Charlie Hebdo rettet spanischen Humoristen

Satire ist auch der spanischen Regierungspartei nicht geheuer, die den Humoristen Facu Díaz vor ein Anti-Terror-Gericht zerren ließ

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Dass Spanien gerne mit zweierlei Maß misst, und die regierende konservative Volkspartei (PP) im Besonderen, ist nicht neu. Auf der einen Seite setzt sich Ministerpräsident Mariano Rajoy in Paris für Charlie Hebdo und demokratische Grundrechte ein, doch auf der anderen Seite werden auch Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit in seinem Heimatland bisweilen mit Füßen getreten (Das muss man sogar zeichnen dürfen!). Man hebelt dort nun sogar die Verteidigerrechte aus. Und nun wurde erneut deutlich, dass die spanische Rechte - ähnlich wie die Pariser Attentäter - ebenfalls keinen Spaß versteht. Satire ist für sie offenbar so etwas wie Terrorismus, weshalb sie heute den Humoristen Facu Díaz vor einem spanischen Sondergericht antraben ließ.

Denn Díaz hatte sich im Fernsehen in seiner Satiresendung "Tuerka News" im Juni 2014 über die PP lustig gemacht. In Anspielung auf ihre Wurzeln im Faschismus und der Tatsache, dass die Partei von Führungsmitgliedern der Franco-Diktatur gegründet wurde, sich nie vom Putsch und Diktatur distanziert hat, zog der Humorist sie satirisch durch den Kakao. Díaz trat in seinem Sketch maskiert vor die Kamera und kündigte die Auflösung der PP an, ähnlich wie dies die ETA gemacht hatte.

Die postfaschistische Partei würde nach 20 Jahren nun "endgültig ihre bewaffneten Aktivitäten einstellen". Dass PP-Mitglieder zum Teil auch in faschistischen Organisationen mit Waffen spielen, ist ebenfalls nicht neu (Falange bereitet schmutzigen Krieg gegen Basken vor). Im Sketch prangen im Hintergrund die Parteisymbole in der üblichen blauen Farbe. In Anlehnung an die die Putschisten der Guardia Civil stößt Díaz zunächst aus: "Alle das Maul halten!" Denn das hatte auch der Putschistenführer Tejero geschrien, als seine Mannen am 23. Februar 1981 das Parlament stürmten. Der feuerte zur Bekräftigung zudem noch eine Salve aus seiner Maschinenpistole in die Luft (Der letzte Putsch in Europa).

Dass in dem Sketch an Verwicklungen zwischen den Rechtsradikalen und den Putschisten erinnert wird und auch der kurz zuvor abgetretene König an dem Putsch beteiligt war, konnte die PP nicht verkraften. Dass zudem auf dem Tisch auch noch ein Bild eines gerade wegen Korruption verhafteten hochrangigen PP-Politikers gezeigt wurde, in welche die Partei bis zur Halskrause verstrickt ist (Chefs abgestürzter Banken verprassten Millionen), war dann deutlich zu viel.

Über die der PP nahestehende Organisation "Dignidad y Justicia" (Würde und Gerechtigkeit) wurde Anzeige gegen Díaz erstattet, weil in dem Sketch die ETA verharmlost und die "Opfer des Terrorismus verunglimpft" würden. Das zeigt auch, dass getroffene Hunde bellen und dass in rechtsradikalen Kreisen der Sketch nicht einmal verstanden wurde. Díaz jedenfalls nahm es mit Humor, dass er sogar vor den Nationalen Gerichtshof gezerrt wurde, an dem normalerweise Schwerstverbrechen abgehandelt werden. "Einen Humoristen vor ein Gericht zu schleifen, an dem Terroristen verurteilt werden, ist an sich ein Sketch", sagte er.

Sein Fall hat nach den Vorgängen in Paris nun für internationalen Wirbel gesorgt. Er wäre sonst wahrscheinlich weitgehend unbemerkt geblieben, wie vieles, was sich im Königreich von Diktators Gnaden bisweilen so ereignet. Sogar die britische BBC hatte extra ein Team zur Beobachtung des Verfahrens nach Madrid geschickt. Und das konnte schließlich berichten, dass einer der progressiveren Richter das Verfahren nach nur knapp zwei Stunden eingestellt hat. Javier Gómez Bermúdez gehört zu den Sonderrichtern in Spanien, die zwischen Satire und Verunglimpfung unterscheiden können. Er ist auch bisweilen entsetzt darüber, dass in seinem Land sogar baskische Journalisten von der Guardia Civil gefoltert werden. Denn deren herbeigefolterte Geständnisse verwarf er und sprach Journalisten vom Vorwurf frei, Mitglieder oder Unterstützer der ETA zu sein. Die Schließung ihrer Zeitung bezeichnete er als verfassungswidrig.

"Unabhängig davon, ob einem das gefällt oder nicht, werden Terrorismusopfer weder verunglimpft noch herabgewürdigt", meinte er, nachdem er das Video angeschaut hatte. Es könne aber für Opfer subjektiv verletzend sein, wenn Terrorismus für Satire genutzt wird, sagte er. Díaz hatte ihm eindeutig erklärt, dass es keinesfalls sein Ansinnen war, die Opfer herabzuwürdigen oder zu verunglimpfen. Er ist zudem Direktor des linken Fernsehsenders "La Tuerka" im solidarischen Arbeiterstadtteil Vallecas. Das Verfahren wurde insgesamt als ein Warnsignal an den Sender und an die Empörten-Partei Podemos (Wir können es) gewertet.

Deren Generalsekretär Pablo Iglesias wurde erst über seine Sendung wirklich bekannt. Inzwischen ist Podemos nach Umfragen die Partei, die die Wahlen im kommenden Herbst gewinnen soll, worüber sie das "Regime" stürzen will. Der Wirbel um Charlie Hebdo hat dabei geholfen, dass es bei diesem Termin vor dem Sondergericht blieb. Und zunächst ist wohl auch nicht mit weiteren repressiven Maßnahmen gegen La Tuerka zu rechnen. Allein die Tatsache aber, dass man für Satire sogar vor einem Sondergericht landen und unter anderen Umständen zu langen Haftstrafen verurteilt werden kann, sagt viel über Spanien aus.