Das Pentagon setzt auf die Mensch-Maschine-Kooperation

Pilotenhelm für den F-35 Lightning II. Bild: defensie.nl

Im Wettrüsten gegen Russland und China wurde eine technisch fundierte "Offset-Strategie" entwickelt

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Das Pentagon schaltet endgültig von der Antiterrorbekämpfung, also vom Krieg gegen den Terror, auf ein altes Bedrohungsszenario um, in dem der alte Gegner aus den Tagen des Kalten Kriegs zur größten Bedrohung der Weltordnung erklärt wird. US-Verteidigungsminister Ash Carter hatte die Neuorientierung, die aber für ihn selbst in den Kalten Krieg und die damals von Reagan als "Reich des Bösen" dämonisierte Sowjetunion zurückreicht, in einer Rede über die strategische und operative Innovation in der Reagan Foundation vorgestellt und dort vor allem Russland, aber auch die aufstrebende Militärmacht China, als die größten Gefährder der von den USA verteidigten "Weltordnung" bezeichnet ("Sicherheit ist wie Sauerstoff").

Der stellvertretende Verteidigungsminister Bob Work spricht über die "Offset-Strategie" des Pentagon. Bild: DoD

Carter kündigte an, dass die USA gegen die neuen oder alten Bedrohungen durch Staaten, auch wenn sie einen hybriden Krieg führen, aufrüsten müssten. Er sprach von der Modernisierung der Atomwaffen, unbemannten Systemen und neuen Waffen. In seiner Rede zur selben Gelegenheit führte der stellvertretende Verteidigungsminister Bob Work aus, wie man sich die Innovation im Pentagon vorstellt. Primär steht dabei die Forcierung der Kooperation von Mensch und Maschine. Das soll dem US-Militär einen technischen Vorsprung vor den anderen Mächten geben. Man will, so führte Work aus, die Zusammenarbeit von Mensch bzw. Soldat und Maschine so gestalten, dass "die Maschinen den Menschen hilft, bessere Entscheidungen und diese schneller zu treffen". Schon im "globalen Antiterrorismusnetzwerk" würden Menschen, Drohnen, Computer und Spezialeinheiten kooperieren.

Das ist für Work eine der entscheidenden Aspekte der Erneuerung, die er eine "Offset-Strategie" nennt. Mit dieser soll die militärische Überlegenheit der USA gesichert und mögliche Gegner - also allen voran Russland und China - abgeschreckt und abgehängt werden. Das dritte Offset sei "auf die fortgeschrittenen Fähigkeiten konzentriert, die Russland und China einsetzen können. Der ganze Zweck besteht darin, sie zu überzeugen, mit uns niemals konventionell zu kämpfen zu versuchen." Man könnte auch sagen, der Zweck besteht darin, die Politiker zu überzeugen, weiter viel Geld in Militärtechnik zu stecken.

Die drei "Offset-Strategien"

In den 1950 Jahren habe es das erste Offset mit der Einführung taktischer Nuklearwaffen gegeben, die auch in einem konventionellen Krieg hätten eingesetzt werden können. Das zweite hätte es in den 1970er Jahren gegeben, als die Sowjetunion und die USA zu einem strategischen Gleichgewicht gefunden haben. Die USA hätten daraufhin die Präzisionswaffen entwickelt, die fast nie daneben treffen (near-zero miss). Offset soll auch vom Begriff die Epoche der asymmetrischen Kriege oder der Kriege gegen den Terror abschließen, die gewissermaßen nur eine Unterbrechung darstellte, und ist auf die Auseinandersetzung mit Großmächten und ihren großen militärischen Apparaten gemünzt. Damit gibt es nicht nur bei den Feinden einen Anschluss zur Zeit des Kalten Kriegs und des zwischenstaatlichen Wettrüstens.

Man habe für die dritte Offset-Strategie schon seit einem Jahr Gelder im Hinblick auf die Mensch-Maschine-Kooperation und die Teambildung im Kampf investiert. Irgendwie ist die militärische Logik kompliziert, denn diese Ausrichtung beruhe auf fünf Grundlagenprogrammen. Das eine konzentriere sich auf den konventionellen Kampf gegen Großmächte, die über ebenso viele Präzisionswaffen verfügen und einen Vorteil auf eigenem Territorium haben.

Das zweite basiere darauf, dass man sich gerade auf der Schwelle zur Künstlichen Intelligenz und Autonomie befinde. Lernende Maschinen, die mit Lichtgeschwindigkeit arbeiten, würden einen "Offset-Vorteil" etwa bei einem Cyber-Angriff, bei Angriffen im Weltraum oder mit Raketen bieten, die mit Mach-6-Geschwindigkeit fliegen. Man wolle die Mensch-Maschine-Zusammenarbeit, beginnend mit dem Supercomputer Deep Blue, der den damaligen Schachweltweltmeister Garry Kasparow besiegte, so gestalten, dass die Maschinen den Menschen bei Entscheidungen helfen können.

Als Beispiel führte er die Zusammenarbeit eines Piloten eines F-35 Joint Strike Fighter mit dem Kampfflugzeug an, der eigentlich ein fliegender Computer sei. Er "saugt enorme Datenmengen ein, verbindet und analysiert sie und stellt sie dem Piloten in seinem Helm dar". Die neuen Techniken würden auch von einem denkenden Gegner ausgehen, der ständig seine Strategien verändert. Zwar könne eine F-16 schneller fliegen, aber der F-35 Joint Strike Fighter sei eben überlegen, weil er dem Menschen besser bei Entscheidungen hilft.

Als drittes Standbein werden maschinengestützte menschliche Operationen genannt. Ganz klar ist nicht, was hier der Unterschied zur Zusammenarbeit sein soll. Work spricht von "wearable electronics" und "Kampf-Apps", die den Soldaten in jeder Situation helfen sollen. Das vierte Programm fokussiert auf die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine im Kampf (combat teaming), was aber wiederum nur eine Version der Zusammenarbeit wäre. Und schließlich setzt man auf "autonome Waffensysteme", auf die letztlich alles zulaufen dürfte. Die "Vision" scheint darin zu bestehen, die Entwicklungen aus den fünf Programmen in einem Netzwerk zu vereinen, "in dem alles mit Lichtgeschwindigkeit lernt". Das sei der "Aufklärungs- und Kampfkomplex des 21. Jahrhunderts", für dessen Umsetzung man aber Zeit benötige.

Die militärische Vision

Work meint aber auch, dass die technischen Entwicklungen der dritten Offset-Strategie, eigentlich nichts anderes als das, was man bislang netzwerk-zentrierte Kampfführung nannte, auch ohne jeden Kampf den Gegner verändert. Die operativen und organisatorischen Konzepte, die mit der technischen Aufrüstung verbunden seien, würden die Gegner, die eine "autoritäre Macht" darstellen, dazu zwingen, ihr Militär und ihre Gesellschaft anzupassen und zu verändern, "was es weniger wahrscheinlich macht, dass wir gegeneinander kämpfen".

Damit meint er wohl nicht ein neues "Gleichgewicht des Schreckens", sondern er scheint von einer der fortgeschrittenen Technik inhärenten Logik auszugehen, die autoritäre Systeme zersetzt. Das dürfte abwegig sein, schließlich haben autoritäre Systeme gezeigt, dass sie sehr wohl neue Techniken verwenden können, um sich an der Macht zu erhalten. Zudem warnt das Pentagon selbst fortwährend vor den sich entwickelnden technischen Fähigkeiten Russlands und Chinas, beispielsweise auch im Hinblick auf einen Cyberwar.

Noch jedenfalls setzt man im Pentagon nicht nur auf bessere KI und autonome Waffensysteme, sondern auch auf den militärisch-industriellen Komplex , die "industrielle Grundlage", und die "Contractors", sondern auch auf die "Menschen in Uniform" in einer "iCombat World". Während auf der einen Seite die Maschinen lernen sollen, um die Kampfkraft zu stärken, sollen die "jungen Offiziere" neue Ideen einbringen. Irgendwie setzt man damit nicht mehr auf Disziplin, sondern auf Kreativität, Selbstorganisation und das Aufweichen von Hierarchie, auf ein Zusammenwirken von Erfahrung und Neuansatz.

Die Formulierung, die Work in Anlehnung an Yann LeCun, den KI-Direktor von Facebook, wählt, ist vielsagend: Die Kreativität der alten Menschen basiere auf Informationen, die sie kennen, während die Kreativität der jungen Menschen auf Informationen basiere, die sie nicht kennen. Man wird sich zwar fragen, was Informationen sein können, die man nicht kennt. Er meint wahrscheinlich, dass die alten Menschen das Unbekannte aus dem Bekannten erschließen wollen, während die jungen Menschen mit wenig Erfahrung eher ins Unbekannte springen, also eine größere Risikobereitschaft und Neugier auch kognitiv mit sich bringen.

Man darf allerdings zweifeln, ob in einer Institution, die vor allem auf Hierarchie, Disziplin und Gehorsam basiert, kreatives Denken die Oberhand gewinnen wird, zumal das kreative Denken hier nur aus der archaischen Logik besteht, die Überlegenheit zu bewahren und die eigenen Interessen durchzusetzen. Aber womöglich könnte das Setzen auf Künstliche Intelligenz, lernende Maschinen und autonome Systeme auch eine Entwicklung weg von der biologischen Logik der Macht einleiten?

Vernünftig, auch im Selbstinteresse, könnte es tatsächlich sein, nicht nur mit Maschinen, sondern auch mit den Menschen anderer Gesellschaften zusammen zu arbeiten, um Probleme im Modus des "combat teaming" gemeinsam zu lösen, ohne in den Modus des Wettrüstens zu verfallen. Vielleicht lehren dies den Menschen nicht nur in autoritären Systemen die neuen smarten Programme, die viel mehr Informationen als Menschen für intelligente Entscheidungen verarbeiten können. Aber was heißt schon intelligent? Den anderen schlagen zu können?

Von Florian Rötzer gerade zum Thema Stadt erschienen: Smart Cities im Cyberwar.

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