Industrie 4.0

Rechtliche Perspektiven der Smart Factory

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Die immer weiter fortschreitende Technologisierung der Welt bringt nicht nur technische Herausforderungen mit sich. Auch alle mit ihr in Berührung kommenden Bereiche und Disziplinen müssen sich den veränderten Gegebenheiten anpassen.

Die Veränderungen durch den Einsatz von robotischen Systemen im industriellen Kontext, die Vernetzung von Werkstoff und Maschine und die Vernetzung von Wertschöpfungsketten stellen die Jurisprudenz vor Problemstellungen, die nicht unbeantwortet gelassen werden sollten. Ziel des vorliegenden Beitrages soll sein, mögliche juristische Fallstricke, die sich aus dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 ergeben können, aufzuzeigen und Ansätze zur Lösung für diese Problemstellungen zu finden. Ein vollumfänglicher Lösungsvorschlag kann aber nicht geleistet werden, da die Reichweite des Begriffes Industrie 4.0 nicht abzuschätzen ist und noch Potentiale enthält, die derzeit noch nicht abzusehen sind.1

Die Vision der vierten industriellen Revolution

Das Zukunftsbild Industrie 4.0 zeigt eine mögliche Weiterentwicklung der industriellen Produktion in den nächsten Jahrzehnten. Industrie 4.0 umschreibt die Vision eines intelligenten Netzwerkes aus Mensch, Maschine und Produktionsmittel. Kennzeichnend für die vierte industrielle Revolution ist die Vernetzung jeglicher am Fertigungsprozess beteiligter Komponenten. Bauteile kommunizieren mit ihren jeweiligen Produktionsstätten, Maschinen und gesamte Produktionsanlagen modellieren sich selbständig, um die Bearbeitung des einzelnen Werkstückes zu optimieren.

Aus der automatisierten Massenproduktion entwickelt sich nun die Möglichkeit, Produkte hoch individualisiert und "just in time" herzustellen. Nun können nicht mehr nur einzelne Erzeugnisse oder Muster in bestimmten Produktionsstraßen gebaut werden, sondern durch die dynamische Veränderung der Produktionsumgebung können innerhalb weniger Sekunden an allen Produktionsstationen jegliche Produkte individuell an den Kundenwunsch angepasst werden. Es wird also nicht nur das Werkstück einer permanenten Veränderung bis hin zum Endprodukt unterworfen, sondern sämtliche Fertigungsstationen verändern sich mit, sodass die smart factory eine dynamische Fertigungsumgebung für eine unbestimmbare Vielzahl von Konfigurationen des Endproduktes darstellt.2

Damit einhergehend zeigt sich ein grundsätzlicher Paradigmenwandel von einer zentralen Fertigungssteuerung, bei der die Arbeitsschritte in zeitlicher und räumlicher Dimension zentral gesteuert werden, hin zu einer dezentral organisierten Prozessstruktur, in der die einzelnen Werkstücke ihre Fertigungsumgebung steuern und ihre eigene Arbeitsumgebung schaffen. Des Weiteren steigert eine dezentrale, schwarmartig organisierte Produktion die Effizienz einer Fabrik, die sparende Nutzung der vorhandenen Ressourcen und bietet die Möglichkeit Individualisierungen schneller in ein Produkt einzupflegen. Die reale Welt wird mit der digitalen Welt vernetzt und es entsteht das Internet der Dinge. Erst dieser Prozess ermöglicht die smart factory und somit die "Industrie 4.0".

Herausforderungen stellen sich nicht nur auf der technologischen Seite, um die Vision "Industrie 4.0" zur Realität werden zu lassen. Vielmehr ist ein grundlegender Wandel der Wirtschaftsstrukturen und ihrer Organisation zu erwarten. Als Folge der Neuordnung der Wertschöpfungsketten in vertikaler wie auch horizontaler Ebene werden die ursprünglich klar definierten Branchengrenzen verschwimmen, branchenübergreifende Handlungsfelder entstehen und sich Unternehmensprofile wandeln. Wirtschaftsunternehmen werden zunehmend neben ihren originären Betätigungsfeldern eine Vielzahl an weiteren (Dienst-) Leistungen anbieten und erbringen (müssen), um sich im gewandelten industriellen System behaupten zu können.