Immer weniger Ware

Milky Way

Die von der EU verordnete Änderung des Verpackungsrechts wird breitflächig für versteckte Preiserhöhungen genutzt

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Seit dem 11. April dürfen Hersteller aufgrund einer EU-Vorgabe fast alle Verpackungen mit weniger Ware befüllen. Ausnahmen gelten lediglich noch für Wein, Sekt und Likör. Das führte dazu, dass heimliche Preiserhöhungen immer häufiger über eine geringere Befüllung durchgesetzt wurden. Nicht selten sogar im zweistelligen Prozentbereich.

In einer Sammlung der Verbraucherzentrale Hamburg findet sich unter anderem der Hersteller Bertolli, der seine Nudelsoßen-Gläser zwar ein wenig verkleinerte - aber so, dass die Verringerung von 500 auf 400 Gramm nur beim direkten Vergleich mit der alten Variante auffällt. Gleiches gilt für die Herbal-Essences-Shampoos von Procter & Gamble (250 auf 200 Milliliter), Babylove-Pflegetücher (100 auf 90 Stück), Nivea-Creme-Seife (150 auf 125 Gramm), CD-Seife (150 auf 125 Gramm), Fa-Seife (125 auf 100 Gramm), Palmolive-Seife (125 auf 100 Gramm), Krunchy-Müsli von Barnhouse (750 auf 700 Gramm), Werther's-Sahne-Toffees von Storck (255 auf 225 Gramm), Milch-Kuh-Bonbons von Trolli (250 auf 225 Gramm) oder Hühnersuppe mit Tierfiguren von Maggi (4 auf 3 Teller).

Häufig wird eine Packung der Höhe nach belassen und nur in der Breite oder Tiefe verkleinert, was dem Verbraucher die Illusion gibt, es hätte sich nichts verändert. So enthält etwa ein gleich hoher Becher Aachener Pflümli von Zentis nur mehr 200 statt 225 Gramm, eine Flasche Biotherm-Lotion von Loreal 200 statt 250 Milliliter, eine Packung Pringles Sour Cream & Onion Chips 170 statt 200 Gramm, Milupa Milchbrei 250 statt 300 Gramm, Humana-Trockenmilch 600 statt 650 Gramm, ein "Vorteilspack" Alldays 56 statt 60 Slipeinlagen (beziehungsweise 50 statt 54) und eine Packung Fix Nudel Schinken Gratin von Lidl 30 statt 50 Gramm.

Frolic Rodeo

Andere Hersteller verschleiern ihre versteckten Preiserhöhungen noch offensiver: Bärenmarke machte die Flasche für sein Joghurt-Waldfrucht-Getränk zwar schmaler, aber gleichzeitig höher (so dass sie eher größer als kleiner wirkt) und verringerte den Inhalt von 475 auf 400 Milliliter. Etwas ganz Ähnliches gelang Schwartau mit seinen Zuckerstreuseln (von denen die höhere Verpackung nun 130 statt 175 Gramm enthält) und seinen Schokoblättchen (115 statt 120 Gramm).

Bei den Babydream-Einmalwaschlappen von Rossmann beließ man zwar die Stückzahl gleich, verkleinerte aber das Format von 21 mal 25 Zentimeter auf 20 mal 24. Damit dem Kunden das nicht so leicht auffällt, drehte man die Zahlen einfach um, weshalb es nun "24 mal 20" heißt. Milford verringerte in seinem "Früchtetraum" nicht die Zahl der 40 Teebeutel, sondern deren Inhalt - von jeweils 3 auf 2,25 Gramm. Und Frico machte aus seinem "Family Pack" Gouda ein "Sparpack", für das man - ganz anders als dessen Name suggeriert - nun für den gleichen Preis 375 statt 400 Gramm Käse bekommt.

Tricks beim Begründen von versteckten Preiserhöhungen

Auch Barilla ließ seine Wasa-Roggenknäckebrotpackung zwar gleich hoch, machte sie aber etwas weniger breit - und verringerte den Inhalt von 275 auf 205 Gramm. Diese versteckte Preiserhöhung wollte man durch einen "Anstieg der Energiepreise und Rohstoffbeschaffungskosten" erklären. Allerdings fielen die Brotroggenpreise dem statistischen Bundesamt zufolge in den Monaten vor der Erhöhung ebenso wie die Energiepreise - und zwar deutlich.

Balisto

Schwer widerlegbar, aber nicht unbedingt glaubwürdiger war die Erklärung des Mars-Konzerns, der in seine Schokoriegel der Marken Milky Way, Snickers und Balisto heute teilweise deutlich weniger Inhalt in die Verpackung steckt als früher. Der Süßwarenoligopolist versuchte die versteckten Preiserhöhungen gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk damit zu rechtfertigen, dass ihm eine "ausgewogene Ernährung" am Herzen liege.

Besonders geschickt ging die Firma Schwartau vor, die den Müsliriegel Corny herstellt. Sie füllte nicht nur mehr sechs statt zehn davon in eine Packung, sondern verringerte gleichzeitig auch noch deren Größe und den Preis. Erst wenn der Kunde alles durchrechnet, kommt er zu dem Ergebnis, dass die vermeintliche Preissenkung eine Preiserhöhung ist. Schwartau versucht das damit zu entschuldigen, dass der Verbraucher Marktforschungsergebnissen zufolge kleinere Portionen gewünscht habe, was unter anderem daran liegen würde, dass die Zahl der Single-Haushalte zunehme. Eine Begründung, die einleuchtender wirken würde, wenn es sich nicht um ein Produkt handelte, das wenig Platz einnimmt und erst nach sehr langer Zeit verdirbt. Gegenüber der Verbraucherzentrale hatte man als Argument vorgebracht, dass man bei den neuen Rezepturen auf "den Einsatz von Konservierungsstoffen, künstlichen Aromen, Farbstoffe[n] und gehärteten Fetten" verzichte. Pech für den Hersteller, dass die Hamburger die Zutatenliste überprüften und ihnen auffiel, dass "die genannten Stoffe auch im Vorprodukt nicht enthalten" waren.

Ebenfalls nicht um eine Erklärung verlegen ist man beim Lebensmittelkonzern Kraft, der seine Frischkäsemarke Philadelphia in einer größer aussehenden Verpackung neu zu 175- statt zu 200-Gramm-Portionen verkauft. Der Käse sei, so Kraft, trotz des gleichen Namens eigentlich ein neues Produkt, weil man angeblich die "Streichfähigkeit" verbessert habe. Wohlgemerkt: Es handelt sich bei "Philadelphia" nicht um Butter, sondern um Frischkäse, an dem wahrscheinlich noch kein Brot zerbröselte.

Philadelphia

Der Satz "alles außer Tiernahrung" gilt zwar in manchen Verkaufsstellen für Rabatte, aber nicht für Preiserhöhungen: Der Hersteller Frolic etwa steckt statt sechs nur mehr vier Stangen Rodeo in die scheinbar gleich teure Packung. Und beim Produkt Frolic unterwegs mit Rind verringerte man den Inhalt von 200 auf 180 Gramm. Die dadurch versteckten Preiserhöhungen rechtfertigt Frolic damit, dass eine "Mehrheit" der Verbraucher eine Mengenreduzierung angeblich einer Preiserhöhung vorzieht.

Ebenfalls mit Verbrauchervorlieben argumentiert Iglo: Deren Schlemmer-Filet à la Bordelaise enthält zwar abzüglich Pappe, Plastik und Aluminium weiterhin 380 Gramm Verzehrbares - dessen Fischanteil wurde jedoch von 70 auf 52 Prozent verringert. Zwar sei Rohstoff Fisch, so die Firma, teurer geworden, doch hätten "repräsentative Tests" ergeben, dass die Verbraucher das Produkt mit weniger Fett, weniger Salz und "knuspriger" bevorzugen würden. Welch ein glücklicher Zufall.

Iglo "Schlemmer-Filet à la Bordelaise"