Spaghettimonster-Klage geht nach hinten los

Bund für Geistesfreiheit muss möglicherweise für eine weitere Räumlichkeit Rundfunkbeitrag zahlen

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Heute Vormittag wehte durch das Münchner Verwaltungsgericht in der Bayerstraße 30 ein Hauch von Königlich Bayerischem Amtsgericht. Genauer gesagt: ein Hauch aus der Episode Der Atheist. Zeitlich lag man zwar gute hundert Jahre über der "guten alten Zeit vor anno '14", aber inhaltlich konnte die Groteske durchaus mit den Drehbüchern von Georg Lohmeier mithalten.

Es ging nämlich darum, ob der Schwabinger Diplom-Designer Michael Wladarsch für seinen Betrieb in der Georgenstraße noch einen Rundfunkbeitrag zahlen muss, wenn dieser mittels einer Spülbürste und Nudelwasser zu einem Sakralraum der Kirche vom Fliegenden Spaghettimonster geweiht wurde. Diese Weihe hatte der Münchner Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit (BfG) vornehmen lassen, nachdem man ihm beim Bayerischen Rundfunk mitgeteilt hatte, für seine atheistische Körperschaft des Öffentlichen Rechts gelte die Betriebsstättenbefreiung aus § 5 Absatz 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages nicht, weil die dort gemeinten Räume "gottesdienstlichen Zwecken gewidmet" sein müssten. Nachdem der BR trotzdem Geld sehen wollte, klagte Wladarsch.

Diese Klage ging heute jedoch nach hinten los: Die geschickt fragende Anwältin des BR, die teilweise reinen Dialekt sprach ("Ham Sie scho amoi a Kiacha g'seng, wo koa Pfara voan schded?"), folgerte nämlich aus den Äußerungen des Designers zum Aufbau seines Büros (in dem ein auch vom Treppenhaus zugänglicher Kellerraum vor allem Ausstellungen, Feiern, Diskussionen und anderen Veranstaltungen des Bundes für Geistesfreiheit dient), dass es sich hier möglicherweise nicht nur um eine, sondern um zwei Betriebsstätten handelt - für die dann zweimal der Rundfunkbeitrag gezahlt werden müsste. Die Vorsitzende Richterin (die ein dezentes Hochdeutsch mit Münchner Färbung sprach) ließ in der Verhandlung erkennen, dass sie geneigt ist, dieser Argumentation zu folgen.

Ihr Kollege, der seiner Sprechweise nach aus dem Territorium des ehemaligen Preußen stammt, versuchte Wladarsch eine Festlegung zu entlocken: Soll seine Spaghettimonsterweihe ein Spaß, ein "Trietzen" des BR, eine "Denksportaufgabe" für Juristen sein - oder glaubt er wirklich daran? Und wenn er daran glaubt, ist das dann nicht ein Verstoß gegen die Satzung seines atheistischen BfG? Dem Grafiker gelang es nur bedingt, sich aus dieser Zwickmühle herauszuwinden, obwohl er glaubhaft versicherte, auch BfG-Mitglieder dürften sich unter hunderttausenden Göttern eine Lieblingsgottheit heraussuchen.

Fliegendes Spaghettimonster in Plüsch. Foto: Nadine. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Letztlich kam es den Richtern aber gar nicht so sehr auf diese Frage an (die sie vielleicht auch ein bisschen persönlich interessierte). Für sie war klar, dass die Befreiungsregelung in § 5 Absatz 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages eng auszulegen ist und dass sie deshalb nur für Kirchen, Synagogen, Moscheen und vergleichbare Stätten gelten kann - aber weder für Büros noch für Pfarrheime oder Veranstaltungsräume. Dem Einwand, dass auch in Kirchen, Synagogen und Moscheen für Geld gearbeitet wird, entgegnete die Vorsitzende Richterin, dass Pfarrer, Rabbis, Imame und Kirchenmusiker nur für die Gottesdienstleistung bezahlt würden. Für eine Befreiung müsse eine Räumlichkeit in jedem Fall ganz oder fast ausschließlich zum Gottesdienst genutzt werden - lediglich ein paar Konzerte oder Diskussionen, wie sie manchmal in Kirchen stattfinden, kämen hier als Nutzungsausnahme in Frage.

Außerdem machten die Richter deutlich, dass sie sich für die falsche Instanz für das eigentliche Anliegen des Klägers halten. Dem gehe es nämlich offensichtlich um die Bevorzugung der Religionen im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, den der Landtag aber nun einmal so genehmigt habe und an dem Verwaltungsrichter nichts ändern könnten. Sie legten dem Kläger deshalb eine Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof nahe.

Die Erfolgsaussichten dort sind allerdings insofern gering, als dieses Gericht die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages bereits am 14 Mai 2014 bestätigt hat (Az. Vf. 8-VII-22, Vf. 24 VII-12). Wladarschs Anwältin (mit sanft pfälzischem Akzent) will deshalb wahrscheinlich Nichtzulassungsbeschwerde einlegen und dann durch die Instanzen zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Gerichtshof klagen, schließt aber auch eine weitere Popularklage nicht kategorisch aus.

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