Corporate Deals für Entwicklungshilfe?

Proteste in El Salvador - Unmut in Deutschland

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Landwirte in El Salvador protestieren gegen die Blockade von Entwicklungshilfe-Geldern aus den USA. Diese sollen Medienberichten zufolge erst ausgezahlt werden, wenn auch die Abnahme von gentechnisch verändertem Saatgut gewährleistet wird. "Wachsende" Einflussnahme von Agro-Chemie-Konzernen auf die Entwicklungshilfe-Politik wird indes auch in Deutschland kritisiert. NGOs fordern in einer neuen Kampagne die Bundesregierung auf, "keine Entwicklungshilfe für Agrokonzerne" zu leisten. Diese sieht allerdings das Subsidiaritätsprinzip gewahrt.

Mehr als drei Jahre hätten Kooperativen mit Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums von El Salvador daran gearbeitet, hochwertiges Saatgut für Mais und Bohnen zu entwickeln und schließlich zu zertifizieren. Diese Arbeit wolle man jetzt nicht durch gentechnisch modifiziertes Saatgut gefährden. Das betonten Vertreter des Bauernverbandes CONFRAS im Zuge einer Demonstration vor der US-Botschaft in San Salvador.

Im kleinsten zentralamerikanischen Land (flächenmäßig etwa so groß wie Hessen) haben sich rund sechstausend Landwirte in diesem Verband organisiert und versuchen eine nachhaltige und weitgehend biologisch-organische Produktion aufzubauen. Unterstützt wird CONFRAS unter anderem von der in Kalifornien ansässigen NGO "SHARE El Salvador", die lokale Grassroot-Projekte fördert. Dabei wird besonders auf Leitwerte wie Frauenförderung, Bürgerbeteiligung und Nachhaltigkeit geachtet.

Die UNO hatte dem krisengebeutelten, von Armut und Gewalt geprägtem Land in einem umfassenden Bericht (2010) empfohlen, mit den bisherigen Wirtschaftsmodellen zu brechen und nicht mehr den Faktor der "billigen Arbeitskraft" als dominierenden Wettbewerbsvorteil in den Fokus der wirtschaftspolitischen Ausrichtung zu stellen. Der Aufbau überlebensfähiger kleinbäuerlicher Strukturen, der auch vielen Frauen eine wirtschaftliche Basis sichern würde, könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Verbot von Agro-Chemikalien nach Häufung schwerer Nierenerkrankungen

Noch ist das Land allerdings von Entwicklungshilfe-Geldern abhängig, um eine funktionierende Infrastruktur ebenso wie stabile soziale und demokratische Strukturen aufzubauen. Für die Landwirtschaft kommen auch Gelder aus dem 2004 gegründeten Entwicklungshilfefonds Millenium Challenge Account.

Für El Salvador wären laut Medienberichten insgesamt 277 Millionen Dollar vorgesehen. Doch eine zweite Tranche aus diesem Topf wurde eingefroren. Kritiker aus dem Umweltbereich vermuten, dass dies in Zusammenhang mit dem Verbot des Verkaufs von Glyphosat (ein wesentlicher Bestandteil des Total-Herbizids Roundup von Monsanto sowie zahlreicher anderer Agro-Chemikalien) in El Salvador stehen könnte. Das Land hatte das auch in Europa umstrittene Mittel im September 2013 verboten. Neben Glyphosat wurden zweiundfünfzig weitere Chemikalien aus dem Verkauf genommen. Das Umweltportal sustainablepulse.org berichtet, dass dies eine Reaktion auf das gehäufte Auftreten von schweren Nierenerkrankungen unter Landarbeitern gewesen sei.

Keine Hilfe ohne Gentechnik?

Eine Zulassung von Glyphosat als Bestandteil von Roundup ist wiederum für die Aussaat diverser GV-Pflanzen wichtig, zumal der Erfolg des Systems auf dem Einsatz von Agrochemikalien basiert.

Laut Bauernverbänden wie CONFRAS würde die US-Botschafterin seit Monaten Druck auf die Regierung von El Salvador ausüben, um die Abnahme von GV-Saatgut zu "erzwingen". Der russische Sender RT zitiert einen Vertreter der Umweltschutzorganisation "El Salvadoran Center for Appropriate Technologies" (CESTA), der davon spricht, dass die Auszahlung weiterer Entwicklungshilfe-Gelder an den "Kauf" von gentechnisch verändertem Saatgut gekoppelt würde. Offiziell heißt es von Seiten der USA lediglich, dass die Tranche erst ausgezahlt würde, wenn "spezifische" ökonomische und umweltpolitische Reformen umgesetzt werden.

Die Koppelung von Hilfslieferungen und -geldern mit "Agrobusiness-freundlichen" Auflagen wurde bereits in anderen Ländern von NGOs kritisiert. Insbesondere das Angebot von gentechnisch veränderten Produkten wie GV-Mais als Nahrungsmittelhilfe sorgte immer wieder für Diskussionen. So lehnten Mosambik, Zimbabwe und Sambia im Jahr 2002 Lieferungen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) von gentechnisch verändertem Mais ab. Es wurde befürchtet, dass die Ware nicht nur gegessen, sondern auch ausgesät werden würde. Im Irak wurden unter dem Zivilverwalter Paul Bremer umstrittene Patentregeln erlassen, die Gentech-Saatgut zu Lasten der traditionellen Landwirtschaft befördern würde, kritisierten 2004 namhafte NGOs.

Entwicklungshilfe und Agro-Industrie

Dass Entwicklungshilfe zugunsten der in den Geberländern etablierten Agro-Industrie ausgestaltet wird, stößt zusehends auf Widerstand. Die 2012 gegründete "Neue Allianz für Ernährungssicherung" scheint das "Agro-Business" trotz aller negativen Effekte, die man von der "Grünen Revolution" bereits kennt, weiter voranzutreiben (Die neue Allianz für Ernährungssicherung - das lukrative Geschäft mit dem Essen der Ärmsten). Insbesondere die Verbreitung von Saatgut, auf das Lizenzgebühr erhoben werden kann (sic! gentechnische Varianten), scheint dabei ein strategisches Ziel zu sein. So zitiert die taz 2012 aus einem Strategiepapier für Mosambik. Danach soll die "Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch beendet" werden.

Doch nicht nur die "Allianz für Ernährungssicherheit" wird von NGOs mit großer Skepsis gesehen. Auch das deutsche Projekt "German Food Partnership" (GFP) steht wegen der Verflechtung zur Industrie in Kritik. Agrochemie-Konzerne wie Bayer, BASF und Syngenta zahlen dabei mit. Ein Teil der Fördersummen wird aus öffentlichen Geldern bestritten. Gentechnik dürfte bei GFP allerdings keine Rolle spielen. "Gentechnisch verändertes Saatgut wird weder beworben, noch angewandt", antwortete das Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag.

"Kein entwicklungspolitischer Mehrwert"

Das "Forum Umwelt und Entwicklung" sieht indes keinen "entwicklungspolitischen Mehrwert" des GFP und hat ein entsprechendes Positionspapier veröffentlicht. Nach Prüfung der bisher bekannt gewordenen Details heißt es zusammenfassend:

Aus Sicht des Forums Umwelt und Entwicklung besteht viel eher die Gefahr, dass Kleinbauern und -bäuerinnen zu Anhängseln der Geschäfts- und Agrarmodellen des Agribusiness werden. Alternative, von Kleinbauern und -bäuerinnen selbst vorgeschlagene Strategien für Investitionen in die Landwirtschaft und zur Hunger- und Armutsbekämpfung werden von der GFP ignoriert und weiter marginalisiert. Zugleich wird über die Initiative ein "neues" Entwicklungsmodell etabliert, das einerseits die Rolle der Privatwirtschaft überbetont und sich andererseits von dem Anspruch verabschiedet die Ärmsten der Armen zu erreichen. Denn die vom Agrobusiness angebotenen Lösungsansätze, richten sich nur an eine kleine Gruppe relativ besser gestellter kleinbäuerlicher Betriebe.

Die Bundesregierung hingegen sieht das Subsidiaritätsprinzip gewahrt. Ein öffentlicher Beitrag werde nur geleistet, wenn "der private Partner das GFP-Projekt ohne den öffentlichen Partner nicht durchführen würde, das GFP-Projekt nicht gesetzlich erforderlich ist und durch das GFP-Projekt ein angemessener volkswirtschaftlicher, entwicklungspolitischer Nutzen für das Entwicklungsland entsteht, der über den betriebswirtschaftlichen Nutzen des privaten Partners hinausgeht", heißt es in einer Presseaussendung.

Viele Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen bleiben skeptisch. Gerade Jahrzehnte in den Entwicklungs- und Schwellenländern engagierte NGOs haben vor Ort den Niedergang kleinbäuerlicher Strukturen durch die Industrialisierung der Landwirtschaft miterlebt. In diesen Ländern brach die Basisversorgung der eigenen Bevölkerung häufig zusammen, während Plantagenerträge exportiert wurden. Das "Forum für Umwelt und Entwicklung" hat inzwischen zur Unterstützung einer Kampagne aufgerufen, welche die Bundesregierung auffordert Programme wie GFP zu unterbinden. Unter dem Titel "Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne!" wird der Ausstieg aus Kooperationen mit Agro-Konzernen ebenso wie mehr Transparenz bei der Mittelvergabe und die Ausrichtung der Entwicklungshilfe an Kriterien echter Nachhaltigkeit gefordert. Die Petition kann online unterzeichnet werden. In einem Begleittext der Initiatoren heißt es:

"Die Bundesregierung und das Entwicklungsministerium (BMZ) unterstützen verstärkt Agrarkonzerne wie Bayer, BASF und Monsanto im Rahmen von Kooperationen wie der "German Food Partnership" und der "Neuen Allianz für Ernährungssicherung" in Afrika. Diese schmücken sich mit dem Etikett der Armutsbekämpfung, dienen aber vor allem den Profitinteressen der Konzerne. Die Unternehmen erschließen sich zum Beispiel neue Pestizidmärkte oder sichern sich über die "Neue Allianz" Land- und Saatgutrechte. Das geht vor allem zu Lasten der Mehrheit der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die ins Abseits gedrängt werden. Aber auch die Umwelt leidet, denn die industriellen Monokulturen der Konzerne schädigen die Böden und bedrohen die biologische Vielfalt."