Energiekonzerne abwickeln?

Die Energie- und Klimawochenschau: Von schüchternen Protesten, unsicheren Rückstellungen und einem Lichtblick in Fernost

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Bunt und vielfältig war er ja der Demonstrationszug, der da am Samstag über die Spree und am Kanzleramt vorbei zur Bundeszentrale der CDU marschierte. Aber es waren lediglich 12.000 Demonstranten am Wochenende in die Hauptstadt gekommen, um die Energiewende zu verteidigen.

Bilder von der Energiewende-Demo am 10.5. in Berlin von W. Pomrehn

Das wird vermutlich nicht reichen, um den nötigen politischen Druck zu erzeugen. Unter den Teilnehmern waren viele von den Branchenverbänden Organisierte. Auch die Umweltgruppen waren leidlich vertreten. Von den alten Initiativen der Anti-AKW-Bewegung war hingegen nicht so viel zu sehen, wie man vielleicht erwartet hätte. Namentlich aus dem Wendland scheinen nicht viele gekommen zu sein. Jedenfalls waren die Initiativen, die seit Beginn der 1980er gegen das Endlager im Gorlebener Salzstock kämpfen, nicht durch Fahnen oder Transparente sichtbar.

Die Industrie Gewerkschaft Metall, die viele Mitglieder in den Betrieben der Windkraftbranche hat, glänzte ebenfalls durch Abwesenheit. Dafür waren reichlich grüne Fahnen zu sehen. Die ehemalige Friedenspartei zeigte massiv Präsenz. Auch der ehemalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin, dessen Ressort seinerzeit das EEG erarbeitet hatte, marschierte mit. Der Stimmung der Teilnehmer, Durchschnittsalter vielleicht um die 40, tat das keinen Abbruch.

Am Donnerstag letzter Woche war die EEG-Novelle, wie berichtet, erstmalig im Bundestag debattiert worden. Die Bundesregierung will die Gesetzesänderungen noch vor der Sommerpause durchs Parlament bringen und von der Länderkammer absegnen lassen. Vorgesehen sind unter anderem Jahreshöchstmengen für den Ausbau von Sonne, Wind und Biogas, Belastung des Eigenverbrauchs, was vor allem für Kraftwärmekoppelung und größere Solaranlagen zum Problem würde, und die Benachteiligung von Genossenschaften und anderer kleiner Bürgerprojekte durch die Einführung einer Pflicht zur Ausschreibung.

Richtungsentscheidung

Entsprechend hagelte es auf der Abschlusskundgebung am Berliner Landwehrkanal vor dem Haus der CDU harsche Kritik. "Deutschland steht vor einer Richtungsentscheidung. Entweder reißen einige wenige Stromkonzerne den Ausbau der erneuerbaren Energien an sich oder er erfolgt verbrauchernah in den Händen hunderttausender Bürgerinnen und Bürger", meinte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die Bundesregierung würde außerdem die Steigerung der Energieeffizienz sträflich vernachlässigen.

Bundestag und Bundesrat müssten den Gesetzentwurf grundlegend überarbeiten, meinte Christoph Bautz vom Kampagnennetzwerk Campact. Und weiter: "Während Großunternehmen und Kohlekraftwerke mit Milliarden subventioniert werden, werden die Windkraft gedeckelt und der Ausbau der Solarenergie mit einer Sonnensteuer abgewürgt. Jetzt sind Abgeordnete und Ministerpräsidenten gefragt, diesen Unsinn zu stoppen."

Eine interessante Anregung für die Absenkung der EEG-Umlage brachte der Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, Jochen Stay, ins Spiel: "Würden die Atomkraftwerke schneller als geplant abgeschaltet, verringerten sich die riesigen Überkapazitäten im deutschen Strommarkt. Damit stabilisiert sich der Börsenpreis, und die EEG-Umlage sinkt." Die Bundesregierung plane allerdings das Gegenteil. Ab "2017 soll es für die alten maroden Reaktoren eine gigantische Steuerbefreiung geben, da ihr Betrieb sonst nicht mehr rentabel wäre. Das ist Energiewende paradox."

Zu den Vermissten des Samstags gehörte derweil auch die Linkspartei. Nur ein kleiner Wagen ganz am Schluss der Demonstration und eine halbe Handvoll Fahnen wurden von ihr gesichtet. Dafür musste sie sich beim zur gleichen Zeit nur wenige Kilometer vom Ort der Abschlusskundgebung stattfindenden Parteitag den Protest von Umweltgruppen gegen ihre Braunkohlepolitik in Brandenburg gefallen lassen. "100 Prozent unglaubwürdig" fand Greenpeace eine Partei, die in ihren Wahlprogrammen den Kohleausstieg fordert, aber in der Potsdamer Landesregierung den Aufschluss neuer Tagebaue unterstützt. "Brandenburgs Linke stehen kurz davor, Parteibeschlüsse zu verraten. Wenn die Linke weitere Tagebaue genehmigt, verliert sie jede Glaubwürdigkeit. Die Linken-Kabinettsmitglieder müssen gegen den Tagebau Welzow-Süd II stimmen", forderte Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer.

Konzerne wollen stiften gehen

Die Bundesregierung hat andere Sorgen. Union und SPD haben schon im Wahlkampf wenig Zweifel daran gelassen, dass ihnen vor allem die Interessen der Energiekonzerne im Allgemeinen und Kohlekraftwerke im Besonderen am Herzen liegen. Aber was E.on, EnBW und RWE gerade von ihr Verlangen, die Sozialisierung der AKW-Erblasten, geht dann doch ein wenig zu weit. Wo doch gerade mal wieder um die Wählergunst gebuhlt werden muss.

Daher wundert es nicht, dass das SPD-geführte Wirtschafts- und Energieministerium dementieren lässt. Da es gleichzeitig beim Ausbremsen der Energiewende per EEG-Novelle federführend ist, kommen die Nachrichten dann doch etwas unpassend. Erfahrung hat die SPD auf diesem Gebiet allerdings schon ein wenig. Bei der Vergesellschaftung der Bergbaufolgekosten, der sogenannten Ewigkeitskosten, waren Sozialdemokraten ganz vorne dabei.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, bleibt hingegen seinem Versprechen treu, "nicht grüner zu werden". Laut tagesschau.de zeigt er sich offen für Verhandlungen mit den Energiekonzernen. Man könne nicht warten, bis die Unternehmen pleite sind. Es könne sein, dass am Ende der Steuerzahler die Kosten übernehmen müsse.

Aber vielleicht hat er damit gar nicht einmal so unrecht. Der Abriss der alten Meiler und vor allem die sichere Verwahrung des Strahlenmülls wird eine weitere Ewigkeitsaufgabe werden. Die Unternehmen, die vom Betrieb der Anlagen und nicht zuletzt den damit verbundenen staatlichen Zuwendungen im zwei- bis dreistelligen Milliarden Bereich profitiert haben, werden hingegen nur eine begrenzte Lebensspanne haben.

Da wäre es schon sinnvoll, einen öffentlichen Fonds zu schaffen, der die Sache übernimmt. Voraussetzung müsste freilich eine ausreichende Ausstattung sein. Bisher müssen die Unternehmen 35 Milliarden Euro Rückstellungen für diesen Zweck vorhalten. Ob die ausreichen werden, ist fraglich, und inwieweit sie tatsächlich krisensicher verfügbar sind, noch mehr.

Es müsste also ein Mechanismus gefunden werden, die Unternehmen konkurssicher für die Folgekosten haftbar zu machen. Bisher liegen die Rückstellungen nämlich keinesfalls jeder Zeit abrufbar auf einem Konto bereit, sondern sind investiert, bilden also mehr oder weniger einen Teil des Konzernvermögens. Außerdem müsste ein entsprechender Ewigkeits-Fonds natürlich transparent und unter effektiver öffentlicher Kontrolle organisiert sein und dürfte nicht, wie hierzulande bisher üblich, zu einer Versorgungsanstalt für abgehalfterte Politiker verkommen.

Derlei Bedingungen sind natürlich unter den gegebenen Verhältnissen eher Wunschdenken, und so erscheint es viel wahrscheinlicher, dass die vorgeschlagene Stiftung nichts anders wäre als der Versuch der Verantwortlichen, sich mit ihrem Konzernvermögen elegant aus der Affäre zu stehlen.

Vielleicht wäre daher der einzig sinnvolle Ansatz, gleich die Konzerne selbst in die Stiftung einzubringen und diese dann schrittweise abzuwickeln? Das hätte sicherlich auch noch eine Reihe erfreulicher Nebenwirkung für Umwelt, Energiewende und regionale Wirtschaftskreisläufe, die vom Verschwinden der zentralistischen Monopole profitieren könnten. Unter anderem würde dann vielleicht keiner mehr auf die Idee kommen, Laufwasser-Kraftwerke abregeln zu wollen, damit auch bei viel Sonnenschein weiter Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken ins Netz gedrückt werden kann.

Solarboom in China

Aber zentralistische Strukturen in der Energiewirtschaft machen natürlich nicht nur Deutschland zu schaffen. China zum Beispiel erlebt zwar inzwischen einen veritablen Solar-Boom, aber die Mehrheit der Anlagen wird nicht auf Hausdächer installiert, sondern in großen Solarfarmen. Noch, muss man sagen, denn die Regierung will mehr dezentralen Zubau sehen. Doch dafür muss erst mal die notwendige Infrastruktur von entsprechend ausgebildeten Handwerksbetrieben und ähnlichem geschaffen werden.

Immerhin nimmt der Ausbau mächtig Fahrt auf. Mit rund 12 Gigawatt neuer Solarleistung wurde die Volksrepublik 2013 zum mit Abstand größten Markt für Fotovoltaikanlagen. Bis dahin hatte Deutschland den Zubaurekord gehalten. 2012 waren hierzulande Anlagen mit einer Leistung von 7,63 Gigawatt installiert, doch inzwischen sind die Neubauzahlen drastisch zurückgegangen. Den großen Energiekonzernen und ihrer Bundesregierung geht die Entwicklung viel zu schnell, weshalb die Bedingungen für den Neubau drastisch verschlechtert wurden.

Beim neuen Rekordhalter China sieht es hingegen ganz anders aus. Dort scheint der Solarboom auf Dauer ausgelegt zu sein, wie das Magazin Forbes berichtet. Offensichtlich hat das Land der Mitte genau den richtigen Zeitpunkt abgepasst. Die Solarmodule sind inzwischen so günstig, dass die nach deutschem Vorbild für 20 Jahre garantierten Einspeisevergütungen recht moderat ausfallen. Für Strom aus großen Anlagen gibt es je nach solarer Einstrahlung in der jeweiligen Region 10,17 bis 11,63 Cent pro Kilowattstunde. Für kleinere, dezentrale Anlagen sind es hingegen nur 7,27 bis 8,72 Cent pro Kilowattstunde.

Die geringere Vergütung für Kleinanlagen erweckt den Eindruck, diese lägen der Regierung weniger am Herzen, doch das täuscht. Nach offizieller Planung sollen 2014 allein acht Gigawatt an dezentralen Kleinanlagen hinzu kommen. Die Forbes-Autoren sind sich allerdings nicht sicher, ob das Ziel erreichbar ist. Die für einen dezentralen Ausbau notwendige Infrastruktur sei noch unterentwickelt. Im Segment der Großanlagen sehen sie hingegen ein stärkeres Wachstum.

So oder so, das Land der Mitte ist inzwischen nicht nur der größte Hersteller - die Jahreskapazitäten liegen bei rund 40 Gigawatt - es entwickelt sich auch zum Turbomotor des Zubaus und wird damit die Anlagenpreise weiter drücken. Für die globale Energiewende sind das sicherlich gute Nachrichten.