China soll Russland retten

Kreml-Berater schlägt Swap-Kredit-Geschäfte mit China über "kritischen Import" vor. Russen glauben, dass der Geschäftssinn westlicher Unternehmen größer ist als die Bereitschaft zum militärischen Konflikt. Ukraine stellt der Krim das Wasser ab

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Fragt man die Moskauer, was sie von den Sanktionen des Westens halten, so hört man immer wieder die Antwort: "So schlimm wird es schon nicht kommen." Gewinne zu machen, sei den westlichen Unternehmen wichtiger, als politische Streitigkeiten auszutragen. Besorgt gucken die Russen hinüber in die Ukraine, aber eine richtige Kriegsangst kommt nicht auf. Das russische Fernsehen berichtet zwar alle paar Stunden mit Live-Berichten aus den ostukrainischen Städten. Aber die russischen Medien behandeln den Konflikt in der Ukraine als Regionalkonflikt. Dass daraus mehr werden kann als beim Jugoslawien- oder Georgien-Krieg, halten die russischen Kommentatoren für unwahrscheinlich.

In der Bevölkerung gibt es ein Unwohlsein angesichts der Nachrichten aus der Ostukraine aber von Hysterie oder Kriegsangst ist nichts zu spüren. Dies hängt wohl auch mit dem Selbstbild Russlands zusammen. Mit der Krim habe man sich ja nur das zurückgeholt, was einem sowieso gehört, so die landläufige Meinung. Dass in westlichen Medien schon Vergleiche zum Kriegs-Beginn 1914 gezogen werden, verstehen die Russen einfach nicht.

Rettungsplan: Handel in Rubel und Yuan statt in Dollar

Was die russische Regierung im Fall von harten Wirtschaftssanktionen zu tun gedenkt, ist geheim. Die Regierung habe Krisenpläne, berichtete die Wirtschaftszeitung Vedomosti . Die Pläne würden aber geheim gehalten, damit die USA und die EU "nichts davon erfahren". Es gäbe Pläne für verschiedene Situationen, auch für den völligen Stillstand des Handels zwischen Russland und der EU, schreibt das Blatt.

Kreml-Chef Wladimir Putin und der für Rüstung zuständige Vize-Premier Dmitri Rogosin machten in den letzten Tagen Andeutungen, dass China Russland bei der Abmilderung von Sanktionen hilft. Bei seiner im Fernsehen ausgestrahlten Bürgersprechstunde Mittel April erklärte der russische Präsident, dass sich zwischen Russland und China "partnerschaftliche Beziehungen" entwickeln. Die russisch-chinesischen Beziehungen würden "ein wichtiger Faktor in der Weltpolitik", meinte der Kreml-Chef, der im Mai Shanghai und Peking besuchen wird. Dmitri Rogosin dankte China bei einem Treffen mit dem chinesischen Vizepremier Van Jan, für die Bereitschaft bei den Sanktionen des Westens gegen Russland "die Hauptlast zu tragen".

Der russische Ökonom Sergej Glasew, der seit 2012 zu den Wirtschaftsberatern des russischen Präsidenten gehört, für Wirtschaftsintegration Russlands mit seinen Nachbarstaaten zuständig ist und einer der stärksten Befürworter der Vereinigung der Krim mit Russland gewesen sein soll, hat vor kurzem einen aufsehenerregenden Plan vorgelegt, der China bei der Abmilderung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland eine Schlüsselrolle zuschreibt und die Bedeutung des Dollars vermindern soll. Der Plan hat folgende Eckpunkte:

  • Überführung der staatlichen Aktiva und Konten in Dollar und Euro aus den Nato-Mitgliedsländern in neutrale Staaten.
  • Verkauf der Wertpapiere, die Russland in den Nato-Mitgliedsländern angelegt hat, vor Verhängung der Sanktionen.
  • Swap-Kredit-Geschäfte mit China zur Finanzierung des "kritischen Imports" und Abrechnung in Rubel und Yuan. Zum "kritischen Import" gehören die Waren, Dienstleistungen und Rohstoffe über die ein Land nicht in ausreichendem Maß verfügt.
  • Schaffung eines neuen Kreditkarten-Systems "Euras-Wirtschaftsgemeinschaft".
  • Neue Verträge über den Export von Öl und Gas sollen nur noch in Rubel abgerechnet werden.
  • Als Antwort auf ein Handelsembargo sollen besonders wichtige Geschäfte über Unternehmen in Weißrussland und Kasachstan abgewickelt werden. Russland, Weißrussland und Kasachstan bilden seit 2011 eine Zollunion.

Das Handelsvolumen zwischen Russland und China ist noch stark ausbaufähig, meint man im Kreml. Zur Zeit liegt es bei bescheidenen 60 Milliarden Dollar, ist im letzten Jahr aber um 1,1 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Das Handelsvolumen zwischen Russland und Deutschland sackte 2013 um fünf Prozent ab, liegt aber mit 76 Milliarden Euro deutlich höher.

Die geplante enge Zusammenarbeit mit China bei der Abmilderung von Sanktionen, stößt bei den liberalen Zeitungen in Moskau auf Skepsis und Kritik. Die Nowaya Gazeta schreibt, Russlands Souveränität sei bedroht, weil China Russland mit seinen unbegrenzten Krediten "schlucken" könne. Der Plan von Kreml-Berater Glasew, Staatsgelder in neutralen Staaten anzulegen, sei unrealistisch, weil auch neutrale Länder sich irgendwann den Beschlüssen der Nato-Länder anschließen werden.

Ukraine stoppt Lieferungen für russische Rüstungsindustrie

Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine erfassen immer stärker auch den Wirtschaftsbereich. Wladimir Putin drohte in seiner Bürger-Sprechstunde Mitte April, die säumige Ukraine werde russisches Gas in einem Monat nur noch gegen Vorkasse bekommen.

Nun holte der ukrainische Vizepremier Vitali Jarema zum Gegenschlag aus, indem er ankündigte, die Lieferung von Militärtechnik für Russland aus ukrainischen Unternehmen werde eingestellt. Ausgenommen sei nur Technik, die auch im zivilen Bereich Anwendung findet.

Zahlreiche Betriebe in der Ost-Ukraine liefern Motoren und andere Einzelteile für die russische Rüstungsindustrie. Russland könne den Ausfall der Lieferungen aus der Ukraine durch Umrüstungen in der russischen Rüstungsindustrie in einem Zeitraum von eineinhalb bis zweieinhalb Jahren ausgleichen, meinte Wladimir Putin am Montag vor russischen Parlamentariern. Die dafür nötigen Finanzreserven seien vorhanden. Einige Projekte müssten wegen dem Ausbleiben der Einzelteile aus der Ukraine allerdings zeitlich geschoben werden, so der Kreml-Chef.

Putin lud ukrainische Experten aus der Rüstungsindustrie ein, nach Russland überzusiedeln. "Wenn es Interessenten gibt, werden wir ihnen helfen. Sie bekommen ein anständiges Gehalt und eine Wohnung", versprach der russische Präsident. Und er warnte die Ukraine vor einer Katastrophe: "Für die ukrainische Rüstungsindustrie würde ein Abbruch der Beziehungen mit den russischen Partnern sehr wahrscheinlich zu einer Katastrophe führen. Warum? Weil sie keinen anderen Absatzmarkt haben. Die russischen Streitkräfte sind der einzige Verbraucher."

Kiew kappt Wasserleitung zur Krim

Nicht nur Rüstungsgüter, auch Wasser will die Ukraine nicht mehr liefern. Die Wasserzufuhr für die Landwirtschaft im Nordteil der Krim auf ein Minimum gesenkt.

Das Wasser für den Nord-Teil der Krim kam bisher vom Dnjepr über den 1971 fertiggestellten, 400 Kilometer langen Nord-Krim-Kanal. Das sieben Meter tiefe, betonierte Kanalbett ist bereits seit Tagen ausgetrocknet und die Felder im flachen Nordteil der Krim knochentrocken.

Im flachen Nord-Teil der Krim wird schon seit vielen Jahren Reis angebaut. Die Ernte deckt einen großen Teil des Reisbedarfs in der Ukraine. Doch dieses Jahr rechnen die Bauern im Norden der Krim mit großen Verlusten. Die russische Regierung hat versprochen, die Verluste zu kompensieren. Im bergigen Süden der Krim gibt es keine Wassernot. Dort versorgen sich die Menschen mit Wasser aus den kristallklaren Bergflüssen.

Kiew verliert mit dem Wasserstopp die Möglichkeit, Geld zu verdienen und die leere Staatskasse zu füllen. Doch Russland wegen der Krim zu bestrafen, ist offenbar wichtiger.