Neue Griechenland-Milliarden werden fließen

Obwohl Griechenland zuletzt sogar "Wachstumsspitzenreiter" in der Eurozone war, muss das Land nach Auslaufen des zweiten Rettungsprogramms mit neuen Milliarden gestützt werden

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Bis zum 8. Dezember soll Griechenland ausgehandelt haben, wie es nach der Griechenland-Rettung 2.0 weitergeht. Klar ist, dass nach bisherigen 240 Milliarden Euro neue Milliarden fließen müssen, das war auch erwartet worden (Auch ein drittes Milliardenpaket wird nicht ausgeschlossen). Obwohl per Geldschwemme über die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen abgesenkt wurden, reicht auch das massive Doping nicht für einen "sauberen Ausstieg" wie in Irland und Portugal aus. Doch um nicht von einem dritten Rettungspaket sprechen zu müssen, nennt man die bisher angepeilten 10 Milliarden Euro "vorbeugende Finanzhilfen", auch wenn sie ebenfalls aus dem Rettungsschirm ESM kommen.

Lauthals hatte kürzlich der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras verkündet, sein Land werde kein drittes Hilfspaket brauchen. Und weil im Frühjahr nicht nur der Staatspräsident gewählt wird, sondern vermutlich auch vorgezogene Parlamentswahlen anstehen, ging Samaras vorsorglich auf Stimmenfang. Denn nach Umfragen liegt die Linkspartei Syriza klar in der Wählergunst vorne. Deshalb erklärte der Politiker der Nea Demokratia (ND), die 11 Prozentpunkte hinter Syriza liegen soll, Griechenland könnte zum Jahresende der verhassten Kontrolle durch die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und EZB entkommen. Dass das ohnehin falsch ist, zeigt Portugal. Trotz des Ausstiegs aus dem Rettungsprogramm steht das Land noch bis 2045 unter Aufsicht.

Doch aus einem geplanten "sauberen Ausstieg" wird in Griechenland nichts. Obwohl auch der Risikoaufschlag (Spread) wegen der Geldpolitik der EZB deutlich gesunken ist, kann das Land sich nicht ohne externe Hilfe zurück an die Finanzmärkte wagen. Daran ändert nichts, dass auch Griechenland-Anleihen angesichts der Geldschwemme der EZB und fehlender lukrativer Anlagemöglichkeiten wieder gekauft werden. Schließlich muss inzwischen sogar schon eine Einlagegebühr oder ein Negativzins von 0,2% bezahlt werden, wenn Banken ihr Geld bei der Notenbank parken (Nun auch Nullzinsen und Gelddrucken in Europa!).

Doch auch das hat nicht verhindert, dass nach der Ausstiegs-Ankündigung von Samaras eine Fluchtbewegung zu beobachten war. Der Spread stieg schnell wieder deutlich an und die Börse in Athen stürzte ab. Damit wurde klar, dass niemand an den Finanzmärkten es Griechenland zutraut, es nun wieder alleine schaffen zu können. Ohne die Garantie durch die übrigen Euroländer ist die Bereitschaft weiter begrenzt, dem Land wieder Geld zu leihen. Deshalb ruderte der griechische Vize-Außenminister schnell zurück. Dimitris Kourkoulas erklärte: "Wir brauchen eine sanfte Landung."

"Vorbeugende Finanzhilfen" bringen neue Auflagen mit sich

Und damit sind die "vorbeugenden Finanzhilfen" gemeint, die in Brüssel auch beschönigend "vorsorgliche Kreditlinie" genannt wird und die über die schon verhandelt wird. Griechenland soll demnach mit einem Kapitalpolster von zehn Milliarden Euro zu günstigen Konditionen ausgestattet werden, wie inzwischen berichtet wurde. Das Geld soll bereitliegen, damit Griechenland sich nicht über die Finanzmärkte finanzieren muss, wenn diese nur zu hohen Zinsen bereit sind, dem Land Geld zu leihen. Doch damit, und genau das wollte Samaras vor den Wahlen vermeiden., sind neue Auflagen und die Erfüllung bisheriger Auflagen verbunden.

Statt neuer Sparauflagen hat Samaras mit Blick auf die Wahlen Kürzungen für Staatsbedienstete sogar gelockert. Die Hälfte des Geldes, dass ihnen seit Sommer 2012 gestrichen wurde, sollen sie in kleinen Raten nun monatlich zurückgezahlt bekommen. Ganz freiwillig war der Schritt aber nicht, denn das höchste Verwaltungsgericht hatte die Rückzahlung für Polizei, Soldaten und Feuerwehrleute angeordnet. Samaras hatte sogar schon verkündet, das Land habe das Schlimmste hinter sich. Er stellte deshalb auch Steuersenkungen, Zahlungserleichterungen für säumige Bankschuldner und ein staatliches Mindesteinkommen in Aussicht.

Gegenüber der Troika hatte Samaras die Wahlgeschenke auch mit dem relativ starken Wachstum begründet, auf denen sein Haushaltsentwurf für 2015 basiert. Im dritten Quartal wurde in Griechenland das stärkste Wachstum der Euro-Zone mit 0,7% registriert. Deutschland schrammte dagegen, weil auch hier nun illegale Geschäfte eingerechnet werden, gerade noch an einer neuen Rezession vorbei.

Insgesamt konnte Griechenland im Vergleich zum Vorjahresquartal sogar ein Wachstum von 1,4% verbuchen, wobei das Land allerdings von vielen Ländern übertroffen wird. Im Fall der Hellenen muss aber beachtet werden, dass die Wirtschaft sechs Jahren in Folge massiv geschrumpft ist. In einer tiefgehenden Rezession ist seit 2007 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um etwa 30% gesunken Das BIP lag Ende 2013 mit 182 Milliarden Euro deutlich unter dem BIP aus dem Jahr 2003 (193 Milliarden). In diesem Rahmen war das Wachstum eher bescheiden. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber, wie sich die Verschuldung entwickelt hat. Die ist trotz Schuldenschnitt auf 320 Milliarden explodiert. Das waren Ende 2013 schon 175% des BIP. Vor der Rettung lagen die Staatsschulden Ende 2009 noch auf 127%, als die Finanzmärkte dem Land kein Geld mehr leihen wollten.

So sieht also die Rettung Griechenland aus. Das Fazit ist noch deutlich schlechter als das für Portugal oder Irland, bei denen trotz der negativen Grunddaten eine "Erfolgsshow" abgezogen wurde. Doch ohne die immer massivere Flutung der Kapitalmärkte durch die EZB wäre wohl niemand ernsthaft bereit gewesen, diesen Ländern wieder Geld zu leihen. Griechenland sticht unter den Absturzländern aber weiter besonders mit Negativdaten hervor. Hierbei sollte man auch die EU-Rekordarbeitslosigkeit von 26% nicht vergessen.

Und das bescheidene Wachstum im zweiten und dritten Quartal 2014 ist vor allem auf einen starken Tourismus in diesem Sommer zurückzuführen. Der hatte auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit wegen befristeter Verträge leicht zurückging. Die interne Abwertung spülte 17% mehr ausländische Besucher ins. Davon profitierten nicht nur Kneipen und Hotels. Auch die Mietwagenfirmen sorgten für einen Anstieg an Pkw-Neuzulassungen um 30% in den ersten zehn Monaten. Sogar doppelt so viele Reisebusse wurden zugelassen.

Doch dem stehen fatale Zahlen aus anderen Branchen entgegen. Trotz Lohnkürzungen und allgemeiner interner Abwertung hat sich in der Industrie nichts getan. Die Industrieproduktion ging in Griechenland im September gegenüber dem Vorjahr um 5,1% zurück. Das war nicht durch den Sommerurlaub bedingt, denn die Produktion schrumpfte den siebten Monat in Folge. Und auch seine Exporte konnte das Land nicht steigern, obwohl auch ein schwächerer Euro griechische Waren auf dem Weltmarkt verbilligt hat. Die Exporte gingen im Jahresvergleich sogar um 7,2% zurück. Also konnten weder Industrie noch Exporte davon profitieren, dass der Euro billiger wurde und Löhne, Preise und Energiekosten gefallen sind. Das zeigt auch eine Deflation, die im Jahresvergleich schon auf 1,8% gestiegen ist.

Angesichts dieser Entwicklung ist eigentlich verständlich, dass auch die Troika dem griechischen Ministerpräsidenten seinen Haushalt nicht abgenommen hat. Denn Samaras schreibt darin einfach das bisherige Wachstum fest. Dabei ist durch das Ausbleiben der Touristen im Winter und sich allgemein eintrübende Prognosen in Europa unsicher, woher das kommen soll, wenn Industrie und Exporte lahmen. Im Haushaltsentwurf ging Samaras von einem Wachstum von sogar 2,9% für 2015 aus.

Er verwies dabei auch darauf hin, dass das Land erstmals sogar einen Primärüberschuss haben soll. Doch auch das würde nicht per se bedeuten, dass damit das Land kein Defizit mehr hat. Denn beim Primärüberschuss sind die enormen und steigenden Ausgaben für den Schuldendienst nicht eingerechnet. Die Troika geht sogar davon aus, dass sogar aus dem Überschuss nichts wird und rechnet mit einer Finanzierungslücke von 2,5 Milliarden Euro für 2015. Das bestreiten die Griechen, um nicht noch deutliche heftigere Sparmaßnahmen planen zu müssen. Denn die Troika fordert in dem für sie bekannten Kurs, erneute Einschnitte, Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, Rentenkürzungen und die Anhebung von Steuern.

Streit über neue Sparmaßnahmen in der Regierungskoalition

An den Widersprüchen um neue Sparauflagen für die "vorsorgliche Kreditlinie" sind die bisherigen Verhandlungen gescheitert. Sie wurden vergangenen Mittwoch in Paris ergebnislos abgebrochen. Doch es sieht danach aus, als würden Vertreter der Troika noch in dieser Woche in Athen die Gespräche wieder aufnehmen. Die Regierung bietet nun neue Sparmaßnahmen in Höhe von 980 Millionen Euro an. Dabei handelte es sich um die Erhöhung des Rentenalters sowie der Mehrwertsteuer in einigen Bereichen. Betroffen ist das Hotelgewerbe, wo sie 2012 auf 6,5% gesenkt wurde, was sich positiv auf den Tourismus ausgewirkt hat. Nun soll sie wieder auf immer noch ermäßigte 13% angehoben werden.

Streit gibt es deshalb aber auch innerhalb der Regierungskoalition. Denn Finanzminister Gikas Hardouvelis bietet der Troika auch neue Gehaltskürzungen in bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes an und will die Bedingungen für den Bezug von Mindestrenten deutlich verschärfen. Das lehnt Samaras Vize aber entschieden ab. Der Sozialist Evangelos Venizelos will angesichts des Absturzes der einst stärksten Partei auf zuletzt gut 12% verhindern, dass an den Einkommen und Renten weiter gekürzt wird und seine Partei dafür mitverantwortlich gemacht wird.

Damit sind weiter schwierige Verhandlungen programmiert und vorgezogene Neuwahlen dürften näher kommen. Denn es ist zu vermuten, dass Samaras gegenüber der Troika einlenkt, aber die PASOK von Venizelos sich gegenüber der großen linken SYRIZA zu positionieren versucht. Aus Brüssel wird schon daran gedacht, auch über den bisherigen Stichtag am 8. Dezember hinaus an der Kreditlinie und den Auflagen zu schrauben. Als Deadline wird nun der 15. Dezember genannt. Auch wenn einige der mit den Verhandlungen Betrauten bereit seien, auch "an Weihnachten zu arbeiten", sei das nicht im Fall der nationalen Parlamente zu erwarten. Deshalb müssen die neuen Rettungsmilliarden noch vor den Festtagen in den Mitgliedsstaaten abgenickt werden.