Je größer die Parkfläche in Städten, desto mehr Verkehr

Kfz-Stellflächen und Autopendelverkehr 1960-2000 in neun Städten (Albany, Arlington (Virginia), Berkeley, Cambridge, Hartford, Lowell, New Haven, Silver Spring, and Somerville). Bild: McCahill et al, "Effects of Parking Provision on Automobile Use in Cities: Inferring Causality", 2016

Nach einer Studie über US-Städte, die ein epidemiologisches Modell zugrundlegt, folgt auf die Schaffung von mehr Parkflächen mehr Pendlerverkehr - auch autonome Fahrzeuge könnten den Verkehr verstärken

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Noch sind autonome Fahrzeuge nicht massenhaft unterwegs auf den Straßen. Welche Folgen dies wirklich haben wird, ist noch Spekulation. Vermutlich wird der Besitz von Fahrzeugen dann weniger wichtig sein als die Verfügbarkeit, weswegen der Anteil von Miet- oder Tauschautos rasant steigen würde.

Dabei werden wohl die Klassenunterschiede zwischen der Benutzung von kleinen, leichten, weniger sicheren und billigen und großen, schweren, luxuriös ausgestatteten und teuren Autos weiterhin bestehen bleiben oder sogar noch wichtiger werden. Unklar bleibt auch, ob der Energieverbrauch und die Umwelt-, Luft- und Lärmbelastung insgesamt sinken werden, was abhängig ist von den Motoren und dem Fahrverhalten, aber natürlich auch von der Gestaltung der Verkehrsstruktur in den Städten.

Es könnte durchaus sein, dass ohne radikale Veränderung der Verkehrsinfrastruktur zu mehr öffentlichen Verkehrsmitteln, Gehen und Fahrradfahren die Zahl der Autos noch ansteigen könnte, wenn - sofern die Preise es zulassen - von Kindern über Kranken bis hin zu Senioren mehr Menschen autonome Fahrzeuge benutzen, als dies zuvor mit vom Menschen gesteuerten Fahrzeugen möglich war. Zudem würden die Parkplatznöte in den von Autos als mobiler und stationärer Architektur beherrschten öffentlichen Räumen zwar keineswegs behoben, aber die Nutzer würden keine Zeit mehr verlieren und die Fahrzeuge entweder einen Parkplatz suchen lassen oder diese zurückgeben, um für die Weiterfahrt rechtzeitig das Auto zu ordern, so dass man direkt vor der Tür in es einstiegen oder aus ihm steigen kann. Als Nebeneffekt müssten sich die Menschen dann noch zusätzlich mehr bewegen, wenn auch noch der Gang vom oder zum Auto entfällt, was die Zeiteinsparung dann teilweise wieder kompensieren würde.

Bild: 4028mdk09/CC-BY-SA-3.0

Klar ist aber, dass es einen Zusammenhang nicht nur zwischen der Dichte des öffentlichen Verkehrssystems und der Straßengestaltung, die Fahrradfahren und Gehen attraktiv macht, mit der Benutzung von Autos gibt, sondern auch mit der Verfügbarkeit von Parkplätzen, auch wenn dafür gezahlt werden muss oder es eine City-Maut gibt. Nach einer Studie sind Fahrer willens, durchschnittlich 8 Minuten umherzufahren, um einen kostenlosen Parkplatz auf der Straße zu finden, auch wenn zu günstigen Kosten das Auto in einem Parkhaus oder auf einem Parkplatz in der Nähe untergebracht werden kann. Diese Fahrer machen 30 Prozent des Verkehrs in einer Stadt zu jeder Tageszeit aus.

Chris McCahill von State Smart Transportation Initiative und Wissenschaftler von der University of Connecticut glauben nun, wie Eric Jaffe berichtet, einen Nachweis für eine mögliche Kausalverbindung zwischen dem Vorhandensein von Parkplätzen und der Nutzung von Autos in Städten gefunden zu haben. Ihrem Ansatz liegt ein epidemiologisches Modell zugrunde, das nach den Bradford-Hill-Kriterien eine Ursache-Wirkung-Beziehung vermuten lässt. Der britische Statistiker und Epidemiologe Austin Bradford Hill nannte neun Kriterien, eines davon ist die statistische Stärke einer Assoziation. So haben Gerichte in den USA ein Risiko von 2.0 als Beleg dafür akzeptiert, dass das Rauchen von Zigaretten Lungenkrebs verursacht.

Für die Analyse nutzten die Wissenschaftler alte Luftaufnahmen und neue GIS-Daten, um die Fläche abzuschätzen, die in neun mittelgroßen Städten 1969, 1980 und 2000 als Parkplatz diente. Die Städte sind während dieser Zeit nicht groß gewachsen, so dass sich weder Bevölkerung noch der Stadtraum maßgeblich verändert hat. In Städten wie Hartford wurden Autos viel genutzt, wie aus statistischen Angaben über Fahrten zur Arbeit geschlossen wurde, in manchen wie Berkeley wenig.

Wenn in einer Stadt die Parkplätze von 0,2 auf 0,5 zugenommen haben, stieg der Anteil der Pendler, die das Auto benutzen, von 60 auf 83 Prozent. Das wäre ein relatives Risiko eines ursächlichen Zusammenhangs von 1,4. Deutlich weniger zwar als das relative Risiko von 2,0, das von Gerichten als Ursachenzusammenhang zwischen Rauchen und Krebs akzeptiert wurde, aber für die Wissenschaftler doch ganz erheblich hoch. Dabei hatte der Anstieg der Pendler zwischen 1969 und 1980 wenig Einfluss auf den verfügbaren Parkraum pro Kopf, die Vermehrung des Parkraums pro Kopf zeigt jedoch eine starke Korrelation zu einer höheren Kfz-Nutzung in der Zukunft, was die These der Kausalität stärkt. Dabei wird die Kfz-Nutzung abhängig von der Zunehme des Parkraums verstärkt, ähnlich wie das Risiko für einen Lungenkrebs mit der Häufigkeit des Rauchens zunimmt.

Die Wissenschaftler verweisen auf eine Studie von Rachel Weinberger, die das Fahrverhalten in Vierteln New Yorks untersucht hatte. Obwohl etwa nach Kriterien wie Fahrzeit, Einkommen und Fahrzeugbesitz die Bewohner von Park Slope, Brooklyn, eher mit dem Auto zur Arbeit fahren sollten, wie die von Jackson Heights, Queens, fuhren letztere mit einer Wahrscheinlichkeit von 45 Prozent mehr zur Arbeit nach Manhattan und von 28 Prozent anderswohin. Der Unterschied könnte sich auch hier durch die verfügbaren Parkplätze erklären lassen, in Jackson Heights gibt es sehr viel mehr Parkplätze wie in Park Slope.

Sollte es einen direkt Zusammenhang zwischen der Menge der in einer Stadt verfügbaren Parkfläche und der Auto-Verkehrsdichte geben, wie McCahill postuliert, dann dürften neben der Dichte des öffentlichen Verkehrsnetzes und der Bequemlichkeit, direkt von Haustür zu Haustür mit dem Auto fahren zu können, die Kosten eine entscheidende Rolle spielen. Wenn das Parken teuer ist, man trotzdem weiter laufen muss, es regelmäßig Staus gibt und eine Alternative vorhanden ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu gelangen, dann wird der Anreiz sinken, das Auto zu benutzen.

Wenn hingegen Städte für viele und billige oder gar kostenlose Parkflächen sorgen und mit einer Stellplatzverordnung eine Pflicht zur Errichtung einer bestimmten Zahl von Parkplätzen steht, wird Verkehr angezogen, ähnlich wie ein Ausbau von Straßen zur Beschleunigung zu mehr Verkehr führt. "Je mehr Raum auf der Straße, desto mehr Verkehr", so das Resüme von Jaffe. Wenn Städte den Verkehr reduzieren wollen, wäre danach das erste Mittel, den Parkraum zu reduzieren und das Parken teurer zu machen.