Geplante Obsoleszenz als Betrugsdelikt

Frankreich bestraft künftig die absichtliche Verringerung der Lebensdauer von Produkten

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Künftig ist es in Frankreich möglich, Produkthersteller oder -importeure wegen "geplanter Obsoleszenz" vor Gericht zu bringen. Ein entsprechendes Gesetz, das zum Energiewende-Gesetzespaket gehört (vgl. auch Das langsame Ende der Plastiktüten), wurde am Dienstag in der Nationalversammlung verabschiedet. Es sieht vor, die "obsolescence programmée" als Betrugsdelikt zu behandeln und zu bestrafen - mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldbuße von bis zu 300.000 Euro.

An Beispielen fehlt es nicht, wie auf einem Webportal zu erfahren ist, dessen Betreiber seit langem gegen den Murks in Form "geplanter Obsoleszenz" vorgehen. Andere sprechen von "geplantem Verschleiss" ("Im Prinzip heben wir Löcher aus und schütten sie wieder zu"). Zugrunde liegt dem der Ärger über Produkte, besonders oft Elektrogeräte, die für gutes Geld gekauft, so billig gemacht sind, dass sie schneller kaputt gehen, als vom Käufer erwartet, auffallend oft kurz nach Ablauf der Garantiezeit.

Häufig kann auch der Käufer alter Schule, der sich noch aufs Reparieren versteht (kursieren eigentlich unter den Schullehrplangestaltern auch Ideen, Reparaturkurse ab der Grundschule einzuführen, um den Werkunterricht sinnvoll zu ergänzen?), nicht viel ausrichten, um das Gerät wieder zum Funktionieren zu bringen, weil dies die Bauart nicht zuläßt oder benötigte Ersatzteile nicht mehr lieferbar sind.

Die geringe Lebensdauer der Artikel sei bewusst so geplant, so der Vorwurf, der mit dem Begriff der "geplanten Obsoleszenz" sein politisches Reizwort hat (Kaufen für die Müllhalde):

Unter Obsoleszenz verstehen wir sämtliche Maßnahmen, die dazu führen, dass Produkte oder Waren ausgemustert und durch neue ersetzt werden. Das lässt sich durch grob gesagt drei Strategien erreichen: Sabotage, Innovation und Marketing. Die unverfrorenste Methode ist die Sabotage: Ich baue in mein Produkt eine Sollbruchstelle ein, die dafür sorgt, dass es nach einer bestimmten Gebrauchsdauer kaputt geht. Das kennt jeder aus eigener Erfahrung: Der Akku wird mit dem mp3-Player verschweißt und kann nicht ausgetauscht werden. Ist er nach zwei Jahren kaputt, muss das ganze ansonsten funktionsfähige Gerät gleich mit weggeschmissen werden.

Jürgen Reuß

In Frankreich soll der Begriff nun in das Verbraucherschutzgesetzbuch (Code de la consommation) aufgenommen werden (es steht noch die Abstimmung im Senat bevor). Die "obsolescence programmée" wird im Gesetzesentwurf definiert als "Gesamtheit von Techniken, durch die derjenige, der das Produkt auf den Markt bringt, bezweckt, namentlich durch die Konzeptionierung des Produkts, die Lebensdauer oder den möglichen Gebrauchswert des Produkts absichtlich zu verkürzen, um den Verkauf von neuen Produkten zu erhöhen. Diese Techniken können insbesondere einschließen: den willentlichen Einbau einer Schadhaftigkeit, einer Sollbruchstelle oder eines programmierten, vorzeitigen Funktionsstopps, einer technischen Begrenzung, einer Verhinderung von Reparaturen oder einer beabsichtigten Nicht-Kompatibilität".

Längere Garantie, Kennzeichnungspflicht und Pflicht zur Bereitstellung von Ersatzteilen

Laut einem Bericht von Le Monde drängten die Abgeordneten zusätzlich darauf, dass die Hersteller die (voraussichtliche) Lebensdauer deutlich ausweisen. So werden sie nach der neuen Gesetzeslage dazu verpflichtet, "alle Produkte entsprechend kennzuzeichnen, die einem Wert von 30 Prozent des SMIC entsprechen". Der SMIC ist der in Frankreich allgemein garantierte, gesetzlichen Mindestlohn; höchstwahrscheinlich ist der SMIC-Monatslohn als Berechnungsgrundlage gemeint, der sich derzeit auf 1.430,22 € bei 35 Stunden die Woche beläuft.

Zudem werden die Hersteller oder die Importeure des Produktes dazu verpflichtet, die Verkäufer darüber zu informieren, für welchen Zeitraum die Bereitstellung von Ersatzteilen auf dem Markt vorgesehen ist. Und: die gesetzlich garantierte Garantiezeit wird auf zwei Jahre festgelegt.

Verbraucherschutzorganisationen wünschen sich, dass der Senat, dem das Gesetz demnächst vorgelegt wird, noch Änderungen hinzufügt: die Erweiterung der gesetzlich vorgeschriebene Garantiezeit auf zehn Jahre und die Verpflichtung zur Lieferung oder Bereitstellung von Ersatzteilen. Abgesehen von diesen Zusätzen wird das Gesetz jedoch als "markantes Signal" gelobt, weil damit der beabsichtigte Murks nicht länger nur eine Angelegenheit ist, die zivilgerichtlich verhandelt wird, sondern ein strafrechtlich relevantes Betrugsdelikt.

Allerdings wird es, wie ein Artikel von Mario Sedlak an dieser Stelle vor ein paar Wochen veranschaulichte (Geplante Obsoleszenz - Ein hartnäckiger Mythos), nicht ganz leicht sein, den Herstellern den Betrug nachzuweisen.