Wachsender Widerstand gegen die GEMA

Die öffentliche Petition gegen die Geschäftspraktiken der GEMA ist ein durchschlagender Erfolg

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Die intransparenten Gebührenerhebungs- und Verteilungspraktiken der Rechteverwertungsgesellschaft GEMA gefährden nach Ansicht der Kritiker die kulturelle Vielfalt im Lande. Die GEMA-Richtlinien führen bereits heute oft dazu, dass viele Kleinveranstalter, die Konzerte mit Nachwuchstalenten anbieten, mehr Geld an die GEMA abführen, als sie bei diesen Veranstaltungen einnehmen. Von den GEMA-Abgaben der Kleinen profitieren derweil vor allem Rechteverwalter und Musiker, die dank ihrer hervorragenden Verkaufszahlen auf diese Quersubventionierung gar nicht angewiesen wären.

Dies hat zur Folge, dass das kulturelle Angebot ohne Not verödet, obgleich die Kultur in den Sonntagsreden der Politik doch ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft ist. Die GEMA reagiert auf dieses Problem auf ihre ganz eigene Art und Weise - sie erhöht die Abgaben für Konzertveranstalter, so dass diese sich, nach Angaben der Veranstalter, um bis zu 600% erhöhen wird. Um die Geschäftspraktiken der GEMA im Sinne der Allgemeinheit zu reformieren, hat sich nun die Wirtin und Konzertveranstalterin Monika Bestle mit einer öffentlichen Petition an den deutschen Bundestag gewendet. Gestern hat die Petition die magische Grenze von 50.000 Mitzeichnern überschritten. Der Petitionsausschuss des Bundestages wird sich nun in einer öffentlichen Ausschusssitzung mit dem Thema befassen müssen.

Der Abgabenkrake

Kernaufgabe der GEMA ist es, stellvertretend für Texter und Komponisten Nutzungsgebühren an deren Musikstücken geltend zu machen. Dies betrifft nicht nur Konzertveranstalter, Radiostationen oder Wirte - die GEMA kassiert auch bei jedem Verkauf eines DVD-Brenners oder -Rohlings, bei Handyklingeltönen oder der Warteschleifenmusik in Telefonanlagen. Wenn ein Künstler auf einem von ihm selbst veranstalteten Konzert seine eigene Musik spielt, so muss er die Gebühren für seine eigene Musik an die GEMA abführen und bekommt - im besten Fall - seine Gebühren, abzüglich der Verwaltungskosten der GEMA, zurück. Dieser "beste Fall" tritt jedoch eher selten auf. Wenn der Künstler beispielsweise ein Konzert in einem angemieteten Raum veranstaltet, zahlt er im Voraus eine Abgabe, die sich nach der Größe des Raumes und dem Eintrittspreis richtet. Kommen zu wenig Besucher zu seinem Konzert, kann es sein, dass er mehr an die GEMA abführen muss, als er insgesamt einnimmt.

Selbst wenn die Konzerte gut besucht sind, fließt oft weniger Geld an den Künstler zurück, als ihm eigentlich zustehen würde. So rechnet die Künstlerin Barbara Clear vor, dass sie für ihre Konzerte in den Jahren 2004 bis 2007 etwa 80.000 Euro an die GEMA abgeführt habe, von denen lediglich rund 10.000 Euro an sie zurückflossen, obgleich mehr als die Hälfte der Musik, die sie auf diesen Veranstaltungen spielte, von ihr selbst komponiert, getextet und vorgetragen wurde. Nach offizieller Rechenweise hätte die GEMA nach Angaben von Frau Clear 33.200 Euro an sie auszahlen müssen. Um an ihr Geld und zu ihrem Recht zu kommen, hat Barbara Clear die GEMA verklagt. Ob sie mit ihrer Klage durchkommt, ist indes ungewiss - die Auszahlungsregeln der GEMA sind nämlich nicht nur intransparent, sie stellen auch eine staatlich legitimierte Umverteilung von unten nach oben dar.

GEMA-Profiteure Mainstream und Klassik

Wenn ein relativ unbekannter Künstler seine eigenen Stücke vor Publikum spielt, so kassiert im Regelfall Dieter Bohlen mit. Das kann nicht sein? Doch, denn ein Hauptteil der GEMA-Einnahmen landet im "großen Topf" und aus ihm werden vor allem die Künstler bezahlt, die im Radio rauf und runter gespielt werden und die in den Verkaufshitparaden auf den obersten Plätzen stehen. Die Abgaben, die Konzertveranstalter für eine junge Nachwuchsband abführen müssen, landen so über die Umverteilungsmaschinerie der GEMA in den Taschen der Bohlens und Grönemeyers. Weniger als 10 Prozent der in der GEMA organisierten Künstler erhalten über 70 Prozent der ausgeschütteten Summe.

Ändern kann dies die spärlich entlohnte Mehrheit der Künstler nicht, nur "ordentliche Mitglieder" können die Auszahlungsmodalitäten ändern und "ordentliches Mitglied" der GEMA wird man nur, wenn man einen außerordentlichen Umsatz vorweisen kann. Wer nun argumentiert, dies sei nun einmal der Markt und diejenigen, deren Stücke gut verkauft und oft gespielt werden, hätten nun einmal auch ein Anrecht auf die Gebühren, der irrt. Es ist dem Bürger nicht vermittelbar, warum er beim Kauf eines DVD-Rohlings oder beim Besuch eines Jazz-Konzerts ausgerechnet Dieter Bohlen finanziell alimentieren soll, obgleich er dessen Musik vielleicht überhaupt nicht ausstehen kann.

Ein international einmaliges Privileg genießt in Deutschland die klassische Musik. Während weltweit die Trennung von U- und E-Musik, gemeint ist hier Unterhaltungsmusik und "ernste" Musik, aufgehoben ist, treibt dieses kulturelle Schubladendenken in Deutschland ganz besondere Blüten. So macht es bei der Ausschüttung der Gelder einen signifikanten Unterschied, ob man ein Klassik-Stück oder einen Rock-Song komponiert hat. Eine überzeugende Erklärung für dieses Klassik-Privileg gibt es nicht - es handelt sich vielmehr um eine indirekte Subventionierung von Musik, die gesellschaftlich den Status genießt, besonders wertvoll zu sein. Warum diese Quersubventionierung allerdings auf dem Rücken anderer Musiker ausgetragen wird, deren Musik offensichtlich weniger förderungswürdig ist, bleibt das Geheimnis der GEMA.

Kulturvernichtung

Die Auszahlungsmodalitäten fördern die kulturelle Vielfalt sicherlich nicht. Eine kulturvernichtende Wirkung haben da vor allem die Gebührenerhebungspraktiken bei Live-Veranstaltungen. Für den Veranstalter eines Konzerts mit einer Nachwuchsband birgt die GEMA-Gebühr ein kaum kalkulierbares Risiko. Die GEMA interessiert es nämlich nicht, ob und wie viele Zuschauer zu einem Konzert kommen, Berechnungsgrundlage sind vielmehr Eintrittsgeld und Raumgröße. Wenn der Veranstalter es nicht schafft, genügend Zuschauer für zu sein Konzert zu begeistern, so ist er doppelt gestraft. Ihm entgehen nicht nur Eintrittsgelder und Einnahmen aus dem Getränkeumsatz, er muss auch genauso viel GEMA-Gebühren abführen, wie bei einer ausverkauften Veranstaltung. Immer mehr Kneipiers oder Kleinveranstalter scheuen dieses Risiko und bieten entweder gar keine Live-Musik mehr an, wenn sie sich nicht sicher sein können, dass das Konzert sehr gut besucht ist, oder legen die GEMA-Gebühren auf die Künstler um.

Für Nachwuchskünstler ist es allerdings auch nicht eben attraktiv, wenn sie bei ihren Konzerten nicht nur kein Geld bekommen, sondern sogar Geld mitbringen müssen. Die Geschäftspraktiken der GEMA fördern so direkt und indirekt die Monokultur des Mainstreams. Künstler, deren Werke nicht im Dudelfunk rauf und runter gespielt werden, bekommen so kaum noch eine Chance, sich einem breiteren Publikum vorzustellen, da Live-Auftritte unbekannter Künstler ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko für den Veranstalter darstellen. Moderne TV-Formate á la "Deutschland sucht den Superstar" geben auch hier den Weg vor - ohne die Promotion der Branchenriesen ist der Weg nach oben verbaut. Bands, die ihre Karriere in kleinen Clubs beginnen, sind auf der anderen Seite vom Aussterben bedroht. Für diese "kleinen" Musiker ist die GEMA kein Segen, sondern nur noch Fluch.

Menetekel

Steht die kulturelle Vielfalt bereits heute am Abgrund, so könnte sie bald einen Schritt weiter sein. Die GEMA plant eine stufenweise Anhebung der Gebühren bei Live-Konzerten, die nach Angaben des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft zu "vorsichtig geschätzten" 600% Mehreinahmen der GEMA führen wird. Hiervon sind ausnahmsweise weniger die kleinen, dafür umso mehr die größeren Veranstalter betroffen. Denen bereitet vor allem die Ausweitung der Berechnungsgrundlage auf die Einnahmen aus Werbung und Sponsoring Kopfschmerzen. Während vor allem bei kleineren Veranstaltern Kultursponsoring ein wichtiger Einnahmefaktor ist, könnte wohl kein größeres Open-Air ohne Werbeeinnahmen die eh schon hohen Eintrittskartenpreise halten. Bei Großveranstaltungen gibt es sicher noch einen gewissen Spielraum bei den nicht eben geringen Honoraren der Künstler, doch würde eine Erhöhung der Eintrittspreise das Aus für so manch kleinere Veranstaltung bedeuten.

Widerstand!

Im Namen dieser "kleinen" Musiker und aller "kleinen" Konzertveranstalter hat auch Monika Bestle ihre Petition beim deutschen Bundestag eingereicht. Unter dem Slogan, die "GEMA wird zunehmend vom "Kultur-Schützer" zum "Kultur-Vernichter", fordern Bestle - und mit ihr zehntausende Petenten - den Petitionsausschuss des Bundestages auf, sich im Namen der Kultur für eine Reformierung der GEMA-Statuten einzusetzen, die allen gerecht wird - den Künstlern, den Veranstaltern, den Zuschauern und Zuhörern und vor allem der kulturellen Landschaft. Die Petition läuft noch bis zum 17.7.2009 und verzeichnet bereits über 52.000 Mitzeichner. In einigen Wochen wird sich der Petitionsausschuss des Bundestages in einer Einzelsitzung mit den Argumenten von Monika Bestle beschäftigen, was einen großen Teilerfolg auf dem Weg zu einer besser organisierten Rechteverwertung darstellt.