Mali: Die Desillusionierung dominiert

Hauptstadt Bamako; Bild: Arensond; gemeinfrei

Die korruptionsanfällige Regierung hängt am Gängelband des IWF sowie anderer Kreditgeber und kann sich bei Verhandlungen mit bewaffneten Gruppen nur schlecht durchsetzen

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Präsident François Hollande scheint sich gern an Kriegsschauplätzen zu zeigen. Ende dieser Woche hielt er sich im Irak auf, um einen Beitrag Frankreichs zur internationalen Koalition gegen den so genannten "Islamischen Staat" der Dschihadisten des selbsternannten "Kalifen" Al-Baghdadi anzukündigen. Im vergangenen Jahr war es Mali, wo Hollande sich feiern lassen konnte, im Kontext des französischen Militäreinsatzes gegen die Dschihadisten, die 2012 die Nordhälfte Malis besetzt hatten.

An François Hollandes Charakter dürfte es nicht liegen, gilt der Mann seinen Kritikern doch weitaus eher als harmoniebesoffen denn als streitsüchtig - sein Spitzname lautet seit Jahr und Tag "Flamby", nach der Produktbezeichnung eines Weichpuddings. Hält Hollande sich also persönlich in Krisengebieten und Brennpunkten auf, dann eher deswegen, weil er zu Hause inzwischen einen dermaßen schlechten politischen Stand hat, dass vor allem Auslandseinsätze und politisch-militärische Interventionen es ihm noch erlauben, sich zu profilieren.

Die satirische Puppensendung des TV-Sender "Canal +", Les Guignols de l’info, spottete dazu am gestrigen Freitag: "Es ist ein archimedisches Gesetz: Jeder Körper, der in der Sch... steckt, erhält Auftrieb, indem er sich auf die internationale Ebene begibt..." Auch sein Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy kannte diese Form der politischen Flucht nach vorn, indem er sich 2011, im schwierigsten Jahr seiner Amtszeit, durch den Libyeneinsatz und seinen Aufenthalt in Tripolis profilierte.

Betrachtet man sich den Zustand Libyens heute, erscheint dieser Abschnitt der jüngeren Geschichte nicht unbedingt als positive Referenz und Erfolgsstory. Allerdings sollte man sich auch vor Kurzschlüssen und unzulässigen Vergleichen hüten. Die Schauplätze internationaler Konflikte und Interventionen lassen sich nur bedingt miteinander gleichsetzen, und die jeweilige Eigendynamik der Auseinandersetzungen vor Ort kann sehr unterschiedlich ausfallen.

Dschihadisten in Mali

Generell lässt sich durchaus sagen, dass die Mehrheit der Bevölkerung Malis es grundsätzlich mit Erleichterung registrierte, als die Dschihadisten 2013 aus den Städten im Norden und im Zentrum des Landes vertrieben wurden. Anders als in manch' anderen mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern, wo Islamisten oder Dschihadisten von Teilen der Bevölkerung als "Widerstandskämpfer" wahrgenommen werden - gegen westliche Besatzungsmächte wie die Taliban in Afghanistan, oder als Kämpfer gegen ein autokratisches Regime wie in Libyen oder Syrien -, war diese Wahrnehmung in Mali kaum verbreitet.

In diesem Land der Sahelzone erinnert man sich an die Dschihadisten vorwiegend als Urheber von öffentlich vollzogenen - oder mitunter, wie 2012 in Gao, durch einen Massenauflauf der ortsansässigen Bevölkerung verhinderten - Amputationen und Züchtigungsstrafen. Eine Besonderheit der Situation liegt darin, dass Mali auf eine Geschichte, und im Norden zum Teil noch Gegenwart, als sklavenhaltende Gesellschaft zurückblickt.

Eine NGO von Schwarzen aus Nordmali namens Temedt forderte erst jüngst, bei einer Pressekonferenz im Internationalen Konferenzzentrum von Bamako am 14. August dieses Jahres, die definitive Abschaffung der Sklaverei. Aufgrund der Tatsache, dass die in der Sahelzone und besonders in Mali seit einigen Jahren aktiven Dschihadisten oft "Hellhäutige" waren, etwa aus dem früheren Bürgerkriegsland (zwischen 1993 und 1999) Algerien herübergewanderte bewaffnete Islamisten, konnte sich die Mehrheit der Bevölkerung Malis nicht mit ihnen identifizieren.

In ihren Augen riefen die Dschihadisten eher Erinnerungen an die frühere arabisch-berberische Sklaverei wach. Zwar gibt es auch einheimische westafrikanische Dschihadisten, und in dem zu 85 Prozent muslimischen Land mit laizistischer Staatsverfassung teilt eine Minderheit der Bevölkerung ihre "Ideale". Doch die Mehrheit der Malier nahm und nimmt die bewaffneten Islamistenbewegungen als "Eindringlinge" wahr. Dies ist ein gewichtiger Unterschied etwa zu Afghanistan, wo die Taliban in der zahlenmäßig Bevölkerungsgruppe der Paschtunen verankert sind.

Die hellhäutigeren Bevölkerungsgruppen in Nordmali, wie die Tuareg und in geringerem Ausmaß die Araber im Raum Timbuktu, hielten in der Vergangenheit Sklaven, die sich um die Abfertigung der Karawanen und die Hausarbeit kümmerten. Natürlich nicht alle Tuareg, sondern ihre Oberklassen, im Rahmen einer strikt hierarchisierten Kastengesellschaft.

Die Handelsrouten für Kokain aus Südamerika

Zwar hat die Modernisierung, und die weitgehende Ersetzung von Karawanen durch LKWs, heute auch im Norden Malis die alte Gesellschaftsordnung durcheinander gewirbelt. Doch die alten Oberklassen haben neue Betätigungsfelder in der lebensfeindlichen Umgebung der Halbwüste und Wüste Nordmalis gefunden. Aufgrund der Tatsache, dass viele Schmugglerrouten durch diese Regionen führen, wird mit Waffen, Benzin, unverzollten Zigaretten und seit einigen Jahren (ab 2003) auch mit Geiseln gehandelt.

Vor allem aber führt die Route des Kokains aus Südamerika, das mit Schnellbooten in den mafiadominierten Küstenländern Westafrikas - wie Guinea-Bissau - angelandet wird und für den Transport nach Europa bestimmt ist, durch diese unwirtlichen Regionen. In Mali halten korrupte Staatsbeamte und (jedenfalls in der Vergangenheit) auch Spitzenpolitiker, im Nachbarland Algerien einflussreiche Generäle der Armee ihre schützende Hand über diesen lukrativen Markt.

Viele bewaffnete Gruppen und Milizen entstanden in den letzten Jahren vor allem, um diese illegalen Handelsrouten zu kontrollieren und vom störenden Einfluss einer Staatsmacht zu "befreien". Zwar wurde dazu die Sprache der "nationalen Befreiung von Unterdrückten" bemüht, etwa durch die von Tuareg im Jahr 2011 gebildete "Bewegung für die nationale Befreiung von Azawad" - den MNLA.

Die Realität ist jedoch weniger idyllisch. Politische Ideale spielen dabei eine geringe, mehr oder minder mafiöse Geschäftsinteressen hingegen eine Hauptrolle. Im Jahr 2012 waren die auf ethnischer Basis rekrutierten Tuareg-Aktivisten des MNLA eine taktische Allianz, eine Art Joint Venture mit stärker ideologisch motivierten Dschihadisten-Gruppen eingegangen. Zusammen kontrollierten sie einige Monate lang den Norden Malis, bis zur französischen Intervention.

Diese wurde ab Sommer 2013 heruntergefahren, mit der Begründung, durch die Präsidentenwahl vom 11. August letzten Jahres habe das Land ja wieder eine legitime Regierung gefunden und könne sich nun stabilisieren. Damals wurde der Präsidentschaftsbewerber Ibrahim Boubacar Keïta, genannt "IBK", mit über 77 Prozent der Stimmen gewählt: Viele Malierinnen und Malier verknüpften mit ihm die Hoffnung auf einen echten Neuanfang (Kein Blankoscheck für den neuen Präsidenten von Mali).