Scheinheiligkeit der Debatte um Kampfdrohnen

Die Bundeswehr fordert Kampfdrohnen zum Schutz der Soldaten im Auslandseinsatz - ganz zu Recht, wenn deutsche Soldaten weltweit weiter eingesetzt werden sollen, wie dies die Große Koalition will

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Wenn es um Schutz und Sicherheit der Soldaten gehe, dürfen Kosten keine Rolle spielen, versprach Bundesverteidigungsministerin von der Leyen bei ihrem Besuch in Afghanistan den Soldaten - im Gepäck der Ministerin reisten 40 Journalisten mit, um für die gebührende Aufmerksamkeit zu sorgen. Sie hat sich zwar angeblich bewusst nicht vor einer Drohne ablichten lassen, aber die schon länger bestehende Forderung nach der Ausstattung von Kampfdrohnen, die im Debakel bei der Anschaffung des Euro Hawk und vor der Bundestagswahl untergegangen war, hat ihr Versprechen wieder hochspülen lassen.

Eine Heron-1, wie sie von der Bundeswehr verwendet wird und die auch bewaffnet werden könnte. Bild: DLR, CC-BY 3.0

Der Bundesvorsitzende des BundeswehrVerbands André Wüstner, der Bundeswehrbeauftragte Hellmut Königshaus und der ISAF-Regionalkommandeur Jörg Vollmer fordern von der Leyen prompt die Beschaffung von Kampfdrohnen. Für sie sind ferngesteuerte Kampfdrohnen, die nicht nur ein Gebiet beobachten, sondern einen vermuteten Feind auch gleich aus der Ferne töten können, unverzichtbar für den Schutz der Soldaten. Sie seien die Ausrüstung, die am besten dafür sorgen könne. Man beruft sich dabei auch auf Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der bereits 2012 für die Beschaffung von Kampfdrohnen eingetreten ist (Für Verteidigungsminister de Maizière sind Kampfroboter wie alle Waffen "ethisch neutral").

"Wenn Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz geschickt werden, dann muss ihnen auch das Optimum an Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden", erklärt Wüstner. "Letzteres hat Verteidigungsministerin von der Leyen zuletzt in Afghanistan glasklar unterstrichen. Nun werden ebenso klare Worte zum Thema Drohnen erwartet." Die Argumentation ist bestechend: "Das ist eine Fähigkeit, die auch wir gebrauchen können, daher ist auch der Bedarf da - gegebenenfalls bereits für die Folgemission in Afghanistan ab 2015. Das alles dient schließlich dem Schutz der Truppe", so Wüstner. Weil die Bundeswehr etwas brauchen kann, müsse dies auch bereitgestellt werden, scheint die Logik zu sein. Dabei kann sich Wüst auf den Koalitionsvertrag berufen, in dem Union und SPD erklären: "Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen die bestmögliche Ausrüstung. Dabei steht ihre Sicherheit im Mittelpunkt. Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht, und nicht, was ihr angeboten wird." Und weil man sich auch einig ist, dass die Bundeswehr weiterhin Auslandseinsätze ausführen und die Neuausrichtung "auf die veränderten sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts" fortgesetzt werden soll, setzt man nicht nur auf Drohnen zur Aufklärung, sondern bezieht die Beschaffung von bewaffneten Drohnen ein.

Die Koalition lehnt zwar "extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen … kategorisch" ab, sie will "für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintreten und sich für eine völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter Waffensysteme einsetzen". Bevor Kampfdrohnen beschafft werden, wolle man, so das Versprechen, "alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig prüfen". Wer diese Prüfung durchführen soll, hat man sicherheitshalber nicht angekündigt. Vermutlich wird man schlicht erst einmal Drohnen beschaffen, die dann bei Bedarf und politischer Lage mit Waffen hochgerüstet werden können.

Kampfdrohnen oder Ende der Auslandseinsätze

Wüstner übt jedenfalls moralischen Druck aus: "Bei allen Einsatzbesuchen reagieren die Menschen vor Ort mit Unverständnis, warum sich die Politik so schwer tut." Und er stellt die Alternative, entweder bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr oder keine Auslandseinsätze mehr: "Wenn Deutschland nicht bereit ist, mit solchen Fähigkeiten für den notwendigen Schutz seiner Soldatinnen und Soldaten zu sorgen, dann darf man die Streitkräfte auch nicht in derartige Einsatzszenarien wie in Afghanistan entsenden."

Damit hat der Oberstleutnant den richtigen Punkt getroffen, schließlich muss sich die Politik damit auseinandersetzen, ob sie eine Verteidigungs- oder eine für den Auslandseinsatz ausgebildete und ausgerüstete Armee will. Auch Henning Otte, dem verteidigungspolitischem Sprecher der Unionsfraktion, ist zuzustimmen, wenn er sagt, dass diejenigen, diese "Technologie von vornherein aus ideologischen Gründen" ablehnen, die Sicherheit der Soldaten gefährden. Schon lange befinden sich die deutschen Soldaten in Afghanistan in einem Einsatz mit Alliierten, die Kampfdrohnen verwenden. Sie hätten nun gerne auch selbst welche, um sie besser für die eigenen Zwecke nutzen zu können. Die Bundesregierung, das Parlament und die Bundeswehr mögen zwar theoretisch extralegale Tötungen ablehnen, praktisch haben sie diese aber geduldet und wahrscheinlich auch befürwortet, zumindest ist die Haltung ähnlich scheinheilig wie bei der NSA-Überwachung der Deutschen.

Natürlich geht es bei neuen Waffensystemen nicht nur darum, ob sie die eigenen Soldaten besser schützen und die Gegner besser treffen können, sondern auch darum, ob deren massenhafter Einsatz die Kriegsführung verändert. Zweifellos ist dies so, was man schon am Drohnenkrieg gegen Ziele in Pakistan sieht. Die USA schicken die Drohnen in das Gebiet eines souveränen Staats, ohne dass ein Krieg erklärt wurde und obgleich die pakistanische Regierung nach außen die Drohnenangriffe verurteilt (aber diese insgeheim duldet oder jedenfalls dulden muss). Die Lage würde ganz anders aussehen, wenn es darum ginge, Bodentruppen oder andere Flugzeuge einzusetzen.

Drohnen haben eine Grauzone eingeführt, die sowohl das gezielte Morden von Einzelpersonen als auch einen unerklärten Krieg ermöglicht. Überdies muss man davon ausgehen, dass die Überlegenheit, die Kampfdrohnen gewähren, befristet ist. Bald werden auch die Gegner zumindest über kleinere Drohnen verfügen, mit denen sie Aufklärung ausüben und Anschläge ausführen können. Dann werden die Soldaten im Einsatz oder auch die Menschen in der Heimat auf neue Weise einem Terror ausgesetzt sein, der sich der Verbreitung der Drohnentechnik aus angeblicher Sorge um die Sicherheit verdankt. Zudem arbeitet man daran, den zivilen Luftraum für Drohnen zu eröffnen, um die Drohnenindustrie zu fördern, was natürlich auch den Missbrauch fördern wird.

Kritiker lehnen den Einsatz von Kampfdrohnen und vor allem den nächsten Schritt: den Einsatz von autonomen Kampfdrohnen ab. Aber das ist Unsinn, wenn man nicht Auslandseinsätze, d.h. Krieg, ohne direkt anagegriffen worden zu sein, prinzipiell ablehnt. Sollen deutsche Soldaten Deutschland im Auftrag des deutschen Volkes, repräsentiert durch die Mehrheit im Bundestag, am Hindukusch oder wo auch immer verteidigen, den "Frieden" oder Menschen durch Interventionen schützen, dann wäre es in der Tat verantwortungslos, die Soldaten ohne die bestmögliche Ausstattung in den Einsatz zu schicken.

Der Akt der Tötung unterscheidet sich nicht groß, ob ein Mensch durch einen Gewehrschuss, eine Granate, einen Sprengsatz oder eine Rakete aus der Distanz getroffen wird, sie ist nur unterschiedlich groß und genau. Ist ein Sperrfeuer oder eine Bombe besser, als ein gezielter Schuss oder eine Präzisionsrakete? Warum sollte der Abschuss einer Hellfire-Rakete aus einem Apache-Kampfhubschrauber ethisch besser sein als von einer Drohne? Ist es ethisch besser, direkt unter Einsatz des eigenen Lebens einem Feind gegenüberzustehen, als sicher aus der Entfernung diesen abzuschießen? Dann müsste das Gleichgewicht des Schreckens durch jeweilige Auf- und Abrüstung eingeführt werden. Asymmetrische Kriege müssten also ethisch symmetrisch gemacht werden.