Girl-Power-Bürgermeisterwahl in Italien

Virginia Raggi. Foto: Livioandronico2013. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Es gewinnen die Frauen und die Fünf-Sterne-Bewegung

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Bei den Bürgermeister-Stichwahlen in Rom und Turin hat ganz klar Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (Movimento 5 Stelle) gesiegt. Doch triumphieren mit ihr auch die Frauen, denn in beiden Städten liegt das Bürgermeisteramt künftig ganz in weiblicher Hand.

Zum ersten Mal in der Geschichte Roms wird eine Frau Bürgermeisterin: die 37-jährige Anwältin Virginia Raggi. In Turin übernimmt jetzt ebenfalls eine M5S-Frau die Stadtspitze: Chiara Appendino, 31 Jahre alt, Unternehmerin.

Laut M5S-Gründer Beppe Grillo beginnt damit eine neue Ӓra. "Es ist ein historischer Tag, von heute an ändert sich alles. Jetzt sind wir dran. Und das ist erst der Anfang", schreibt er in seinem Blog.

Das Ganze wirft übrigens auch ein linguistisches Problem auf, da im Italienischen die weibliche Form des Substantivs "sindaco" (Bürgermeister), also "sindaca" (Bürgermeisterin), eher unüblich ist - obgleich grammatikalisch völlig korrekt. Dabei handelt es sich, streng gesehen, um einen Neologismus.

Virginia Raggi, die seit 2013 in den Reihen des M5S Stadträtin war, hat mit 67% der Stimmen ihren Gegner Roberto Giachetti aus Renzis Partito Democratico ausgestochen. Auf sie wartet wahrlich keine leichte Aufgabe, denn die Ewige Stadt gilt schon lange als unregierbar. Umweltverschmutzung, Korruption und Verkehrschaos sind nur einige der Krankheiten, die Rom zerfressen.

Juristin mit Spezialgebiet Immaterialgüterrecht

Raggi ist seit 2011 politisch aktiv und hat sich während ihrer Oppositionszeit im Stadtrat hauptsächlich mit Schulwesen und Umwelt befasst. Aufgewachsen ist sie in Rom, im Stadtviertel San Giovanni. Ihr Abitur hat sie im naturwissenschaftlichen Gymnasium Newton gemacht und dann Jura an der Universität Roma Tre studiert, wo sie sich auf Urheberrecht, "geistiges Eigentum" und neue Technologien spezialisierte.

Mit 26 zieht sie in den Norden Roms, in die Borgata Ottavia, wo sie immer noch mit ihrem 7-jährigen Sohn Matteo wohnt. Der Vater ihres Kindes, Andrea Severini, ein Hörfunk-Regisseur, hatte sich vor ihr in den M5S eingereiht und überredete sie zur Teilnahme an den Grillo-Meetings.

Sie arbeitet als Zivilrechtlerin in der renommierten Anwaltskanzlei Sammarco, die einst auch Silvio Berlusconi verteidigt hat, was vielen Fünf-Sterne-Sympathisanten ein Dorn im Auge ist.

Aus Sorge um einen zu schützenden Demokratieanspruch empörten sich einige auch über ein Abkommen, das Virginia zusammen mit anderen M5S-Kandidaten für das römische Stadtratsamt mit der Fünf-Sterne-Bewegung unterzeichnen musste und das sie im Falle von Rufschädigung der Bewegung oder dem Abweichen von gewissen parteiinternen Auflagen, zur Zahlung einer hohen Geldstrafe oder zum Rücktritt verpflichtet. Auch wird ihr von mehreren Seiten Urkundenfälschung vorgeworfen - allerdings ist die Sachlage keineswegs eindeutig und muss noch untersucht werden.

Virginia Raggi ist zweifelsohne noch recht unerfahren, doch das will sie durch ein überzeugendes Programm wettmachen. Während des Wahlkampfes fielen Schlagwörter wie: Legalität, Ehrlichkeit, Transparenz, Veränderung, sanfte Revolution. Sie schimpft auf das korrupte Establishment und möchte einen neuen Kurs einschlagen. Die etablierten Parteien hatten die Stadt im Herbst unter das Kuratel eines Sonderkommissars getrieben, was die Einwohner natürlich in Rage gebracht hat.

Digitalisieren und Nomadenlager auflösen

Jetzt wird Raggi beweisen müssen, ihre Versprechen auch halten zu können. Sie will durch eine starke Rationalisierung und die erhoffte Neuverhandlung der Stadtschulden Gelder einsparen und damit nachhaltige Mobilität, Intensivierung der Abfalltrennung, Kontrollen über die Vergabe öffentlicher Aufträge, Verwaltungsvereinfachung durch Digitalisierung, Neuorganisierung der Stadtpolizei, Auflösung der Nomadenlager, Investitionen in die Sozialpolitik und den Bau von Schulen finanzieren.

Während der Wahlkampagne hatte sich Raggi immer kategorisch gegen die Bewerbung Roms um die Olympischen Spiele 2024 ausgesprochen, doch jüngsten Aussagen zu Folge zeigt sie sich diesbezüglich jetzt etwas aufgeschlossener.