Sonnenschirm statt Ökohemd

Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991. Bild: USGS

Nothilfe für die Klima-Katastrophe: Die Sonneneinstrahlung künstlich zu verringern, wäre deutlich billiger, als den Klimawandel abzumildern

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Ohne Klimagase wie Wasserdampf, Kohlendioxid und Methan in der Atmosphäre wäre es ziemlich frisch auf der Erdoberfläche - die mittlere Temperatur läge dann bei minus 18 Grad Celsius statt bei angenehmen 15 Grad. Allerdings zeigt das Beispiel unseres Nachbarplaneten Venus, dass ein Zuviel der Existenz des Menschen sehr abträglich wäre. Über die genauen Folgen streitet man sich zwar noch, doch dass sich bei einem schlichten "Weiter so!" dramatische Veränderungen ergeben werden, steht kaum außer Frage. Denn dass die Erdatmosphäre sich zunehmend mit Kohlendioxid und Methan anreichert, das geht eindeutig auf das Konto des angeblich klügsten Teils seiner Bewohner und der von ihnen betriebenen Industrie und Landwirtschaft.

Eine Alternative besteht im Sparen - aber Sparen kostet zum einen einen großen Batzen Geld, zum anderen eine riesige Menge an Überzeugungskraft. Denn es sollen sich nun ausgerechnet die beschränken, die historisch am wenigsten von den Trends hatten, die letztlich zum Klimawandel führten. Warum soll nicht jeder Chinese, jeder Inder, jeder Afrikaner ein eigenes Auto besitzen und seine Wohnung so verschwenderisch kühlen dürfen wie ein durchschnittlicher Amerikaner? Einsicht zu fordern ist da leicht - aber Veränderungen herbeizuführen, ist kompliziert, wie die Verhandlungen auf den Weltklima-Konferenzen immer wieder zeigen.

Hinzu kommt, dass wir über den bevorstehenden Klimawandel noch nicht so viel wissen, wie es wünschenswert wäre. Wie sensibel reagiert das System tatsächlich auf die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre? Kippt es eventuell irgendwann um? Die Prognosen zielen zwar in eine bestimmte Richtung. Aber ob es in 50 Jahren 1,5 oder vier Grad mehr sind, das ist ein riesiger Unterschied. Wirklich sicher sein werden wir wohl erst, wenn es so weit ist - und dann ist es womöglich zu spät. Forscher und Ingenieure diskutieren deshalb schon länger über Alternativen. Der Gewächshaus-Effekt lässt sich nicht nur verringern, indem man das Gewächshaus abbaut: Wenn die Sonne weniger Energie liefert, das weiß jeder Gärtner, dann wird es im ungeheizten Gewächshaus auch weniger warm.

Womöglich hilft es ja, in großer Höhe ein riesiges Sonnensegel zu installieren, das die Einstrahlung verringert. Eine andere Möglichkeit, für ein wenig Linderung zu sorgen, zeigen uns immer wieder die Vulkane: Bei starken Ausbrüchen gelangen Staub und Gase in die Atmosphäre, die weltweit messbar geringere Sonneneinstrahlung bewirken. Nach dem Ausbruch des Pinatubo 1992 fiel die Durchschnittstemperatur um ein halbes Grad. Ließe sich dieser Vorgang künstlich anstoßen? Tatsächlich könnte das funktionieren, indem man Schwefelverbindungen in der oberen Atmosphäre ausbringt. Im Wissenschaftsmagazin PNAS hat ein japanisches Forscherteam jetzt die möglichen Kosten eines solchen Vorhabens analysiert.

Die Ergebnisse sind spannend. Zunächst einmal gingen die Forscher davon aus, dass diese Anwendung des so genannten Solar Radiation Management (SRM) sicher weltweit nicht akzeptiert wird, so lange es noch Alternativen gibt. Falls die Menschheit jedoch 2049 feststellt, dass die Wirklichkeit am oberen, gefährlicheren Rand der Prognosen schrammt, dann könnte sich diese Bereitschaft ändern. Für nachträgliche CO2-Einsparungen ist es dann aber zu spät. Es ist unmöglich, eine kurz bevorstehende Klima-Katastrophe zu verhindern, indem man dann erst den Ausstoß von Klimagasen herunterfährt - selbst falls die Menschheit dann von heute auf morgen gar kein CO2 mehr freisetzt.

In einem solchen Moment wäre die Einbringung von Schwefel eine wirksame Nothilfe. Natürlich müsste man mit Nebenwirkungen rechnen - der Stoff bleibt ja nicht ewig im Himmel, sondern endet nach Jahrzehnten in den Ozeanen, die dadurch saurer werden. Die Berechnungen der Forscher ergeben allerdings eine gute Nachricht: Selbst, wenn man die ökonomischen Folgen der Nebenwirkungen und die Kosten der Schwefel-Ausbringung addiert, ist die Bilanz im Vergleich zu den Kosten einer unabwendbaren Klima-Katastrophe immer noch deutlich positiv.

Doch man kann auch noch ganz anders rechnen. Wenn wir von vornherein davon ausgehen, dass wir ab dem Jahre 2050 nur noch auf diese Weise weiterkommen, die Menschheit diesen Notplan also von vornherein fest einkalkuliert, dann ergeben sich daraus Einsparungen in Höhe von 2,5 bis 5,9 Billionen US-Dollar. Diese entstehen, weil die Menschheit dann nur noch so viel CO2 einsparen muss, dass die maximale Temperaturerhöhung bis 2050 bei 2,4 Grad (statt bei 2 Grad) liegt. Die Kosten der Nebenwirkungen sind dabei schon abgezogen.