Quantencomputer: Wenn Microsoft Geld gibt, muss doch die Zukunft nahe sein?

Ionenfalle, verwendet in einem Quantencomputer; Foto: Mnolf; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Warum topologische Quantencomputer keine Fehler machen - und wie weit der Weg dorthin noch ist

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Wird Microsofts nächstes Windows schon auf Quantencomputern laufen? Man könnte es vermuten, denn die New York Times hat entdeckt, dass Microsoft Forschung am so genannten topologischen Quantencomputer fördert. Microsofts Research Station Q arbeitet seit neun Jahren an dem Konzept, das erst seit 1997 überhaupt existiert. Dass Großunternehmen wie IBM, aber die weltweite Forschergemeinde schon länger auf anderen Prinzipien basierende Quantenrechner konstruieren, ohne dem praktischen Einsatz wirklich näher zu kommen, spielt da keine Rolle mehr: Wenn Microsoft Geld gibt, muss doch die Zukunft nahe sein?

Tatsächlich ist bis zur erfolgreichen Konstruktion eines topologischen Quantenrechners der Weg noch weit. Er beginnt natürlich bei der Mathematik, speziell in deren Teilgebiet Topologie. Sie erforscht, welche Eigenschaften mathematischer Strukturen auch dann noch erhalten bleiben, wenn man die Strukturen selbst einer stetigen Veränderung unterwirft. Die Anforderungen an die "Stetigkeit" sind in diesem Zusammenhang weitaus komplexer als in der Alltagssprache.

Eine Kartoffel etwa lässt sich durch keine stetige Abbildung in einen Donut verwandeln

Aus der Schulmathematik kennen wir stetige Funktionen - man erkennt sie in einem zweidimensionalen Koordinatensystem anschaulich daran, dass sie keine Sprünge aufweisen. In der Topologie beißt sich die Katze in den Schwanz: Hier sind solche Abbildungen stetig, die die Struktur in topologischem Sinn erhalten. Eine Kartoffel etwa lässt sich durch keine stetige Abbildung in einen Donut verwandeln - bei einer Henkeltasse gelänge das jedoch. Der Kartoffel fehlt das Loch, das Donut und Tasse besitzen. Solange nur topologische Umformungen erfolgen, bleibt die Information "Loch" oder "Kein Loch" also auf jeden Fall erhalten.

Dass Informationen erhalten bleiben, wird dann besonders wichtig, wenn diese dauernd Gefahr laufen, verloren zu gehen - wie es aufgrund seiner fragilen Natur im Quantencomputer dauernd der Fall ist. Wäre es also nicht toll, dort nun die Topologie ins Spiel bringen zu können? Im dreidimensionalen Raum ist das leider nicht so einfach. Es gibt einfach zu viele mögliche Transformationen, die auf die Anfangssituation einwirken können - und dabei alle nicht-topologischen Veränderungen auszuschließen ist kaum möglich.

Anyonen und ihre Zöpfe

Die Lösung liegt vielmehr in der Beschränkung auf zwei Dimensionen. Hier findet sich ein spannender Effekt: Lässt man zwei nicht unterscheidbare Teilchen die Plätze tauschen, und tauscht sie dann wieder zurück, lässt sich der dabei zurückgelegte Weg nicht wie im (3+1)-Raum in sich selbst abbilden - stattdessen entsteht im Zeitablauf ein mit jedem Tausch komplizierteres Geflecht.

Mathematisch lässt sich zeigen, dass sich die kombinierte Wellenfunktion beider Teilchen um Faktor ändert, der jeden Wert annehmen kann. Deshalb nennt man diese Teilchen "Any"onen (die nicht mit den Anionen der Chemie zu verwechseln sind). Die Geflechte, das sich aus der Bewegung der Teilchen im 2+1-dimensionalen Raum (Fläche plus Zeit) aufzeichnen lassen, nennen die Forscher Braids, also Zöpfe.

Anyonen und ihre Braids haben die gesuchte Eigenschaft: Die Veränderungen ihrer Zustände werden durch stetige Abbildungen beschrieben. Gelingt es also, im System eine Information zu kodieren, bleibt diese erhalten. Natürlich ist alles, was folgt, nur sinnvoll, wenn auch Quanten-Berechnungen mit Anyonen möglich sind.

Diese Idee hatte erstmals 1997 der russische Physiker Alexej Kitajew. 2002 gelang dann der mathematische Nachweis, dass ein topologischer Quantencomputer all die Berechnungen ausführen kann, zu denen auf anderen Prinzipien beruhende Quantenrechner fähig sind.

Allerdings gibt es Unterschiede darin, für welche Algorithmen topologische und herkömmliche Quantencomputer besser geeignet sind. Ein "normaler" Quantenrechner wird demnach (funktionierende Fehlerkorrektur vorausgesetzt) stets absolut richtige Ergebnisse liefern. Sein topologischer Kollege hingegen nähert sich dem Ergebnis mit der Anzahl der zur Rechnung verwendeten Braids beliebig weit.

Auf der Suche nach dem physikalischen Trägersystem

So weit, so schön: Jetzt müssen die Forscher nur noch ein physikalisches Trägersystem für das mathematische Modell finden. "Richtige" Teilchen kommen dazu nicht in Frage, die lassen sich ihrer räumlichen Eigenschaften nicht berauben. Aber Quasiteilchen, Anregungszustände also, gibt es auch mit zweidimensionaler Natur. Haben die Forscher hier ihre Anyonen gefunden? Tatsächlich gibt es einige vielversprechende Kandidaten.

Da wäre zum Beispiel der Quanten-Spin-Hall-Effekt, der die Existenz eines so genannten topologischen Isolators bewirkt. Dabei handelt es sich um ein Material, das eigentlich nicht leitet, an dessen Oberfläche aber trotzdem Ströme fließen können. Dabei handelt es sich um Spin-Ströme: Es wird also keine Ladung transportiert - wodurch die Ströme ewig fließen können. Zudem sind sie von außen nur schwer zu beeinflussen. Theoretisch könnte auch der Stoff BaBiO3 derartige Eigenschaften aufweisen, wie deutsche Forscher ermittelten.

Ein anderer interessanter Kandidat ist der fraktionale Quanten-Hall-Effekt. Er beschreibt eine zweidimensionale Wolke von Elektronen in Anwesenheit eines starken Magnetfelds. Dabei verhält sich das System, als bestünde es aus Quasiteilchen mit einem Drittel der Elektronenladung. Ein dritter Kandidat wären speziell komponierte Supraleiter, an deren Grenzflächen sich ebenfalls zweidimensionale Quasiteilchen nachweisen lassen.

Eine kleiner unterschlagener Fakt

Allerdings gibt es trotz so aussichtsreicher Kandidaten noch keine Entwarnung: Es ist nämlich nicht klar, ob diese den Anforderungen genügen. Zur Erklärung der Anyonen ist leider noch der oben unterschlagene Fakt hinzuzufügen, dass all dies nur für so genannte nicht-abelsche Anyonen gilt.

Dass es Anyonen gibt, ist den Physikern also klar - nur nicht, ob auch nicht-abelsche Vertreter darunter sind. Könnten sie diese Frage beantworten, wäre damit auch noch eine weitere spannende Frage beantwortet: Gibt es Majorana-Fermionen, also (in diesem Fall Quasi-)Teilchen mit halbzahligem Spin, die identisch mit ihrem Antiteilchen sind? Eben diese wären die genannten nicht-abelschen Anyonen.

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