Kiewer Führung drängt auf Nato-Mitgliedschaft

Nato-Generalsekretär Rasmussen verlangt Legitimation über Neuwahlen in der Ukraine

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Es wird eng für die Kiewer Führung. Militärisch häufen sich die Meldungen von Niederlagen im Osten; angeblich kursiert unter Nato-Generälen die Auffassung, dass der Konflikt für Kiew "militärisch bereits verloren" ist.

Politisch hat sich die Kiewer Regierung durch ihre unnachgiebige Haltung gegenüber den Separatisten, die sie unter dem Kampfbegriff Terroristen subsummiert, Möglichkeiten verbaut. Aus Sicht des Führungspersonals in der ukrainischen Haupstadt sind Verhandlungen mit den Abtrünnigen über einen Sonderstatus der Gebiete im Osten und Südosten nicht möglich.

So setzten die Politiker in Kiew mehr denn je auf Hilfe durch die EU und die Nato. Beim anstehenden Nato-Gipfel ist ihnen ein besonderer Status garantiert. Ob ihnen daraus auch strategischer Nutzen für die gegenwärtig schlechte Lage, in der sich auch die politischen Karrieren von Poroschenko und Jazenjuk befinden, zukommt, ist nicht klar. Auch die Möglichkeiten der Nato sind beschränkt. Es sei denn man verlegt sich auf verdeckte Operationen, was große Risiken mit sich brächte.

Die Hilferufe aus Kiew stünden auf anderem Boden, wenn die Ukraine Mitglied der Nato wäre. Zwar hätte man noch immer nachprüfbare Beweise für eine offizielle russische Intervention auf den Tisch zu legen, was bislang aussteht, aber der Status als Nato-Mitglied würde auch die inoffizielle Unterstützung der Separatisten aus Russland mit anderen Risiken aufladen. Es gilt, dass nur eine Abstimmung des Parlaments, das für das ganze Territorium legitimiert ist, eine Änderung des Status durchführen kann. Nach Lage der Dinge ist das angesichts des von Kiew abtrünnigen Ostens nicht wahrscheinlich:

Vertreter von Noworossija würden in einer föderalisierten Ukraine die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine unmöglich machen und Russlands Einfluss auf die Ukraine sichern. Eben aus diesem Grunde hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine Föderalisierung ausgeschlossen.

Ulrich Heyden

So wird in Kiew seit einigen Tagen von einem Gesetzentwurf berichtet, der den Status der Nicht-Mitgliedschaft für nichtig erklärt und den Weg zu einer Mitgliedschaft der Nato eröffnet. Laut dem Vorsitzenden der Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna), Sobolew, gibt es schon seit Monaten einen Gesetzesentwurf, der das 2010 unter Janukowitsch erlassene Gesetz zum blockfreien Status der Ukraine zurücknehmen will. Allerdings stehe das Gesetz noch nicht auf der Agenda des Parlaments, so eine gestrige Meldung der Nachrichtenagentur Ukrinform.

Das könnte sich ändern. Ministerpräsident Jazenjuk machte sich vergangene Woche für eine Gesetzesvorlage stark. Am Freitag verkündete er, dass ein entsprechender Beschluss im Kabinett gefällt worden sei.

Auch der scheidende Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der in den letzten Tagen oft und laut den Rhetorikeskalations-Säbel für eine Aufrüstung der Nato im Osten Europas, für eine neue "Speerspitze", die Aufstockung und bessere Ausstattung einer schnellen Einsatztruppe, höhere Militärbudgets etc. geschwungen hat, äußerte sich zur Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato und den entsprechenden parlamentarischen Vorbereitungen.

In diesem Zusammenhang verweist Rasmussen, der für einen Beitritt ist, auf das Legitimitätsproblem. Erst müsse es Wahlen geben und dann eine Abstimmung im neuen Parlament. Wie aber derzeit im gesamten Gebiet der Ukraine Wahlen durchzuführen wäre, was den Wahlen erst Legitimation geben würde, ist eine Frage, die sich nicht zum ersten Mal stellt.