Spanien will katalanische Parlamentsdebatte verbieten

Madrid droht wegen der Einleitung des Prozesses in Richtung Unabhängigkeit mit Suspendierung der Autonomie und Guardia Civil

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Der Showdown in Katalonien ist nun auf Montag verschoben, denn das spanische Verfassungsgericht (TC) hat sich nicht dazu hinreißen lassen, sogar eine Debatte im katalanischen Parlament zu verbieten. Ein solches Vorhaben klingt absurd und auch das erinnert eher an die Zeiten der Franco-Diktatur. Doch genau das hatten die beiden großen spanischen Parteien und der rechte Newcomer Ciudadanos (Bürger) beim höchsten Gericht des Landes beantragt. Mit der in Madrid regierende Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatten auch die Ciudadanos und die oppositionellen Sozialisten (PSOE) das höchste Gericht angerufen, um die am Montag geplante katalanische Parlamentssitzung und Abstimmung zu verbieten.

Bis zum Donnerstagnachmittag war unklar, ob sich das TC tatsächlich auch zu diesem Schritt hinreißen lässt. Denn bisweilen verstößt das Gericht gegen die Verfassung, die es schützen soll, oder gegen internationale Rechtsnormen, wenn es die großen Parteien und die Staatsräson fordern. Das zeigte sich beim illegalen Verbot von Zeitungen, Folter, illegale Verlängerung von Haftstrafen oder Zwangsräumungen. Immer wieder müssen der Europäische Gerichtshof in Luxemburg oder der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg einschreiten, um massive Verstöße gegen zentrale Rechtsgrundsätze zurechtzurücken, die das spanische Verfassungsgericht abgenickt hat.

Es dürfte die massive internationale Kritik der letzten Jahre gewesen sein, die die TC-Richter nun einstimmig davon abhielt, sogar präventiv eine Debatte im Parlament und die geplante Abstimmung zu verbieten, nur weil über etwas gesprochen und abgestimmt werden soll, was spanischen Nationalisten den Schlaf raubt. Doch beim Gericht, das von Richtern dominiert wird, die von der konservativen PP entsandt wurden, versuchte man nun den Mittelweg. Zunächst wurde der Antrag der drei Parteien am Donnerstagmorgen angenom,men, aber das geforderte Verbot als "vorsorgliche Maßnahme" wurde am Nachmittag abgelehnt.

Noch im vergangenen Herbst hatten genau diese Richter noch ganz anders entschieden und sogar eine unverbindliche Volksbefragung "vorsorglich" verboten. Auch das geschah auf Antrag der Regierung und der PSOE in Rekordzeit binnen zwei Tagen. Doch die Befragung wurde trotzdem durchgeführt, es nahmen 2,3 Millionen Menschen teil, von denen sich 81% für die Unabhängigkeit von Spanien ausgesprochen haben (81% für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien). Auch das dürfte deutlich dazu beigetragen haben, dass die Richter die Parlamentsdebatte nicht verboten haben. Denn das Parlament hatte schon angekündigt, man werde sich nicht den Mund verbieten lassen.

Bei dem Verbot hätte schon am Montag die massive Zuspitzung angestanden. Denn spanische Sicherheitskräfte hätten ausrücken müssen, um das Parlament zu stürmen, um das Verbot umzusetzen, damit eine demokratische Debatte der gewählten Vertreter nicht stattfinden kann. Das macht sich in einem Staat, der sich demokratisch gibt, nicht sonderlich gut. Das hat auch der rechte Innenminister Jorge Fernández Díaz verstanden. "Wir sind nicht so dumm, wie sie glauben", sagte er mit Blick auf die Unabhängigkeitsbewegung. Er kündigte an, "angemessen" zu handeln und die juristischen und "operativen Mittel zur Durchsetzung der Rechtsvorschriften einsetzen", die nötig seien.

Damit nahm er selbst seine Aussage zum Teil wieder zurück und drohte dann doch mit dem Einsatz der Sicherheitskräfte, die einsatzbereit seien. Allerdings haben ihm die Verfassungsrichter zunächst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Massive Schritte drohte Díaz allerdings an, wenn der "Prozess zur Schaffung eines unabhängigen katalanischen Staats in Form einer Republik" am Montag wie geplant eingeleitet wird. Der "Unabhängigkeitsantrag" wird an diesem Tag im Parlament debattiert und verabschiedet. Und damit wird der Wählerwille umgesetzt, denn genau für den Weg haben sich die Bewohner in Katalonien bei den plebiszitären Wahlen Ende September ausgesprochen.