Vom heimlichen zum offenen Währungskrieg?

Die EZB-Geldschwemme sorgt dafür, dass immer mehr Notenbanken nachziehen und die eigene Währung schwächen

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Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) heizt den Währungskrieg weiter an. Seit der Entscheidung zum Anleihekauf haben 14 Notenbanken die Zinsen als Reaktion gesenkt, um auch ihre Landeswährungen gegen den billigen Euro zu schwächen, der zu Rekordexporten in Europa und vor allem in Deutschland führt. Schweden und die Schweiz haben ihre Leitzinsen schon ins Minus gedrückt. Schweden wirft nun ebenfalls die Notenpresse an und kauft Staatsanleihen an. Dänemark scheint sich auf den Weg der Schweiz zu machen und wird vermutlich bald auch die Anbindung an den Euro aufgeben. Doch ob die nun beginnenden Anleihekäufe durch die EZB etwas bringen, darf bezweifelt werden, wenn man sich die Ergebnisse dieser Politik der angeblichen Deflationsbekämpfung in Japan anschaut.

Dass die Geldschwemme der EZB den Währungskrieg antreibt, anheizt oder zuspitzt, ist seit langem zu beobachten und wurde auch schon im vergangenen Herbst deutlich aus den USA kritisiert. Auch deutsche Experten wie der ehemalige Wirtschaftsweise Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), erklärte schon im vergangen Oktober, dass wir "einem Währungskrieg durch bewusst herbeigeführte Abwertungen sehr nahe" sind. Doch seither hat sich die Lage weiter deutlich zugespitzt, denn mit der angeblichen Deflationsbekämpfung werden die Geldschleusen immer weiter geöffnet. Ab März will die EZB die Notenpressen auf Hochtouren laufen lassen und für 1,14 Billionen Euro Staatsanleihen kaufen.

EZB-Chef Marion Draghi hat immer wieder behauptet, dass die Schwächung des Euros nicht das Ziel, sondern nur ein Nebeneffekt der EZB-Geldpolitik sei. Dabei ist auch Draghi klar, dass die derzeitigen Deflationstendenzen vor allem aus billigen Energiepreisen rühren. Und seit Draghi der EZB vorsteht, macht er gezielt Konjunkturpolitik über die EZB. Deshalb wurden die Leitzinsen sogar gesenkt, als die Inflation mit 3% über der Zielmarke von 2% lag.

Damit wurde klar gegen den Auftrag der EZB verstoßen, für Geldwertstabilität zu sorgen, zudem wurden die Werkzeuge verschlissen, die eine Notenbank gegen Deflationstendenzen hat. Und so läuft das seit 2011. Nicht Geldwertstabilität stand im Zentrum der EZB-Politik, sondern die Geldpolitik sollte auch Zinsen für die Krisenstaaten senken, um eine angeblich erfolgreiche Rettung in Irland und Portugal simulieren zu können. Schließlich gehört auch die EZB der Troika an, die für diese "Rettungen" verantwortlich zeichnet.

Tatsächlich war die wirtschaftliche Lage nach dem Ausstieg aus dem Programm schlechter als vor der "Rettung". Die Schulden der Krisenlänger sind über Bankenrettungen explodiert. Sie hängen nun wie Junkies an der Geldspritze der EZB. Erhöht die Notenbank die Leitzinsen, müsste schnell wieder in den Rettungsmodus umgeschaltet werden. Das verdeutlicht zum Beispiel die Tatsache, dass der angebliche Musterschüler Portugal nun schon mehr als 130% der Wirtschaftsleistung an Staatsschulden angehäuft hat. Die würden ohne die EZB-Hilfe schnell so erdrückend wie die Schulden Griechenlands (Gutes Portugal gegen böses Griechenland?).

Mit Draghis Aufkäufen von Staatsanleihen, im Fachjargon "Quantitative Easing" (QE) genannt, wird auf die Methode der Geldschwemme fortgesetzt. Verfolgt wird damit auch weiter das Ziel, den Euro gezielt zu schwächen, um Exporte aus dem Euroraum zu verbilligen und eine schwächelnde Konjunktur zu stützen, die im Euroraum weiter nahezu stagniert. Auch deshalb nehmen es Draghi immer weniger Experten ab, dass die Euro-Schwächung nicht das Ziel der EZB-Geldpolitik ist. Blödsinn, meint auch die "Zeit". Sie zitiert Robert Brusca, Chef-Ökonom bei FAO Economics in New York: "Das ist die einzige Schiene, auf der QE in Europa überhaupt funktionieren kann."

Der Artikel hat den bezeichnenden Titel: "Amerika verliert den Währungskrieg". Denn für die US-Exportwirtschaft sei der starke Dollar gegenüber dem Euro und dem japanischen Yen ein Problem, weshalb eine "Vollbremsung" beim Wachstum drohe. Und auch die "Zeit" hat gemerkt, dass längst von "Singapur über Kanada bis Kirgisistan ein Wettrennen" läuft, wer schneller abwerten kann. Benannt wird aber nicht, dass inzwischen 14 Notenbanken reagiert und die Leitzinsen gesenkt haben, zum Teil sogar ins Minus. Leitzinsen gesenkt haben Russland, Indien und Australien, also drei Schwergewichte. Dazu kommen Pakistan, Peru, Türkei, Ägypten, Indonesien und Jordanien außerhalb Europas. Und innerhalb Europas versuchen nun auch die Schweden, Dänemark, die Schweiz und Rumänien ihre Währungen zu schwächen, nachdem der Wert des Euro gezielt nach unten gedrückt wurde.

Und so ist es kein Wunder, wenn auch die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) gerade titelte: "Ein nicht mehr so heimlicher Währungskrieg." Auch die NZZ stellt fest, dass die EZB längst in den Währungskrieg eingestiegen ist, und sie weist darauf hin, dass Schweden nun auch der EZB folgt und mit dem Ankauf von Staatsanleihen die Notenpresse anwirft, um die Krone zu schwächen. Die Zeitung macht auch deutlich, dass Schweden den Leitzins nun mit -0,1% in den negativen Bereich gedrückt hat. Sie stellt auch fest, dass Dänemark "innerhalb von weniger als drei Wochen viermal den Zinssatz für Termineinlagen reduziert" habe. Nun müssen Banken schon 0,5% Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der dänischen Notenbank parken.

Mit einem Leitzins von 0,05 ist Dänemark kurz davor, ebenfalls ins Minus zu gehen und damit das zu tun, was lange als "undenkbar" galt. Die Schweden folgen wiederum nur den Schweizern, denn die Schweizer Nationalbank (SNB) hat den Leitzins sogar schon länger ins Minus gedrückt (Währungskrisen: Auch der Schweizer Franken mit Negativ-Zins). Erwartet wird, dass auch die Dänen die Bindung an den Euro aufgeben und es der Schweiz gleichtun. Die hatte im Abwertungswettlauf derweil den Leitzins sogar auf -0,75% gedrückt. Damit soll der Geldstrom in den Schweizer Franken gestoppt werden, der deshalb wie die dänische Krone unter Aufwertungsdruck steht.

Realität wurde auch das zuvor Unvorstellbare. Denn die Schweiz hob im Januar auch die Bindung an den Euro gerade zu dem Zeitpunkt auf - für viele überraschend -, als am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg praktisch der Weg für Draghis Gelddruckprogramm freigemacht wurde. Die Aufhebung des Mindestkurses und die Leitzinssenkung traten genau am 22. Januar in Kraft. Das war der Tag, an dem die EZB das Ankaufprogramm beschlossen hat, wie allseits erwartet worden war.

Viele Experten halten die Schwächung der eigenen Währung als das letzte Mittel zur Stimulierung der eigenen Wirtschaft. Diese Politik funktioniert partiell so lange, wie andere Länder diesen Weg nicht mitgehen und man ihnen auf dem Weltmarkt über eine billige Währung Marktanteile nehmen kann. Nach Angaben von Eurostat ergab sich für den "Euroraum im Dezember 2014 ein Überschuss von 24,3 Milliarden Euro im Warenverkehr mit der restlichen Welt". Damit hat sich der Überschuss im Jahresvergleich durch die Schwächung des Euros fast verdoppelt. Für das Gesamtjahr 2014 wurde ein Überschuss von 194,8 Milliarden Euro ermittelt, gut 40 Milliarden mehr als im Vorjahr. Deutschland hat derweil einen neuen Rekord beim Exportüberschuss aufgestellt, der ebenfalls die Alarmglocken läuten lassen müsste, denn damit wird das Finanzsystem weiter destabilisiert.

Und was die Schwächung der eigenen Währung angeht, hatten die USA längst den Rückwärtsgang eingelegt. Die Notenbank FED hat die Anleihekäufe im vergangenen Oktober komplett eingestellt, nachdem sie Monat für Monat zurückgefahren worden waren. Doch die erwartete Leitzinserhöhung lässt auf sich warten, obwohl die Wirtschaft bisher deutlich wächst und die Arbeitslosigkeit sinkt. Doch das muss nicht so bleiben, denn wegen der EZB-Politik ist der Dollar stark und damit bringt die EZB die USA und die FED unter Druck.

"Ein Abwertungswettlauf schädigt alle"

Es ist längst klar, dass sich die gefährliche Abwertungsspirale immer schneller dreht. Steigen die USA wieder in diesen gefährlichen Wettlauf ein, weil ihre Wirtschaft in die Rezession zurückfällt, dürften die Ergebnisse fatal sein. In fast allen Artikeln zum Währungskrieg werden auch die 1930er Jahre und die Große Depression angesprochen. Auch der IW-Chef Hüther hatte schon "historische Erfahrungen" angesprochen: "Die Abwertungswettläufe zwischen den Weltkriegen waren der Sargnagel für die Weltwirtschaft!" Er machte deutlich, dass die strukturellen Probleme würden über einen Währungskrieg nicht gelöst werden: "Ein Abwertungswettlauf schädigt alle", mahnte er in einst erfolglos in Richtung EZB.

Und tatsächlich kann an der Notenbankpolitik in Japan verfolgt werden, dass die massive gezielte Schwächung der Währung bestenfalls kurzfristig eine Besserung bringt. Unter Premierminister Abe wurde ab 2012 ein als "Abenomics" bekanntes Wirtschaftsprogramm gestartet, die Notenbank kaufte in großem Stil japanische Staatsanleihen auf. Nach einem zum Teil kräftigen Wachstum, auch über Exporte angeschoben, fiel die Wirtschaft aber schon im vergangenen Herbst wieder in die Rezession zurück. Dass über die Geldpolitik der Yen gezielt geschwächt wird, daraus machte Japan nie ein Geheimnis (Die Zeichen stehen auf Währungskrieg).

Japan ist aber das klarste Beispiel dafür, dass diese Politik nicht zur Deflationsbekämpfung taugt. Japan kämpft mit dem Problem seit den 1990er Jahren, als im Reich der aufgehenden Sonne eine Immobilienblase fatal platzte. Und auch immer neue staatliche Konjunkturprogramme, über die Notenpresse finanziert, haben die Probleme des Landes nicht gelöst, jedoch die Staatsverschuldung auf 250% der jährlichen Wirtschaftsleistung katapultiert. Dagegen ist sogar Griechenland weiter ein Stiefkind.

Was jetzt also beim Euro und im Euroraum passiert, konnten wir längst am Yen und nicht zuletzt am Dollar erleben. Man müsste sich nicht wundern, wenn es angesichts der platzenden Energieblase in den USA und des starken Dollar zu einer ähnlichen Situation wie in Japan kommt und auch die USA wieder zurück in die Rezession fallen. Steigt dann die USA wieder so richtig in den Währungskrieg als Reaktion auf die EZB-Politik ein, um die eigenen Exporte über die Abwertung des Dollar anzuschieben, beginnt die nächste, noch gefährlichere Runde im gefährlichen Abwertungswettlauf.