Um den Schlaf gebracht

Schlaraffenland von Pieter Bruegel der Ältere. Bild: Stefan Kühn/gemeinfrei

Forschern zufolge begünstigte eine verkürzte Schlafdauer die Evolution des Menschen. Man könnte auch sagen: den Kapitalismus

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Es gibt ja viele Faktoren, die nach Ansicht von Wissenschaftlern dazu geführt haben, dass die Evolution die Spezies homo sapiens hervorgebracht hat: der aufrechte Gang in der Savanne, das Leben in Küstengebieten, die Neolithische Revolution und eine massive Proteinzufuhr. Nun haben Forscher der US-amerikanischen Duke University die Liste um einen weiteren Faktor ergänzt: eine verkürzte Schlafdauer.

Für ihre Studie, die im Dezember 2015 im Fachmagazin "Evolutionary Anthropology" erschien, haben die Anthropologen David Samson und Charles Nunn hunderte Säugetiere auf ihr Schlafverhalten hin untersucht, darunter 21 Primaten. Die Forscher widersprechen der gängigen These, dass das Schlafverhalten des Menschen demjenigen anderer Säugetiere ähnelt:

Wir behaupten insbesondere, dass Menschen in ihren Schlafmustern effizienter sind als andere Primaten, und dass der menschliche Schlaf kürzer und tiefer ist und größere Anteile an REM-Phasen aufweist als erwartet. Deshalb schlagen wir die Schlaf-Intensitäts-Hypothese vor: Die frühen Menschen unterlagen einem Selektionsdruck, ihr Schlafbedürfnis in der kürzest möglichen Zeit zu befriedigen.

David Samson und Charles Nunn

Samson und Nunn weisen darauf hin, dass eine verkürzte Schlafdauer die Gefahr verringert, von Fressfeinden attackiert zu werden. Darüber hinaus konnte die Zeitspanne der sozialen Interaktion vergrößert werden. Und: "Weniger Schlaf ermöglicht längere aktive Zeitspannen, in denen man sich neue Fähigkeiten und Wissen aneignen und weitergeben kann", so die Anthropologen.

Dem Menschen reichen durchschnittlich 7 Stunden Schlaf aus, um den Organismus zu regenerieren. Andere Primaten, wie etwa der Südliche Schweinsaffe (Macaca nemestrina) oder der Graue Mausmaki (Microcebus murinus) benötigen dafür 14 bis 17 Stunden Schlaf.

Schlafender Japanmakak. Bild: Reggaeman/CC-BY-SA-3.0

"Die Menschen haben Schlafquantität durch Schlafqualität ersetzt, lange bevor das grelle Licht der Smartphones aufkam"

Der menschliche Schlaf ist nicht nur kürzer, sondern auch effektiver: Während des Schlafens befindet sich der Mensch zu fast 25 Prozent in REM-Phasen, während es bei Primaten nur um die 5 Prozent sind. REM-Phasen (Rapid Eye Movement) treten unter den Lebewesen einzig bei Säugetieren auf und sind unter anderem für die Verarbeitung von Lernprozessen wichtig. Zudem dienen sie der Erholung des Körpers: Aus Studien weiß man, dass beispielsweise Ratten sterben, wenn man sie über drei Wochen vollständig den REM-Phasen entzieht - dasselbe würde wohl auch mit anderen Säugetieren passieren.

Samson und Nunn betonen, dass die verkürzte Schlafdauer des Menschen nicht daraus resultiert, dass wir rund um die Uhr künstlichem Licht ausgesetzt sind - wie etwa Straßenlaternen oder Computerbildschirmen. Bei indigenen Gemeinschaften in Tansania, Namibia und Bolivien, die ohne Elektrizität leben, treten dieselben Schlafmuster auf, wie eine andere aktuelle Studie.

Die Menschen in indigenen Gemeinschaften schlafen also nicht mehr oder anders als Menschen in industrialisierten Gesellschaften. Die "Menschen haben Schlafquantität durch Schlafqualität ersetzt, lange bevor das grelle Licht der Smartphones aufkam", heißt es in der Pressemitteilung der Duke University.

Ein Faktor für die verkürzte Schlafdauer könnte sein, dass die frühen Menschen irgendwann nicht auf den Bäumen, sondern - wie wir heutzutage - in der Nähe des Erdbodens schliefen: Dort hätten sich die frühen Menschen in der Nähe des Feuers und in größeren Gruppen gebettet, um Wärme und Schutz vor Fressfeinden zu suchen. Insofern sei es notwendig gewesen, so kurz wie möglich zu schlafen.