Strategien, die Überflüssigen unsichtbarer zu machen

Zunehmend wird in amerikanischen Städten verboten, dass Obdachlose campen oder dass ihnen im Freien Essen ausgegeben wird

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In Los Angeles ist in den letzten beiden Jahren die Zahl der Obdachlosen um 15 Prozent auf fast 58.000 gegen den landesweiten Trend angestiegen. Nur in New York gibt es mit 77.430 mehr Obdachlose, auch hier sind es mehr geworden.

Bild: hud.gov

In den USA sind nach dem Department of Housing and Urban Development über 610.000 Menschen obdachlos, 4 Prozent weniger als 2011, mehr als 200.000 leben ohne jeden Schutz im Freien. 23 Prozent sind Kinder unter 18 Jahren. 45 Prozent der Obdachlosen leben in Großstädten. Aber das sind nur Schätzungen aufgrund von Beobachtungen an einem Tag, weswegen Kritiker vermuten, dass die Zahl höher ist.

Zum Vergleich: In Deutschland soll es 24.000 Obdachlose geben, die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geht von 284.000 Menschen ohne Wohnung aus, Tendenz steigend. In den USA wird Obdachlosigkeit, überwiegend ein städtisches Phänomen, zunehmend auch dadurch angegangen, dass Stadtverwaltungen etwa in Phoenix, Orlando oder Cleveland verbieten, Essen im Freien auszugeben. Es gibt auch vermehrt Verbote, auf Grundstücken ohne Erlaubnis zu essen und zu schlafen oder zu campen. Als Begründung heißt es dann, man wolle den Obdachlosen helfen und für öffentliche Sicherheit sorgen.

New York hat eine ganz nach Bürgermeister Bloomberg ausgerichtete Begründung gefunden. Man verbot letztes Jahr Essensausgaben an Obdachlosenunterkünfte, weil man Sorge habe, dass das Essen zu fett und salzig ist. Nach Philadelphia, Atlanta, Phoenix, San Diego, Miami oder Oklahoma City hat sich nun auch Los Angeles dem Vorgehen gegen Obdachlose angeschlossen.

In Kalifornien wurde Hangtown Haven geschlossen, ein von Art Edwards zur Verfügung gestelltes Gelände in Orange County, an dem Obdachlose seit Juli 2012 in Zelten campen konnten. Orange County ist einer der reichsten Landkreise der USA. Und es war der einzige Ort, in dem es eine Selbstverwaltung der Obdachlosen gab. Die Menschen halfen sich gegenseitig, die Kriminalität ging zurück, auch der Bürgermeister der nahe gelegenen Stadt unterstützte. Die Bewohner hatten sich selbst die Regeln gegeben: kein Alkohol, keine Drogen, keine Sexualtäter. Aber nun lief die Erlaubnis der Stadt ab, der Bürgermeister konnte sich auch nicht durchsetzen, einen anderen Platz zur Verfügung zu stellen. Die Nachbarn wollten keine "Shanty Town", keinen Slum am Rand der Stadt, obgleich die Bewohner anboten, Sichtblenden aufzubauen. Die Stadt soll sauber sein.

Das war auch der Grund, warum in Los Angeles nun der Greater West Hollywood Food Coalition verboten werden soll, am frühen Abend Essen an einer Straßenkreuzung an Obdachlose auszugeben. Mitunter versammelten sich dort 200 Menschen, was die Anwohner störte, da die Obdachlosen anschließend in der Gegend herumlungerten und die Ruhe störten. Hinter dem Verbot stehen zwei demokratische Stadträte. Man will offensichtlich die Obdachlosen vertreiben, die Anwohner wollen sie nicht sehen. An den Ursachen wird nicht gearbeitet, man will, so eine Kritik, nur die Aktivitäten verbieten, die die Obdachlosen sichtbar machen. Die Wohltätigkeitsorganisationen sollen gezwungen werden, was auch mehr kostet, anstatt Essen von einem Lastwagen auszugeben, Räumlichkeiten zu mieten.