Kleine Geschenke unter Partnern

Findet die aktuelle Annäherung zwischen Deutschland und Russland über der Leiche Griechenlands statt?

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So schnell kann sich der Wind drehen in den Niederungen kapitalistischer Geo- und Machtpolitik: Gestern noch galt Russlands Präsident Putin der veröffentlichten Meinung Deutschlands als die Reinkarnation des Leibhaftigen, so steigt jetzzt der ehemals verteufelte "Schurkenstaatsdiktator" zu einem gefragten "Partner" auf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte am Samstag, dass die Bundesregierung nun zu einer Zusammenarbeit mit Russland im Syrien-Konflikt bereit sei. Zur Beilegung des nicht enden wollenden Bürgerkrieges sei "die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch die Zusammenarbeit mit Russland" von Nöten, da es ansonsten "keine Lösung geben" werde, betonte Merkel, kurz bevor Außenminister Steinmeier sich mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Berlin traf, um die Krise in der Ukraine zu diskutieren.

Zuvor hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gegenüber dem Spiegel erklärt, dass sie die Beteiligung Russlands am Kampf gegen den "Islamischen Staat" begrüßen würde: "Es ist in unserem gemeinsamen Interesse, dass alle zusammen den IS bekämpfen. Wenn es Russland darum geht, treffen sich unsere Interessen."

Damit akzeptiert Berlin überraschend schnell den rasch voranschreitenden Aufbau der militärischen Präsenz Russlands in Syrien, die insbesondere in den USA massiv kritisiert wird. Am Freitag - also einen Tag vor dem Kooperationsangebot Merkels an den Kreml - erklärte US-Präsident Barack Obama, dass die russischen Aktionen "die Vereinigten Staaten und andere Mitglieder der US-Koalition davon abhalten könnten, eine politische Lösung in Syrien zu finden", wie Voice of America berichtete. Auch die New York Times sprach in einem Leitartikel davon, dass die Hoffnungen auf eine Beilegung des Konflikts in Syrien durch das verstärkte russische Engagement einen Dämpfer erhalten hätten.

Damit ist es offensichtlich, dass sich Berlin in seiner Politik gegenüber Russland zunehmend von Washington absetzt. Während der transatlantische "Partner" die verstärkte Präsenz Russlands in Syrien heftig kritisiert und nicht als hilfreich betrachtet, sieht Berlin gerade Russland als unverzichtbar bei der Lösung der Konflikts. Die russophilen "Deutsche Wirtschafts Nachrichten" jubelten gar über einen vermeintlichen "Ausbruch" der BRD aus der "US-Allianz gegen Russland".

Alexis Tsipras beim Treffen mit Wladimir Putin im April 2015, bei dem es um einen Milliardenkredit ging. Bild: Kreml

Diese nun offensichtlich rasch voranschreitende Normalisierung der Beziehungen zwischen Berlin und Moskau, die noch vor einem Jahr als "dauerhaft geschädigt" galten, ging - wie in solchen Kurswechseln üblich - eine Reihe von Initiativen und angeblichen "Tabubrüchen" aus der "zweiten Reihe" der Politprominenz voraus. Der deutsche Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher sprach sich Ende August für einen "Neuanfang" mit Russlands Präsident Putin aus, den er als "durchaus pragmatisch" bezeichnete.

Die Grundlage dieser politischen Annäherung bilden - wie so oft im Kapitalismus - die erneut aufblühenden Geschäfte zwischen den "Partnern". Nirgends wird die wirtschaftliche (Wieder-) Annäherung zwischen Deutschland und Russland eifersüchtiger beobachtet als in der veröffentlichten Meinung der Vereinigten Staaten, des im Abstieg befindlichen Welthegemons, dessen geopolitische Strategie gerade auf die Verhinderung eines einheitlichen eurasischen Machtblocks unter Einbeziehung der BRD abzielt. Die von Washington zielstrebig beförderte Eskalation der Krise in der Ukraine (Endgame um die Ukraine?) sollte nicht zuletzt einen nicht mehr überwindbaren Keil zwischen Berlin und Moskau treiben.