In der EU wächst die Ungeduld mit der Ukraine

Wegen des Kriegs sackt die Wirtschaft weiter ab, Oligarcheneinfluss und Milizen machen die Ukraine instabil

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Gestern berichtete die Katastrophenbehörde der Ukraine, dass das Feuer in der Zone um das AKW Tschernobyl gelöscht und alles unter Kontrolle sei. In einer Entfernung von 20 km vom havarierten AKW war das Waldfeuer am Dienstag ausgebrochen. Es sei das größte seit 1992 gewesen, auf 320 Hektar soll das Feuer gewütet haben. Die ukrainische Regierung schließt Brandstiftung nicht aus. Es gebe aber keine erhöhte radioaktive Belastung, erklärt die ukrainische Regierung, obgleich die Wälder um Tschernobyl noch immer hoch belastet sind.

Die Nationalgarde und die Einsatztruppen des Innenministeriums patrouillieren nun in den Wäldern. Innenminister Awakow sagt, es gebe einen begründeten Verdacht auf einen Brandanschlag, da es Brände auf beiden Seiten des Flusses gegeben habe.

Immerhin wurden auf der Geberkonferenz in London fast die Gelder zusammengebracht, die notwendig sind, um die Schutzhülle für den explodierten Reaktor in Tschernobyl weiter zu bauen. Der Sarkophag, der in 2 Jahren über den Reaktor geschoben werden soll und an der seit 2010 gearbeitet wird, soll insgesamt mehr als 2 Milliarden Euro kosten, ursprünglich waren 1,5 Milliarden geplant gewesen. Die nach der Katastrophe gebaute Betonhülle bröselt, es besteht die Gefahr, dass wieder Radioaktivität freigesetzt wird. Von den jetzt noch als notwendig veranschlagten 615 Millionen Euro wurden 530 Millionen zugesagt. Wie bei allen Großbauprojekten wird es immer teurer. Die G7-Länder haben 95 Millionen zugesagt, 15 Millionen kommen von anderen Ländern, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) beteiligt sich mit 350 Millionen Euro. Die EU hat bislang 600 Millionen Euro beigetragen. Die EU hat allerdings auf dem EU-Ukraine-Gipfel zugesagt, die restlichen 70 Millionen beizusteuern.

Wenn der Sarkophag den Reaktor eingeschlossen hat, sollen die verstrahlten Teile des Reaktors abgetragen und gelagert werden. Allerdings gibt es erst ein Lager für schwach verstrahlte Materialien. Das dürfte dennoch benutzt werden, womöglich wird die Ukraine den Versuch machen, um Einnahmen zu erzielen, radioaktiven Abfall von AKWs aus dem Ausland auch dort einzulagern. Japan hatte schon mal überlegt, den Fukushima-Abfall in der Ukraine zu lagern, schließlich gibt es in Japan wie in vielen Ländern noch kein Endlager.

Der ukrainische Präsident auf dem EU-Ukraine-Gipfel

Auf dem EU-Ukraine-Gipfel wird die Ukraine gedrängt, die Reformen fortzusetzen. Es geht gewissermaßen um Reformen gegen weiteres Geld, was auch EU-Präsident Tusk deutlich machte, sehr viel stärker aber der Präsident der EU-Kommision Juncker: "Sie reformieren weiter, dann werden wir weiter unterstützen." Zwar wird die russische Aggression nach wie vor verurteilt, aber man drängt auch darauf, dass das Minsker Abkommen umgesetzt wird und die trilateralen Gespräche fortgesetzt werden, die von der ukrainischen Regierung vermieden werden. Man will weiter gegen die russische Propaganda, die "Desinformationskampagnen", vorgehen.

Die Weltbank gibt indessen erst einmal trübe Aussichten für die Ukraine. Erwartet wird, dass die Wirtschaft 2015 vor allem wegen des Konflikts in der Ostukraine um 7,5 Prozent schrumpfen wird, 2014 war sie bereits um 6,8 Prozent zurückgegangen. 2015 wird eine Inflation von 40 Prozent erwartet. 2016 könnte es ein Wirtschaftswachstum geben, Bedingung sei aber ein Ende des Konflikts, aber notwendig seien auch noch ausstehende Reformen, die in dem weiterhin von Oligarchen und deren Konkurrenz beherrschten Land schwer vorankommen. Seit1 1992 hat die Weltbank der Ukraine Kredite in Höhe von 9 Milliarden US-Dollar gewährt, 3 Milliarden im letzten Jahr. 2015 wurden weitere 2 Milliarden versprochen.

Mindestens 2 Milliarden US-Dollar soll der Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten Teile des Donbass kosten. Sollte der Krieg weitergehen, wird die Ukraine für die Aufrüstung oder den Bau der Mauer an den Grenzen zu Russland und den "Volksrepubliken" weiteres Geld benötigen, während eben der Krieg nicht dazu beitragen wird, Investoren zu finden, die dringend benötigt werden. Der ukrainische Regierungschef rief denn auch verzweifelt dazu auf, dass jetzt die Zeit sei, in die Ukraine zu investieren, während er gleichzeitig der EU vorwarf, Griechenland, das nicht von russischen Panzern bedroht sei, mit 300 Milliarden US-Dollar unterstützt zu haben, während die Ukraine von internationalen Geldgebern gerade einmal 30 Milliarden erhalten habe. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn entgegnete jedoch, dass sie EU schon mehr getan habe, als sie jemals für ein Nichtmitgliedsland getan habe.

Zu den Problemen der Ukraine gehört auch, dass es weiter Schwierigkeiten gibt, die Milizen, die während der Maidan-Proteste entstanden sind und mit dem Krieg gegen den Donbass, tituliert als "Antiterroroperation", gestärkt wurden, weil die Streitkräfte zu schwach und unentschlossen waren. Die Versuche, die privat finanzierten Milizen in die Nationalgarde und die Streitkräfte zu integrieren, scheinen aber weiter auf Schwierigkeiten zu stoßen, zumal als gemäß dem Minsker Abkommen die Milizen aus dem Kampfgebiet abgezogen und überhaupt aufgelöst werden müssen, wenn sie nicht als Teile der Streitkräfte legalisiert werden. Milizenführer waren bereits in die Parteien der jetzigen Koalitionsregierung aufgenommen worden.

Bild: Rechter Sektor

Vor allem der Rechte Sektor unter der Führung von Jarosch, mittlerweile unabhängiger Abgeordneter in der Rada, besteht weiter auf Unabhängigkeit. Zwar wurde zur Legalisierung Jarosch zum Berater des Generalstabs ernannt, aber er weigert sich, die Integration der Milizen in die Streitkräfte voranzutreiben und das Kommando aufzugeben. Seine Mindestforderung ist nun, dass die Milizen des Rechten Sektors Einheiten bleiben und nicht in die Streitkräfte aufgehen sollen. Jarosch will also das Kommando über seine rechtsnationalistischen Truppen behalten, um weiterhin in einer starken Position zu sein und das staatliche Gewaltmonopol aushebeln zu können. Der Sprecher des Rechten Sektors, Artem Skoropadskiy, sagte, man werde sich nicht entwaffnen lassen, weil man sie Kampf gewonnen habe. Der Milizenstützpunkt in Dnipropetrovsk wurde von Soldaten umstellt, um eine Entscheidung zu erzwingen.

So lange Kiew den Einfluss der Oligarchen nicht abschalten kann, was mit einem Oligarchen als Präsidenten schwierig ist, und nicht das Gewaltmonopol ausübt, wird die Ukraine nicht zur Ruhe kommen. Wenn dazu die zumindest vorübergehende Autonomie der "Volksrepubliken" weiter verhindert und eine Versöhnungspolitik im Land blockiert werden sollte, wird es nicht nur Unruhen im Donbass, sondern auch im Rest der Ostukraine, Terroranschläge inklusive, geben. Kein Klima für Investitionen jedenfalls, allenfalls dafür, dass die Ukrainer nicht nur im eigenen Land oder nach Russland fliehen, sondern vermehrt auch in die EU drängen. Das würde ziemlich schnell die Stimmung in der EU zum Kippen bringen. Präsident Poroschenko stellte die Ukraine als das Land dar, das für Investitionen am vielversprechendsten sei