Tony Blair: "Keine kommerziellen Interessen in Ägypten"?

Sein Büro dementiert, dass der frühere britische Premier nun als Wirtschaftsberater der Militärregierung fungiert; das Dementi ist lachhaft

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Nominell ist Ägypten eine Republik und keine Militärdiktatur. Nominell ist Tony Blair, wie auf der Websseite seines Büros erklärt wird, kein Wirtschaftsberater des ägyptischen Präsidenten. Die Story sei Unsinn. Was Tony Blair mache, habe nichts mit "business opportunities" zu tun: "Was wahr ist und was wir kategorisch klargemacht haben, ist, dass es keine kommerziellen Interessen in Ägypten gibt und absolut keine Absicht, Geld von Ägypten zu bekommen."

De facto hat das Militär in Ägypten nach dem Putsch im letzten Jahr, wie es eine in Fachkreisen respektierte politische Beobachterin des Landes zusammenfasst, mit "Massentötungen, Masseninhaftierungen, Massentodesurteilen, dem Anheizen einer Massenhysterie und einem Massenführerkult" alles das vernichtet, wofür die ägyptische Revolution, die international gefeiert wurde, stand. Es gibt wieder den starken Staat und die Furcht davor, aber keine Opposition mehr, wie zuvor unter der Alleinherrschaft Mubaraks.

Journalisten wurden vor Kurzem in einem Schauprozess zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Beweise für deren Schuld ("Unterstützung feindlicher Kräfte", gemeint waren die Muslimbrüder) waren "lachhaft", worauf - nicht nur - die SZ hinwies.

Der Schluss, der daraus zu ziehen ist, ist lachhaft einfach: Die vom Ex-Militärchef as-Sisi (der seine Uniform nur formell, aus verfassungsrechtlichen Gründen, auszog) geführte Regierung testet die Grenzen der internationalen Akzeptanz für eine Herrschaft, die mit willkürlichen Repressionen operiert und zwar nicht so nebenbei, sondern offen.

Um das Mindeste über das Engagement des früheren britischen Premierministers zu sagen, so liefert es genau dieses Signal: "Alles okay in Kairo". Mehrmals hat er bereits Partei für das Eingreifen der Armee in die ägyptische Politik ergriffen. Mit genau den Phrasen, die ausgebuffte Zyniker neidvoll in die Knie vor ihrem Meister zwingen:

Wir sollten diese Leute in der Region, die eine offene, aufgeschlossen Gesellschaft wollen und eine moderne Wirtschaft, unterstützen. Das heißt, dass wir diese Regierung hier in Ägypten unterstützen.

Das sagte Blair im Januar dieses Jahres, als die Muslimbrüder schon zur Terrororganisation erklärt wurden und die Mittel bereits deutlich erkennbar waren, mit denen die vom Militär beherrschte Regierung eine offene Gesellschaft herstellen wollte. An Blairs Unterstützung für as-Sisi ließ er keinen Zweifel. Bis heute nicht.

"Lukrative Geschäftsmöglichkeiten"

De facto arbeitet Tony Blair für ein Programm, das von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanziert wird, und zum Ziel hat, "internationale Investoren für Ägypten zu gewinnen". Durchgeführt wird es nach Informationen des britischen Guardian von der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers. Die Geldgeber im Hintergrund sind die bereits genannten Vereinigten arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Kuweit - Staaten, denen das ägyptische Vorgehen gegen die Muslimbrüder ein strategisch wertvolles Anliegen ist.

Garniert wird das politische Anliegen laut Zeitungsbericht mit "lukrativen Geschäftsmöglichkeiten". Es wäre auch weltfremd zu denken, dass Investoren anders an Bord zu holen sind. Wie weltfremd ist die Aussage, dass Tony Blair daraus keinen müden Heller bezieht?

Sein Kritiker Seumas Milne vom Guardian zitiert Schätzungen, wonach Blair jährlich etwa 20 Millionen britische Pfund mit seinen Beratertätigkeiten verdient; in der gleichen Zeitung wird berichtet, dass auch Diktatoren wie Nursultan Nasarbajew (Kasachstan) zu seinen Klienten gehören, die er über "Good Governance" berät.

Das große globale Interesse

Die Dementis seines Büros - das im aktuellen Fall nicht bestreitet, dass Blair im Auftrag von PricewaterhouseCoopers arbeitet und von dieser Seite bezahlt wird (bestritten werden ja nur Geldeinkünfte von der ägyptischen Regierung) - zeigen ein auffälliges Muster: die direkte lokale politische Brisanz wird geleugnet, mit Hinweis auf das größere globale Interesse Mister Blairs.

So zum Beispiel, als Irritationen über die Verbindung von Blairs Aktivitäten als Nahostfriedensemissär des Quartetts (UN, USA, Russland und EU) mit seinen geschäftlichen Interessen etwa bei JPMorgan Thema waren. Da lautete die Stellungnahme seines Büros:

Mister Blair hat niemals für JPMorgan im Nahen Osten gearbeitet - er ist Vorsitzender des Internationalen Beratungsgremiums der Bank -, wo er Empfehlungen zu globalen politischen Angelegenheiten abgibt.