"Stopp der Undercover-Impfprogramme"

Die Zahl der Polio-Fälle in Pakistan sorgt für Beunruhigung; die CIA verkündet nun, dass man nicht mehr auf Schutzimpfungskampagnen zu Spionagezwecken zurückgreifen wolle

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Das Impfschutzprogramm gegen Hepatitis B, das Doktor Shakil Afridi im März 2011 für Bewohner im pakistanischen Abottabad startete, wurde nie zuende geführt. Die dazu nötige zweite Impfung vier Wochen nach der Erstimpfung blieb aus; Shakil Afridi war plötzlich abgereist. Wie sich später herausstellte, arbeitete Afridi im Auftrag der CIA. Ziel des Projekts war nicht die Gesundheitsvorsorge der Bewohner Abottabads, sondern die Suche nach Osmama Bin Laden. Die CIA hatte Hinweise darauf, dass sich Bin Laden in dem pakistanischen Ort aufhielt. Um sicher zu gehen, wollte man mithilfe der Impfung an die DNA des al-Qaida-Chefs gelangen.

Wie dies konkret mit einer Impfung zu bewerkstelligen gewesen wäre, gehört zu den Ungereimtheiten, die ein Guardian-Bericht im Juli 2011 aufzeigt (vgl. Irregularitäten in Abbottabad). Unsicher ist, ob die Aktion tatsächlich notwendig war, um Osama Bin Laden aufzufinden.

Wie sich danach herausstellte, führte der Geheimdienst-Trick zu Kollateralschäden. Schon zuvor war das Misstrauen gegen Impfprogramme besonders in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan groß. Mit Bekannwerden des CIA-Plots nahm es zu; es gab Nachrichten von getöteten NGO-Mitarbeitern bzw. Mitarbeitern von Vorsorgeprogrammen, die Polio-Impfungen verteilten. Das Misstrauen äußerte sich auch generell gegen die Arbeit von NGOs.

Obwohl die Organisation Save the Children betonte, dass sie entgegen der Aussage von Afridi nicht mit der CIA zusammengearbeitet habe, war auch sie Ziel von Drohungen. Sie musste ihre Büros in Pakistan schließen.

Den stärksten "Nebeneffekt" des CIA-Plans sehen Gesundheitsexperten allerdings in den Polio-Fällen in Pakistan. Weltweit gibt es 77 neue Fälle von Polio, wurde kürzlich offiziell festgestellt , 61 davon alleine in Pakistan. Das "pakistanische Virus" verbreite sich von dort aus in andere Länder. Es sei in Israel, Syrien, im Iraq und in der Westbank nachgewiesen worden, ist einer WHO-Pressekonferenz vom 5. Mai zu entnehmen.

Zwar spielen in die Abelhnung gegen Polio-Impfungen an vielen Orten der pakistanischen Stammesgebiete im Nordwesten Pakistan auch andere Gründe hinein. Aus der Sicht pakistanischer Regierungspolitiker hat das Fakeprogramm der CIA jedoch maßgeblich dazu beigetragen, Polio-Impfprogramme negativ zu sehen und darin eine politische Agenda zu vermuten. Kolportiert wird etwa, dass die USA Muslime mittels Impfaktionen sterilisieren wollen.

Auch US-amerikanische Gesundheitsexperten kritisierten in einem Brief an Obama den Missbrauch von Impfprogrammen zu Spionage-Zwecken.

Ein Jahr später reagiert das Weiße Haus: Über die "Top-Anti-Terror und Homeland-Security-Beraterin" des Präsidenten, Lisa Monaca, ließ es nun den Stopp solcher Spionagetechniken erklären. Die CIA werde bei ihren Operationen künftig nicht mehr Impfprogramme als Cover benutzen, um an DNA oder anderes genetisches Material zu kommen.

Diese politische Maßgabe für die CIA gilt weltweit und auch für Personen, die keine US-Staatsbürger sind.

Für die pakistanischen Stammesgebiete werden sich die Mitarbeiter von Impfprogrammen wahrscheinlich mehr einfallen lassen müssen, um überzeugend zu wirken, als diese Botschaft aus dem Weißen Haus zu übermitteln.