Grüne Lügen?

Friedrich Schmidt-Bleek über die umweltschädigenden Auswirkungen der Energiewende

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Friedrich Schmidt-Bleek meint, dass das Ökosystem der Erde zu komplex für unser Wirtschaftssystem ist und dass die Umweltpolitik nur die drängendsten Brandherde löscht, anstatt ihre Entstehung zu bekämpfen. Telepolis führte befragte den Doyen und Kritiker des deutschen Umweltschutzes über sein neues Buch Grüne Lügen.

Herr Schmidt-Bleek, in ihrem Buch schreiben Sie, dass die von der Politik propagierte Energiewende die gegenwärtigen Umweltprobleme nicht nur nicht löst, sondern sogar noch verschärft. Wie das?

Friedrich Schmidt-Bleek: Die Energiewende führt nicht zur ökologischen Nachhaltigkeit, weil sie nur einen Teil des Klimawandels betrifft, weil sie nur eines einer Reihe von wesentlichen Umweltprobleme zu lösen sucht und weil die vorgesehenen technischen Maßnahmen zu einer Erhöhung der Ressourcenintensität der Wirtschaft führt, anstatt sie zehnfach abzusenken, was ja Voraussetzung für ökologische Stabilität ist.

Bedeutet das: Weder E- noch Hybridautos, weder Photovoltatikanlagen noch Öko-Siegel sind in ihren ökologischen Auswirkungen umweltfreundlich?

Friedrich Schmidt-Bleek: Genau. Weder das E- Auto noch das Hybridauto senken die Materialintensität für den gefahrenen Kilometer. Das Hybridauto verdoppelt sie sogar nahezu, verglichen mit einem Benziner vergleichbarer Größe. Die Messlatte "CO2-Fußabdruck" ist aus mehreren Gründen kein generell gültiger Indikator für ökologische Qualität von Dingen, weil die Umweltgefährlichkeit vieler Produkte mit der Emission von CO2 nur wenig oder gar nichts zu tun hat.

Das gilt zum Beispiel für Kernkraftwerke. Außerdem ist CO2 nur eine von vielen gefährlichen Emissionen. Denken Sie an die Ozonkiller FCKW. Hingehen ist der von mir entwickelte "Materielle Fußabdruck" ein weltweit für alle Güter, Dienstleistungen und Handlungen richtungssichere und berechenbare Abschätzung ihrer Umweltverträglichkeit.

Friedrich Schmidt-Bleek. Foto: Dorle Riechert

Welche Punkt an unserem gegenwärtigem Konzept von Umweltschutz kritisieren Sie am meistem?

Friedrich Schmidt-Bleek: Das Grundübel unseres Umweltschutz es ist noch immer, dass einzelne Probleme isoliert und nacheinander angegangen werden und immer erst dann, wenn die Politik zustimmt, dass das Kind im Brunnen liegt. Denken Sie an den Klimawandel, der schon vor über 100 Jahren vorhergesagt wurde. Richtig wäre, die ökologische Ursünde der heutigen Wirtschaft aus der Welt zu schaffen, um Probleme mit der Umwelt von vorn herein zu vermeiden. Nur so ist Nachhaltigkeit erreichbar. Seit 25 Jahre fordere ich deshalb die radikale Dematerialisierung der Wirtschaft, die Ressourcenwende. Längst ist bewiesen, dass die Lebensqualität hierbei keinen Schaden nehmen müsste.

Welche weiteren gravierenden Umweltprobleme gibt es neben dem Klimawandel?

Friedrich Schmidt-Bleek: Weitere gravierende Umweltprobleme sind unter anderem die Erosion von Mutterböden durch Wind und Niederschläge, insbesondere bei großtechnischer Nutzung der Böden; die wachsende Wasser-Knappheit durch Übernutzung; die Ansammlung von Plastik im Pazifik; und die weltweit knappgewordene Verfügbarkeit von Fischen und Bausand. Bausand ist schon heute eines der weltweit größten Schmuggelgüter.

Warum werden nur vereinzelte Umweltprobleme in den Focus der Öffentlichkeit gerückt?

Friedrich Schmidt-Bleek: Fragen Sie am besten Frau Merkel. Ich vermute, das liegt wesentlich daran, dass man sich bei der nachsorgenden Bereinigung einzelner Probleme schon genügend Ärger mit der Industrie einhandelt. Siehe Energiewende. Die Ressourcenwende aber erfordert eine grundsätzliche Anpassung der Wirtschaft an die Gesetze der Natur. Kein Wunder, wenn Politiker und Wirtschaftsvertreter dies fürchten wie der Teufel das Weihwasser.

In Ihrem Buch entwickeln Sie das Konzept des "ökologischen Rucksacks" als eine den Umweltproblemen adäquateren Bemessungsmethode als etwa die Zählung des Kohlendioxidausstoßes. Können Sie das kurz erklären? Worin sehen Sie den besonderen Vorteil dieses Konzepts?

Friedrich Schmidt-Bleek: Der ökologische Rucksack ist die bildhafte Darstellung der Ressourcenintensität von Gütern und Dienstleistungen, das heißt die Menge an Material, Energie, und Wasser, die für eine bestimmte Leistung verbraucht werden. Zum Beispiel für einen Urlaubstag, die Reinigung von 5 Kg Wäsche, oder für einen Kilometer Fahrt mit dem Auto , Bus oder Fahrrad.

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