Gebiet, das auf den ersten Blick makellos und wild aussieht, ist durch menschliche Aktivitäten hochgradig verändert und verbessert worden", sagt Andrew Trant, Ökologe an der kanadischen University of Waterloo und Hauptautor der Studie.

Und er fügt hinzu: "Diese Ergebnisse verändern unsere Denkweise über Zeit und die Beeinflussung der Umwelt - und sie bestärken die Idee der Verbundenheit, die bei den Kulturen der First Nations vorherrscht. Wir müssen uns das immer wieder klarmachen: Unser heutiger Müll muss irgendwo hin."