Großes Kino auf PS3

Mit "Uncharted 2: Among Thieves" ist Sony ein kleines Meisterwerk des Mediums gelungen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Action-Adventure eignet sich Mittel des Films an und verbindet sie nahtlos mit dem interaktiven Geschehen.

Der Vergleich zu Indiana Jones drängt sich auf, doch gegen „Uncharted 2: Among Thieves“ auf PlayStation 3 sehen Steven Spielbergs Kinomärchen geradezu alt aus. Der neue Teil von Sonys aufwändiger Action-Adventure-Reihe ist eine für spielerische Verhältnisse makellos-cineastische Inszenierung, die in knapp 15 Stunden Einzelspielerkampagne als interaktiver Actionfilm empfunden wird – da muss selbst die Konkurrenz von Microsoft gratulieren (Larry Hryb aka Major Nelson, Programmdirektor von Xbox Live, twittert zu Uncharted 2).

Sonys Entwicklerstudio Naughty Dog (Jak and Daxter, Crash Bandicoot [das Original]), das bereits vor zwei Jahren mit dem ersten Teil „Uncharted: Drakes Schicksal“ Kritiken von durchschnittlich 88 % (Quelle: Metacritic) ernten konnte, hat das erfolgreiche Run&Gun-Konzept verfeinert und potenziert.

Schatzsuche im Himalaya

Die Geschichte um Nathan Drake geht in die nächste Runde. Diesmal macht er sich auf die Spuren Marco Polos: Auf der Suche nach einem mächtigen Artefakt bereist er Orte wie die Insel Borneo, Nepal und den Himalaja – verfolgt vom psychopatischen serbischen Kriegsverbrecher Zoran Lazarević. Viel Wert hat Naughty Dog auf die Entfaltung glaubwürdiger Charaktere gelegt, deren Wesen in Filmclips Gestalt annehmen. Zu den Figuren aus Teil eins sind noch weitere hinzugekommen, die Hauptdarsteller Nathan Drake gleich zu Beginn trifft: Harry Flynn ist ein alter Bekannter, der wie Drake Schatzsucher ist und sich ihm erneut als Partner anschließt. Begleitet wird er vom wagemutigen Rasseweib Chloe Frazer, die einen Gegenentwurf zur blonden Reporterin Elena Fisher aus dem ersten Abenteuer darstellt. Ihre erotische Anwesenheit bringt Turbulenzen in Drakes Liebesleben, spätestens, wenn Elena wieder auftaucht. Zudem verleiht Chloes Nebligkeit der Story ihre eigene Spannungsebene.

Neue Bekanntschaft: Nathan Drake (rechts) findet in Chloe Frazer eine frische Partnerin

Wie bisher nur in wenigen Spielen schaffen es die Charaktere Gefühle zu vermitteln. Ihre modern-archetypischen Persönlichkeiten kennt der Spieler bereits aus etlichen Kinostreifen. Wunderbar gespielte Zwischensequenzen in schauspielerisch ansprechender Qualität von Mimik und Gestik sowie beeindruckende visuelle Effekte vor teils atemberaubenden Kulissen ziehen in ihren Bann: Nicht selten staunt man über das, was man sieht, verweilt in ruhigen Szenen und lässt begeistert die Kamera kreisen. Ein oftmals dezenter und orchestraler Soundtrack untermalt die Szenen, schafft Stimmung und fördert die Spannung. Ebenso viel Spaß macht die erstklassige Synchronisation, die jedem, der Englisch kann, im Original zu empfehlen ist. Witzige Dialoge mit extracoolen und trotzdem nicht peinlichen Sprüchen bedienen das breite Mainstream-Publikum von Blockbuster-Filmen. Wo in den meisten anderen Spielen Sprecher und Figur kaum als Einheit verschmelzen, laufen Stimme und Lippen hier wirklich synchron – was geradezu Maßstäbe setzt. Dieser Aufwand ist ein weiteres Beispiel für Naughty Dogs Liebe zum Detail.

Titelheld Nathan Drake startet in sein neues Abenteuer nicht unversehrt: Schwer verletzt muss er sich aus einem Zugwrack retten

Spielerisch erfindet das US-amerikanische Entwicklerstudio das Rad nicht neu. Ein Ruf nach Innovation ist trotzdem fehl am Platz, denn „Uncharted 2: Among Thieves“ ist ein durchweg unterhaltsames Third-Person-Action-Adventure zwischen „Gears of War“ und „Tomb Raider“. Explosive Action in unterschiedlichen Settings wechseln sich ab mit Plattform- und Rätselpassagen. Drake, oftmals in Begleitung einer oder mehrerer Personen, begeht Kunstraubzüge im Stile klassischer Juwelendiebe, erkundet alte Grabmäler wie oben erwähnter Indiana Jones, kämpft gegen Helikopter auf rasenden Zügen und klettert an Häuserfassaden, Felswänden wie Ruinenmauern.

Gegenüber dem Vorgänger wurde das gesamte Kampfsystem verbessert. Im Nahkampf kann sich Drake nun unter den Schlägen seiner Gegner wegducken und verbessert so seine Chancen, das Duell zu gewinnen. Anschleichen-und-Halsumdrehen ist nur mit richtigem Timing möglich und hat einen besonderen Nervenkitzel. Seltener hat man die Möglichkeit einen Feind, der beim Klettern über einem steht, in die Tiefe zu reißen. Dafür erweitern die gelegentlichen Opfer das Gefühl von Interaktion. Ebenfalls neu ist der Schild, mit dem sich wenige Gegner im Verlauf des Spiels schützen – hartnäckige Burschen, die hinter ihrer metallenen Deckung langsam näher rücken und im Kreuzfeuer den Druck erhöhen. Sie zu knacken trainiert die Schusstechnik: Treffer auf schlecht geschützte Körperstellen oder eine sauber in den Rücken gelobbte Granate verfeinern auf Dauer die Präzision.

Nahkampfspezialist Drake: In „Uncharted 2“ darf der Held öfter mit bloßen Händen zuschlagen

Beim ersten Durchspielen können Spieler zwischen vier Schwierigkeitsgraden wählen: sehr einfach, einfach, normal und schwierig. Shooter-Erfahrene sind mit der harten Stufe gut bedient – alles andere ist für sie kaum Herausforderung. Während hier der Kopfschuss als Mittel zum schnelleren Weiterkommen dient, wird er im „Extrem schwierig“-Modus, der nach dem Durchspielen auf „schwierig“ freigeschaltet wird, überlebenswichtig. Da die spannungsgeladenen Schießereien teils mit Angriffen aus einem Radius von 240 Grad schnelle Reaktionen fordern, muss der Spieler sich zuerst einen Überblick verschaffen. Dazu werden ihm in der Regel ein paar Sekunden Zeit gelassen, wenn er die richtige Deckung hinter Wänden oder Möbeln sucht. Dort kann er sich kurz auf die gefährlichsten Gegner vorbereiten. Beim Misserfolg startet die gleiche Situation von einem fairen und vorerst sicheren Rücksetzpunkt erneut.

Online geht’s weiter: Multiplayer-Matches erweitern das Preis-Leistungsverhältnis

Im Gegensatz zum ersten Teil enthält „Uncharted 2: Among Thieves“ einen typischen Multiplayer mit vertikal konzipierten Karten, abwechslungsreichen Modi und bis zu zehn Spielern gleichzeitig. Neben dem klassischen Deathmatch, bei dem eines der zwei Teams 50 Gegner besiegen muss, gibt es u. a. den Revierkampf, König des Hügels oder eine Art Capture the Flag, wo statt der Flagge ein Schatz von A nach B befördert wird. Freischaltbare Features wie neue Skins diverser Story-Charaktere und Booster, die z.B. mehr Munition geben oder die Schusspräzision erhöhen, motivieren ungemein. Der Erfolg des Multiplayers soll noch lange andauern. Naughty Dogs Creative Director Amy Hennig hat bereits kostenlose wie zahlungspflichtige Download-Inhalte angekündigt, u. a. neue Karten und neue Charaktere. Ein erstes Paket soll noch dieses Jahr erscheinen.

Fazit: Fans der Serie und des Genres – PlayStation 3 vorausgesetzt – erhalten mit „Uncharted 2: Among Thieves“ ein erstklassiges Abenteuerspiel, das nach zwölf bis 15 Spielstunden Singleplayer-Kampagne längst nicht beendet sein muss.