Sollte statt MH17 eine Maschine der Aeroflot abgeschossen werden?

Die ukrainische Regierung versucht sich in einer neuen Erklärung, derzeit finden viele Kämpfe zwischen Separatisten und ukrainischen Truppen statt

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Nach Auskunft von Valeriy Chaly, stellvertretender Chef des ukrainischen Präsidialamts, sei am späten Freitag ein "humanitärer Konvoi", begleitet von russischem Miliär, Richtung Grenze zur Ukraine gefahren, habe aber vor dieser gehalten. Nach Chaly hätte die Überquerung der Grenze einen Krieg zwischen den beiden Ländern auslösen können. Das ukrainische Außenministerium teilte mit, dass eine solche Mission zur weiteren Eskalation beitrage und dass für jede humanitäre Mission die Zustimmung des Landes erforderlich sei.

Die Provokation sei durch den ukrainischen Präsidenten Poroschenko verhindert worden, der mit führenden Regierungschefs Gespräche geführt habe. Sowohl US-Präsident Obama als auch Bundeskanzlerin Merkel haben im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten betont, dass "ein solcher Konvoi nur unter der Ägide des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und mit Zustimmung der ukrainischen Regierung stattfinden könnte", so meldet die Bundesregierung.

Ob Russland tatsächlich eine "humanitäre Mission" unter Begleitung von Militär vorgehabt hat, ist nicht klar. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte, dass Kiew mehr und mehr Märchen erzähle. Gefordert wird eine solche Mission von Moskau, und gefürchtet wurde auch, dass Russland eine solche Mission als Vorwand benutzen könnte, um seinen Einfluss in der Ostulriane zu sichern und die Separatisten zu unterstützen. UN-Generalsekretär Ban hat mittlerweile auch vor der sich verschlechternden Situation für die Menschen in der Ostukraine gewarnt. Unschuldige Zivilisten würden zwischen die kämpfenden Parteien geraten, es gäbe immer mehr Flüchtlinge, es sei dringend erforderlich die Infrastruktur wieder herzustellen. Er forderte alle Parteien dazu auf, nach einer politischen Lösung des Konflikts zu suchen.

Das Internationale Kreuz erklärte, man begrüße den Vorschlag des russischen Außenministers, Hilfskonvois in die Ostukraine zu schicken. Jede Initiative sei willkommen, aber eine Versorgung der Menschen müsse unter den Bedingungen erfolgen, dass die Mission neutral und unabhängig ist, es müsse auch die Sicherheit der Mitarbeiter garantiert sein. Poroschenko machte gegenüber der Bundeskanzlerin das Zugeständnis, dass man bereit sei, eine humanitäre Mission zuzulassen, wenn es sich um eine internationale Mission ohne Militärbegleitung handelt, die über die von der Ukraine kontrollierten Grenzposten in das Land komme. Jede Invasion, auch unter dem Deckmantel des Humanitären, sei eine Invasion und eine "rote Linie", die kein Staat überschreiten dürfe.

Der neue Chef der "Volksrepublik" Donezk, der Ukrainer Alexander Sacharschenko, der nach dem Rücktritt des Russen Borodai für Führung übernommen hat, bietet nun einen Waffenstillstand an, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Das weist darauf hin, dass die Position der Separatisten schwächer wird, während die ukrainischen Truppen Donezk mehr oder weniger abgeriegelt haben. Es finden an vielen Orten Kämpfe statt. Dabei gibt es auf beiden Seiten verschiedene bewaffnete Gruppen, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Rigoros gehen etwa die Kämpfer der mit einer Nazi-Swastika in der Flagge auftretende Miliz Azow vor, die sich nach der New York Times kaum etwas von Kiew befehlen lassen.

Die Lage in den umkämpften Gebieten ist jedenfalls kaum zu übersehen. Die militanten Separatisten werden zwar weiter zurückgedrängt, aber sie wehren sich nicht nur, sondern führen auch Angriffe aus und scheinen kurzfristig verlorene Posten wie etwa die Stadt Krasny Lutsch auch wieder erobern zu können. Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti haben ukrainische Soldaten, die südlich von Lugansk über Wochen eingekesselt und zum Teil bereits nach Russland geflohen waren, die Stellungen der Separatisten durchbrochen. Aber sie sollen ihre schweren Waffen funktionsfähig zurückgelassen haben. Etwa tausend Soldaten von den 5-6000 eingekesselten sei die Flucht gelungen. Russland hat die meisten geflüchteten Soldaten weiter in die Ukraine reisen lassen. Auf ukrainischer Seite wird die Lage anders dargestellt. Hier hätten die meisten Soldaten durchbrechen und die schweren Waffen mitnehmen können.

Die Experten des internationalen Untersuchungsteams haben sich von der Absturzstelle vom MH17 wegen der anhaltenden Kämpfe zurückgezogen. Noch ist nicht bekannt, welche Schlüsse aus den Erkundungen vor Ort und den Aufzeichnungen der Black Box sowie der Kommunikation der Piloten mit den Lotsen gezogen werden. Der ukrainische Geheimdienst SBU legte mit kaum nachvollziehbaren Satellitenaufnahmen eine gewagte neue Erklärung vor. Danach hätten Russland und die Separatisten geplant, eine russische Passagiermaschine abzuschießen, um so die Invasion in die Ukraine zu rechtfertigen. So hätten sich die Flugbahnen von MH17 und AFL-2074 von der Aeroflot über Donezk gekreuzt. Versehentlich sei MH17 von dem beim Dorf Pervomaiskoe stationierten Buk-System getroffen worden.

Das scheint aber doch eher eine Falschinformation zu sein. Nach Ria Nowosti ist es den Experten an der Unglücksstelle nicht gelungen, die Wrackteile des Flugzeugs zu sammeln und zu untersuchen. Die Auswertung der Flugschreiber, die bislang noch nicht öffentlich gemacht wurde, was Spekulationen ins Kraut schießen lässt, würde aber keine große Rolle spielen, weil die Piloten bei einem Raketenbeschuss keine Gelegenheiten hätten, darüber zu kommunizieren. Und auch wenn es sich um einen Beschuss durch ein Boden-Luft-System gehandelt habe, so die Ria Nowosti, sei nicht klar, wer die Rakete abgeschossen hat.

Nach der New Straits Times hat die SBU nicht die aufgezeichnete Kommunikation zwischen den Fluglotsen und den Piloten von MH17 beschlagnahmt. Der ukrainische Botschafter von Malaysia, Ihor Humennyi, habe dies gegenüber der Zeitung abgestritten. Wer die Bänder habe, wisse er auch nicht. Es müsse eine offizielle Anfrage erfolgen, die will der malaysische Generalstaatsanwalt auch machen.

Nach dem malaysischen Verteidigungsminister Datuk Seri Hishammuddin Hussein ist die Maschine nicht von Kampfflugzeugen, sondern von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden. Für den Abschuss sei ein Buk-System verantwortlich. Solange die Daten nicht veröffentlicht werden, werden je nach interessierter Seite unterschiedliche Spekulationen verbreitet.