Irak: Werden die USA militärisch eingreifen?

Mit dem zerfallenden Irak zerfällt auch die Politik von US-Präsident Obama, der nun zur Stützung der Maliki-Regierung auch eine militärische Intervention erwägt

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Für die Kämpfe im Irak zwischen Schiiten, Kurden und Sunniten werden die USA zu Recht verantwortlich gemacht. Nicht nur das trotz hochgerüsteter Geheimdienste ziemlich einfältige Vorgehen nach dem durch Lügen begründeten, völkerrechtswidrigen Einmarsch in den Irak, sondern auch fadenscheinige Einführung der Demokratie und die Duldung der rechtswidrigen Machtübernahme der Maliki-Regierung nach den Wahlen, haben den Widerstand der Sunniten geschürt, der die radikalen Islamisten von ISIL begünstigt hat. Dazu kam, dass US-Präsident Obama es eilig hatte, aus dem Irak abzuziehen - egal, was passiert.

Nun steht das Land in Flammen und vor der lange beschworenen Gefahr auseinanderzubrechen, schließlich haben auch die Kurden die Gelegenheit genutzt, Kirkuk zu besetzen und damit Fakten für ein Kurdistan zu schaffen, was wiederum Folgen für Syrien und die Türkei haben wird. Allerdings sind die Fakten unklar. Die irakische Zentralregierung behauptet, Teile von Tikrit unter ihre Kontrolle gebracht zu haben.

Die große Frage ist, was das Weiße Haus nun machen wird, zumal ähnliche Entwicklungen wie im Irak auch in Afghanistan abzusehen sind, wenn die Isaf-Truppen abgezogen sind. Zwar will Obama im Kontext des Antiterror-Kriegs fast 10.000 Soldaten in Afghanistan 2015 belassen, ab Ende 2016 soll aber nur noch eine kleine militärische Präsenz an der US-Botschaft in Kabul stationiert sein. Wird man in Washington dem Zerfall zuschauen oder eingreifen? Obama wollte stets mit seiner Politik vermeiden, wieder Truppen in Kriegsgebiete zu schicken, die keinen guten Ausgang erwarten lassen.

Sich hinter die Maliki-Regierung und die Schiiten zu stellen, würde riskieren, die sunnitischen Aufständischen und Islamisten weiter zu stärken und die Kurden zu brüskieren. Allerdings scheint sich auch der Iran bereits in die militärische Auseinandersetzungen eingemischt und Soldaten der Revolutionsgarden zur Unterstützung der schiitischen Regierung nach Tikrit und Bagdad geschickt zu haben.

Erwartbar hat Jay Carney, der Sprecher des Weißen Hauses, ausgeschlossen, dass die USA Bodentruppen zur Stützung der Maliki-Regierung in den Irak schicken wird. In einer Erklärung beschwor er die Unterstützung der politischen Kräfte, die die Einheit des Irak bewahren wollen, ISIL würde nur "Tod und Zerstörung" bringen. Man wolle aber der Regierung helfen, gegen die Islamisten vorzugehen. In einem Brief an den Kongress vom 12. Juni werden die Auslandsaktivitäten des weiter geführten Kampfs gegen den Terrorismus dargelegt, die Rede ist von Afghanistan, Somalia, Jemen, dem Tschad oder Niger, aber der Irak wird nicht einmal erwähnt. So schnell können Ereignisse politische Planungen umstürzen. Abzusehen ist auch, dass nun auch die Haltung gegenüber dem Krieg in Syrien sich verändert, was möglicherweise zu einer Annäherung an Russland führen könnte. Der russische Außenminister Lawrow hat bereits verlautbart, dass das "irakische Abenteuer" total gescheitert und der Irak außer Kontrolle geraten sei.

Präsident Obama verhält sich erst einmal verdeckt, man könnte auch sagen: ratlos. Dank der militärischen Abenteuer seines Vorgängers scheint nun der Nahe Osten nicht der Demokratisierung entgegen zu gehen, sondern zu einem Konglomerat von failed states zu werden. Die Konfliktzone ist mit der Türkei an den Grenzen der Nato angekommen, mit dem von Washington forcierten Konflikt mit Russland über die Ukraine ist ein weiterer Brandherd entstanden, dazu kommt der schwelende Konflikt in Asien zwischen China und Japan, Vietnam und Philippinen - und der Nahost-Konflikt bleibt unverändert bestehen. Keine gute Bilanz für einen Friedensnobelpreisträger.

Obama also erklärte, dass er keine Optionen ausschließe, um zu verhindern, dass die Islamisten sich permanent im Irak oder in Syrien einrichten. Man müsse kurzfristig etwas militärisch machen. Was, sagte er allerdings nicht, forderte aber Maliki auf, auf die Sunniten zuzugehen. Vizepräsident Biden erklärte in einem Gespräch mit al-Maliki die volle Solidarität mit der irakischen Regierung. Die Nato zieht allerdings dieses Mal noch nicht mit, Generalsekretär Rasmussen sagte, er sehe keine Rolle der Nato im Irak. Die USA müssen also selbst schauen, wie sie mit dem Schlamassel klar kommen. Sollte allerdings die Türkei wegen der türkischen Geiseln intervenieren, könnte sich dies schnell ändern.

Nach irakischen Medien wurden US-Drohnen zwar weiterhin eingesetzt, um Aktivitäten der Islamisten im Irak zu überwachen, aber der Vormarsch von ISIL sei überraschend gekommen. Der von Maliki gewünschte Einsatz von Kampfdrohnen und -flugzeugen wurde bislang ausgeschlossen, aber nun beginnt man zu überlegen, wie das US-Militär die irakische Regierung unterstützen könnte. Angeblich werde der Einsatz von Kampfflugzeugen und -drohnen erwogen.

ISIL ruft derweil zum Marsch auf Bagdad auf und will auch Karbala einnehmen. Offensichtlich haben die Islamisten weitere Städte in der sunnitischen Region erobern können, weil sich das irakische Militär zurückgezogen hat. Fraglich allerdings ist, ob die Islamisten das eroberte Territorium länger kontrollieren können, allerdings haben sie sich in Falludscha bereits seit Januar festgesetzt. ISIL ist berüchtigt für das brutale Vorgehen. Gegner werden schnell exekutiert oder enthauptet. Man handelt ja im göttlichen Auftrag und will einen islamischen Staat einrichten. Selbst al-Qaida geht ISIL zu weit.