Aggressive Autofahrer lieben autonome Fahrzeuge als Gegner

Für die Daimler hat der Schutz der Mercedes-Fahrer und -kunden höchste Priorität. Bild: Tokumeigakarinoaoshima/CC-BY-SA 4.0

Frauen sollen nach einer Studie beim Fahren öfter zur Wut neigen als Männer - und Daimler hat schon mal Prioritäten für die Maschinenethik gesetzt

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Über selbstfahrende Autos wird es noch viele Diskussionen und Fragen geben. Die von Verkehrsminister Dobrindt eingesetzte Ethikkommission etwa soll "Leitlinien für die Programmierung automatisierter Fahrsysteme" formulieren, was implizit schon einmal ausschließt, dass es nur noch darum gehen soll, wie man sie gesellschaftsakzeptabel möglichst schnell auf die Straße bringen kann. Nach Dobrindt ist auch die Haftungsfrage schon geklärt: "Wenn etwas passiert, haftet der Hersteller." Da wird es noch Klärungsbedarf geben, ist zu vermuten.

Auffällig ist, dass zu den auserwählten Experten mit Renata Jungo Brüngger, Vorstandsmitglied der Daimler AG, gerade einmal eine Quotenfrau erwählt wurde, dafür aber mit dem Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger ein katholischer Geistlicher, ohne den es wahrscheinlich in Bayern nicht geht. Mit Dr. August Markl sitzt neben Juristen, einem Wirtschaftsethiker und Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, auch der ADAC am Tisch mit. Ob die Männerdominanz an der bayerischen CSU-Kultur liegt, dem Glauben, dass Frauen mit Technik eh nichts anfangen können, oder gar daran, dass autonome Systeme auch eine Art Kinder sind, muss natürlich offenbleiben.

Ob sich die Ethikkommission neben der Maschinenethik auch mit der Frage des Verhaltens der Menschen gegenüber autonomen Fahrzeugen beschäftigen wird? Interessant ist jedenfalls die Studie von Reifenhersteller Goodyear und der London School of Economics and Political Science (LSE), die herausfinden wollten, wie sich Autofahrer gegenüber autonomen Fahrzeugen verhalten werden, die bekanntlich das Versprechen mit sich tragen, das Leben auf den Straßen sicherer zu machen. Just Menschen könnten aber willkürlich für neue Risiken sorgen, zumindest bis nur noch autonome Fahrzeuge fahren dürfen, falls man den menschlichen Faktor einmal aus dem Verkehr beseitigen will. Dann müssten freilich auch Fußgänger oder Radfahrer andere, kreuzungsfreie Straßen oder Wege benutzen.

Jedenfalls stellte sich bei der Umfrage unter fast 12000 Autofahrern und Autofahrerinnen und einigen Gruppengesprächen heraus, dass gerade jene Fahrer, die "stressig", also riskant oder auch aggressiv fahren, am besten mit autonomen Fahrzeugen zurechtkämen. Die haben auch großes Vertrauen in die Technik und gehen davon aus, dass die KI im Gegensatz zu menschlichen Fahrern, cool bleibt und Dränglern das Feld widerspruchslos überlässt.

Erstaunlich ist, dass eigentlich nur 25 Prozent sagen, sie würden sich in einem autonomen Fahrzeug wohlfühlen. Interessant ist da, dass gerade von Daimler, der bei der Ethikkommission mit Frau Brüngger direkt beteiligt ist, der Hinweis kam, dass man dort vor allem die Passagiere schützen will, die Fahrzeuge sollen ja auch verkauft werden und der Boom der SUVs kommt schließlich auch aus dem Wunsch, möglichst sicher durch den hochgerüsteten Wagen zu sein.

"Wenn man weiß, dass man mindestens einen Menschen retten kann, dann muss man das zumindest machen. Rette den Menschen im Auto. Wenn man sicher weiß, dass ein Tod verhindert werden kann, dann sollte das die höchste Priorität haben", hatte Christoph von Hugo, bei Daimler für Fahrassistenzsysteme zuständig, gesagt - oder sich verplappert. Damit vermeidet man schwierige moralische Entscheidungen bzw. entscheidet eigentlich amoralisch, dass der Fahrer des Mercedes-Wagens auf jeden Fall Vorrang hat.

Womöglich würden dann noch mehr als ein Viertel sich einem autonomen Fahrzeug anvertrauen, das zumindest so egoistisch ist wie man selbst. Gleichwohl hätten 28 Prozent keine Bedenken, die Straße mit einem autonomen Fahrzeug zu teilen. Aber 44 Prozent haben Bedenken, sich selbst einem solchen Fahrzeug anzuvertrauen oder 41 Prozent, mit diesen im Verkehr zurechtkommen zu müssen.

Dabei sagen 44 Prozent, dass autonome Systeme eigentlich bessere Fahrer sein sollten, weil sie nicht von Emotionen geleitet sind, und 41 Prozent, dass die meisten Unfälle durch menschliche Fehler entstehen. Fast 80 Prozent wünschen daher, dass ein autonomes Fahrzeug weiter ein Lenkrad haben sollte, und 64 Prozent, dass ein menschlicher Fahrer die Kontrolle haben soll, was aber den menschlichen Irrtum zurückbringen würde. Aber mit 85 Prozent sind noch mehr der Überzeugung, dass autonome Fahrzeuge auch mal nicht funktionieren könnten, was offenbar letztlich doch verstörender als das Wissen ist, dass die Mitmenschen fehleranfällig sind. Fast Zweidrittel räumen ein, zu wenig über autonome Fahrzeuge zu wissen, das aber wird sich auch in Zukunft nicht groß ändern, selbst wenn die KI-Systeme offengelegt würden.

"Sie werden bremsen"

Die aggressiven Fahrer jedenfalls, die vielleicht auch deswegen riskanter fahren, weil sie als "Technikoptimisten" der jetzt schon vorhandenen Technik vertrauen, sehen Vorteile bei den autonomen Fahrzeugen. Das sind etwa die Fahrer, die sagen, dass sie dann, wenn zwei Fahrspuren sich zu einer verengen, sich hineinzwängen, also auf die Rücksicht der anderen setzen. Das sehen einige auch als Vorteil der autonomen Fahrzeuge an, die sicherheitshalber auf jeden Fall bremsen werden, wenn sie den Wechsel in eine andere Fahrspur erzwingen: "[The AVs are] going to stop. So you're going to mug them right off. They're going to stop and yo'’re just going to nip round."

Die vorsichtigeren oder kooperativen Fahrer fürchten jedoch eher die autonomen Fahrzeuge, weil sie der Technik weniger vertrauen und ihr Verhalten in Absprache mit den anderen Verkehrsteilnehmern anpassen. Das Problem ist allerdings schon bekannt. So hatten autonome Fahrzeuge oft lange bei Kreuzungen gewartet, weil sie größere Sicherheitsabstände wahrten, während menschliche Fahrer nach Risikoabschätzung einfahren. Man muss also das Risiko erhöhen, um den Verkehrsfluss zu erhalten, was aber auch die autonomen Fahrzeuge riskanter werden lassen könnte.

Eine von Hyundai durchgeführte Studie unter 1000 Briten will herausgefunden haben, dass Frauen am Steuer wütender reagieren als Männer bzw. dass 12 Prozent mehr Frauen wütend reagieren. Die Versuchspersonen wurden in einem Experiment verschiedenen Fahrsituationen ausgesetzt und dabei wurde untersucht, wie Sinneswahrnehmungen die emotionalen Reaktionen beeinflussen. Dabei wurden Eye-Tracker eingesetzt, die Gesichtsmimik, der Puls und der Hautwiderstand gemessen. Fahren, so die Wissenschaftler, würde archaische Verteidigungsinstinkte auslösen. Frauen reagierten wütender, wenn sie überholt, angehupt oder angeschrieen wurden, mit einem Beifahrer konfrontiert waren oder mit einem Autofahrer zu tun hatten, der nicht blinkt.