Die Waffen-SS und die "Schwarzhemden" der Islamischen Republik Iran

Sepah (Revolutionswächter) und Bassidsch-Miliz - Gewaltmaschinerie des Gottesstaates und Widerstand

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Im Februar 1979 siegte die iranische Revolution über das Schah-Regime. In Anbetracht der Folgen dieses Regimewechsels in Teheran für den Nahen Osten, die Weltpolitik und nicht zuletzt für den Iran selbst gehört dieses Ereignis neben dem Zusammenbruch der Sowjetunion zweifellos zu den markantesten historischen Episoden der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Revolution veränderte das Gesicht des Iran, zu dessen Grundmaxime seit 30 Jahren entfesselte Gewalt zählt. Seit den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni steht nun das einheitliche Regime (alle drei Gewalten stehen unter Kontrolle der Hardliner) direkt dem Volk gegenüber.

Massendemonstration am Freiheitsturm in Teheran (1979). Bild: www.sajed.ir

Die Masken sind gefallen und die Republik hat keine andere Wahl als zwischen Fortsetzung der Gewaltherrschaft oder demokratischem Wandel. Angesichts der fanatischen religiös-ideologischen Überzeugungen der Träger der Gewaltmaschinerie des Regimes (hauptsächlich Sepah und Bassidsch) fürchtet sich die Oppositionsführung vor einem Blutbad, ehe die Gewaltmaschinerie des Regimes um den Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei und Präsident Ahmadinedschad zu bröckeln beginnt.

Ist die Islamische Republik ein totalitäres Herrschaftssystem?

Ein totalitärer Staat muss nach Carl J. Friedrich grundsätzlich drei Kriterien erfüllen, um als solcher gelten zu können: eine charismatische Führungspersönlichkeit, die den Staat total beherrscht und dort nach Belieben schalten und walten kann, eine Ideologie, die für sich das Monopol auf die Wahrheit beansprucht und als alleinige Grundlage zur Erklärung und zur Veränderung der Weltgeschehnisse dient. Eine solche Ideologie wird politisiert und dringt in alle Lebensbereiche, d.h. auch in die private Sphäre ein. Drittens existiert in einem solchen Staat nur eine einzige Partei, deren Aufgabe in der Gleichschaltung der gesamten Gesellschaft hinter dem Führer besteht. Daneben wird ein totalitärer Staat in einen permanenten Krisenzustand versetzt, der dazu dient, die gesamte Bevölkerung in kritischen Momenten mobilisieren zu können.

Ayatollah Ali Khamenei. Bild: www.kremlin.ru. Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Alle drei Kriterien passten exakt zu der Islamischen Republik der ersten Dekade (ab der totalen Machtübernahme des schiitischen Klerus im Juni 1981) bis zum Ableben Ayatollah Khomeinis am 3. Juni 1989. Khomeini war die unbestrittene charismatische Führungsperson, die von Khomeini konstruierte schiitische Velayat-e Faqih (Herrschaft des Rechtsgelehrten) die Ideologie und die Islamisch-Republikanische Partei (IRP) die einheitliche staatstragende Partei. Der permanente Krisenzustand war ebenfalls durch den Iran-Irak-Krieg (1980-88) und die erbitterte Feindschaft zu Amerika und Israel gegeben, die bis heute noch andauert.

Fügt man die Theokratie nach der Definition des Religionswissenschaftlers Gustav Mensching hinzu, der Theokratie als „verfassungsmäßig festgelegte geistige Herrschaft zur Vertretung der Gottheit“ beschreibt, und die Annahme, dass eine echte Theokratie erst dann vorliegt, „wenn die wirkliche weltliche Herrschaft in der Hand eines organisierten Priestertums liegt“, dann wird der schiitisch-islamische Totalitarismus im Iran der Ära Khomeini perfekt.

Ayatollah Khomeini

Jedoch war ein Kriterium eines totalitären Regimes nur eingeschränkt vorhanden, insofern die Staatspartei IRP im Juni 1987 aufgelöst wurde und ein ähnliches Instrument zur Mobilisierung der Bevölkerung nicht mehr geschaffen wurde. Parteien spielen jedoch bis heute, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine entscheidende Rolle im Nahen Osten. Insofern ist das Parteienkriterium als Totalitarismusmerkmal keine Äquivalenz zu modernen Industriestaaten. Nach Khomeinis Tod kam es anfänglich zu einer Aufteilung der Macht zwischen dem neuen Religionsführer Khamenei und dem neuen Präsidenten Rafsandschani. Es kam zu einer ökonomischen und partiell politischen Öffnung, die als „Zweite Islamische Republik“ bezeichnet wurde.

Moderner Neo-Totalitarismus und Eliminierungsschlacht

Die heutigen „Eslahtalaban“ (Reformer), die nun die Opposition führen, formierten sich exakt in der Ära der 2. Islamischen Republik. In der Zeit der Präsidenten Rafsandschani (1989-97) und besonders Mohammad Khatami (1997-2005) passte der Terminus „religiöser Totalitarismus“ nicht mehr, da der Iran allgemein teilweise freier und seine Zivilgesellschaft stärker war als in manchen anderen Staaten in der islamischen Welt. Der Autor hat in seiner Dissertation (2003) den Begriff „Theo-Autokratie“ verwendet, weil trotz einer gewissen Öffnung die meisten Schaltstellen des Staates relativ konstant vom Klerus besetzt sind.

Heute gebraucht der Autor den Begriff des „modernen Neo-Totalitarismus“, weil erstens angesichts der modernen Kommunikationstechnologie geschlossene Gesellschaften wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum (Nord-Korea m. E. ausgenommen) mehr möglich sind. Zweitens bedienen sich die Träger des iranischen Regimes trotz prä-moderner Weltanschauung moderner Technologien zur effektiven Bekämpfung der Freiheit. Das Regime ist dennoch totalitär, wenn man den Zeitkontext heranzieht. Es ist im Jahre 2009 ein Unikum und beweist sich insbesondere durch starke Eingriffe in die Privatsphäre als totalitär.

Der moderne Neo-Totalitarismus begeht heute eine unerklärte moderne Eliminierungsschlacht gegen Angehörige christlicher, jüdischer und zoroastrischer Religionsminderheiten, aber auch sunnitische Muslime, Derwisch-Orden, Bahais und auch andersdenkende Schiiten. Der moderne Neo-Totalitarismus kann nicht wie die Safawiden binnen eines Tages zahlreiche sunnitische Geistliche hängen. Er kann auch nicht wie die Kadscharen-Könige Massenmord an Bahai-Anhängern begehen. Das Regime kann schwerlich vor Millionen laufenden Handykameras Massaker anrichten.

In der Islamischen Republik bekommen die sunnitischen Muslime keine Genehmigung für den Bau einer einzigen Moschee in einer Stadt. (Die Muslime in der Diaspora, insbesondere in Deutschland gehen oft fahrlässig mit der Beurteilung des Ausmaßes der Toleranz ihrer Wahlheimat um. In der Stadt Göttingen mit 130.000 Einwohnern steht seit drei Jahren eine Moschee, die mit ihrem Gelände großer ist als jede Kirche der Stadt.)

Der moderne Neo-Totalitarismus setzt auf die sukzessive Vernichtung aller Überzeugungen außer dem Glauben an Velayat-e Faqih. Sein Verhängnis bleibt darin bestehen, dass er absolut unzeitgemäß ist und in so einer Gesellschaft wie der des Iran keinen Platz mehr hat.

Gewaltmaschinerie

Während der 30 Jahre der Islamischen Republik hat sich das Regime auf die damals ins Leben gerufene Gewaltmaschinerie gestützt. Die Revolutionskomitees, bereits kurz vor dem Revolutionssieg entstanden, dann Sepah-e Pasdaran (Revolutionswächter) - gegründet im Mai 1979 - und kurz darauf gefolgt von der Bassidsch-Miliz, waren die bewaffneten Stützen des neuen Regimes. In der Frühphase waren in allen diesen Organisationen Anhänger der Liberalen vertreten, wurden aber in einer zweijährigen Periode von denen der Geistlichkeit ergebenen Hardliner ersetzt.

Der erste Oberbefehlshaber der Sepah, von Khomeini ernannt, war Ayatollah Hassan Lahuti, einer der bekanntesten Altrevolutionäre, der dem liberalen Lager nahestand und als Gegner der geistlichen Hardliner bekannt war. Lahuti, ein Unterstützer des liberalen ersten iranischen Präsidenten Abol-Hassan Bani-Sadr (Januar 1980-Juni 1981), starb im Sommer 1981 unter mysteriösen Umständen im Teheraner Evin-Gefängnis. Mit der Etablierung von Sepah und Bassidsch wurden die Revolutionskommitees aufgelöst.

Sepah, die Waffen-SS des Gottesstaates

Faschismus, Nationalsozialismus und Stalinismus waren die Anfänge des Totalitarismus des vergangenen Jahrhunderts. Die Geschichte des Totalitarismus beginnt Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Es bestehen klar zu erkennende Parallelen zwischen den Gewaltmaschinerien dieser totalitären Systeme unterschiedlicher ideologischer Provenienz. Erstaunlicherweise weist die Repressionsapparatur der Islamischen Republik mit etwa 70 Jahren zeitlichem Abstand etliche ähnliche Merkmale auf. Die Waffen-SS entwickelte sich während des Krieges sehr schnell zu einer regulären Parallelarmee, die das der Wehrmacht zuerkannte Waffenmonopol zu durchbrechen versuchte. Sepah wurde eigentlich mit dem Ziel gegründet, die Errungenschaften der Revolution zu sichern. Anfänglich eine Freiwilligenorganisation ohne militärische Hierarchie, entwickelte sie sich zu einer regulären „Schatten-Armee“ parallel zur regulären Armee (Artesch), bei der auch Wehrpflichtige ihren Wehrdienst ableisten können.

Heute verschlingt Sepah mit ihren ca. 130.000 Mitgliedern einen deutlich höheren Anteil am Staatsbudget als Artesch. Wie bei der Waffen-SS, deren Angehörige nach bestimmten Kriterien ausgesiebt wurden (strenge körperliche, rassische und weltanschauliche Kriterien), werden Sepah-Mannschaften und besonders -Kommandeure mittleren und oberen Ranges überwiegend nach weltanschaulichen Überzeugungen (Treue zum System der Velayat-e Faqih und absoluter Gehorsam zum Religionsführer) ausgesucht und befördert. Die ideologische Parallele ist evident, statt der überlegenen Rasse ist die überlegene Religion Kriterium. Sepah entwickelte sich nach der Erfahrungen des Iran-Irak-Krieges teilweise zu einer Elitearmee, der nun z.B. die Überwachung der strategisch wichtigen Straße von Hormuz obliegt.

Sepah besitzt nachweislich eigene Gefängnisse, provisorische Haftanstalten und Privathäuser, in denen die willkürlich Verhafteten festgehalten und gefoltert werden. Eine der berüchtigtsten Haftanstalten ist der Bereich 2A im Evin-Gefängnis, der direkt unter der Obhut der Sepah steht, wo die meisten Verhafteten überwiegend in Einzelzellen gefangen gehalten werden. Der Zugriff zu diesem Bereich ist den Parlamentariern und auch der Justiz untersagt.

Selbst der furchterregende, nun entlassene Richter Saeed Mortazavi soll keinen Zutritt zu diesem Bereich gehabt haben. Sepah ist für ihre Brutalität gegen die Zivilbevölkerung mehr als bekannt, wie einst SS- und Gestapo (Geheime Staatspolizei)-Männer von 1933 bis 1945. Die ideologische Affinität beweist sich durch die jüngsten Äußerungen der Sepah-Kommandeure, die nun auch in die Rolle der religiösen Gutachter geschlüpft sind. Der Oberbefehlshaber der Revolutionswächter, Generalmajor Mohammad Ali Dschafari, betont, dass die Aufrechterhaltung des Regimes der Velayat-e Faqih wichtiger sei als die Verrichtung des Gebets. Modchstaba Zolanwar, stellvertretende Vertreter Khameneis bei Sepah sagte kürzlich: „Der Religionsführer muss nicht an Gesetz gebunden sein.“

Veränderungen, „studierte Verbrecher“, gewaltige ökonomische Macht

Den Sepah-e Pasdaran der Anfänge werden heldenhafte, humane und aufrichtige Tugenden nachgesagt. In der Tat hat es sehr viele aufrichtige Sepah-Mitglieder in allen Rängen gegeben, die tatsächlich ihr Land, das Volk und die Revolution mit ihren anfänglichen visionären Zielen schützen wollten. Aber auch in den Anfängen dieser Einrichtung gab es etliche Revolutionswächter hohen und niedrigen Ranges, deren menschenverachtende Haltung das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt.

Zu diesen gehörten Seyed Kazem Kazemi, stellvertretender Oberbefehlshaber der Sepah, verantwortlich für den Sepah-Informationsdienst. Der Pasdar-Brigadier (Dienstgrad posthum verliehen) Kazemi war als Schlächter der linken Parteien und Organisationen bekannt und war maßgeblich an der Vernichtung dieser Organisationen und grausamer Folter ihrer Mitglieder beteiligt. In seinem kurzen Testament (er fiel 1985 im Krieg) ist der übersprudelnde Hass gegen die Linken deutlich zu spüren.

Auch Ali Mohammad Bascharati-Dschaharomi, Mitglied des ersten obersten Sepah-Rats, der es später bis zum Innenminister brachte, gehörte zu den grausamsten Folterern der Sepah. Aufgrund ihrer Studienaufenthalte im Ausland, meistens in den USA, bezeichnet man sie als die „studierten Verbrecher“. Sepahs gemeinsamer Nenner mit der Waffen-SS sind die ideologische Gehirnwäsche und die hohe Brutalität gegen die Zivilbevölkerung. Sepahs eiserne Faust gilt allerdings bisher nur den eigenen wehrlosen Bürgern, während die Waffen-SS die Zivilbevölkerung besetzter Gebiete schikanierte. Der größte Unterschied der heutigen Sepah zu Waffen-SS bleibt die ungeheuere politische und ökonomische Macht, die allerdings seit Ahmadinedschads Amtseintritt expandierte.

Ahmadinedschad. Bild: www.kremlin.ru. Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Der Leser mag sich vergegenwärtigen, dass der vermeintlich gewagte Systemvergleich - jenseits der geographischen und kulturellen Divergenzen - über eine zeitliche Entfernung von ca. 70 Jahren hinweg stattfindet. Wer 2009 im Zeitalter der modernsten Kommunikationsmittel und der überwältigenden demokratischen Landschaft auf der Weltkarte derartige Verbrechen begeht, der hätte vor 70 Jahre Menschen gefressen.

Die Bassidsch-Miliz, die „Schwarzhemden“ der Islamischen Republik

Benito Mussolinis Schwarzhemden (ital. camicie nere oder squadristi) wurden bereits 1919 ins Leben gerufen. Mit ihnen organisierte er im Oktober 1922 den Marsch auf Rom und erhielt später das Amt des Ministerpräsidenten. Die Hauptaufgabe der Schwarzhemden bestand in der brutalen Bekämpfung und Niederschlagung der inneren Opposition, zumeist Kommunisten und Sozialisten. Ihre Waffe war oft der Baseballschläger. Die faschistische Ideologie und die totale Überzeugung von Gewaltanwendung als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung, aber allen voran der absolute Gehorsam zum Duce, waren die Merkmale der Schwarzhemden. Große einschüchternde Manöver in den Städten, die Besetzung und Zerstörung der Infrastruktur der Gegner, vor allem der Vereinslokale und Zeitungsredaktionen machen nun 70 Jahre danach ihre „muslimischen“ Abbilder im Iran nach.

Die meist nicht-uniformierte Bassidsch-Miliz ist heute im Iran als „Lebas-Schakhsiha“ (zivil gekleidete Miliz) bekannt und gefürchtet. Sie wirken bereits optisch furchterregend. Befinden sich unter den Sepah-Mitgliedern etliche Abiturienten und Akademiker, so ist die Miliz meistens aus den unterprivilegierten Schichten, teilweise ehemaligen Angehörigen jugendlicher und erwachsener Schlägerbanden rekrutiert. Die Angehörigen der studentischen Abteilung, die in jeder Bildungseinrichtung präsent sind, haben ihren Universitätszugang oftmals dank ihrer Bassidsch-Zugehörigkeit und ohne gültige Aufnahmeprüfungen erreicht. Bassidsch ist seit 2007 der Sepah (neuerdings den Sepah-Landstreitkräften) unterstellt.

Der Grad der ideologischen Gehirnwäsche ist unter den Bassidschis noch stärker geprägt als bei Sepah-Mitgliedern. Das Foto zeigt Bassidschis, die die Fußspuren von Ayatollah Khamenei küssen. Solche Trupps werden derzeit im Iran auf die protestierende Menge losgelassen. Im vergangenen Monat unternahmen die Spezialeinheiten und die Miliz ein Manöver in der Stadt Isfahan. Es handelt sich um nachgestellte Szenen mit dem Ziel, kommenden Aufständen zu begegnen. Es fehlen nur noch Panzer, Kampfflugzeuge und Artillerie. Das Manöver lief unter dem Operationsnamen „Sicherheit und Machtpräsenz der Ordnungskräfte in Isfahan“.

Die volksentfremdete Bassidsch-Miliz spielt seit Jahren die städtische Infanterie der Sepah und geht barbarisch gegen Kinder, Frauen, Greise, Studenten und Arbeiter vor. Ihnen wird von Kindheit an eingeimpft, dass dieses Land ihr Kampffeld ist und nur ihnen gehört und dass, solange sie sich Befehlen des Religionsführers ergeben und sie ausführen, sie niemandem Rechenschaft ablegen müssten. Das ist die Bassidsch-Miliz: Eine Division, die Menschen jagt, ein wahrhaft unseliges Erbe der Islamischen Republik. Auch die anfänglichen Bassidschis waren von Gehirnwäsche heimgesucht und nicht nur dem Vaterland zuliebe in den Krieg gezogen. Sie liefen, etliche im Kindesalter, auf die Minenfelder mit einem „Schlüssel zum Paradies“, die die Mullahs ihnen mit ihrem Segen gegeben hatten. Sepah und Bassidschmiliz werden im Iran zum Morden gedrillt.

Die neue Qualität der Gewalt

Irans neuzeitliche Geschichte kennt die barbarischen Dimensionen der Gewalt der letzten 30 Jahre nicht. Der Iran hat zwar bis auf kurzlebige Phasen demokratischer Verhältnisse keine nennenswerte liberale Tradition erlebt. Doch waren die vorangegangenen Diktaturen, insbesondere die des Schah Mohammad Reza Pahlavi im Vergleich zu den Mullahs harmlose Despotien (siehe Verbrechen im Namen Allahs). Zu dieser Erkenntnis gelangen nicht nur jene politischen Gefangenen, die in den Gefängnissen der beiden Regimes saßen, auch die Oppositionsführung, selbst jahrelang zu den höchsten Verantwortlichen der Republik gehörend, geben den weitaus höheren Brutalitätsgrad des vermeintlichen Gottesstaates zu.

Ich bin nun gealtert. Mindestens 15 Jahre habe ich gegen das Schah-Regime gekämpft. Ich habe Demonstrationen gesehen, Gefängnis und Flucht erlebt. Ich erinnere mich daran, dass 1962/63, auf dem Hohepunkt der Widerstandes, solche Demonstrationen in Teheran und vor den Universitäten stattfanden. An ähnliche Übergriffe der Polizei, wie es heute der Fall ist, kann ich mich nicht entsinnen.

Mehdi Karubi

Zahra Bakeri, Schwester von den zwei legendären im Krieg gefallenen Sepah-Kommandeuren, deren Familie zu den Mousavi-Unterstützern gehört, beklagte die Verhaftung ihrer engen Verwandten:

Uns tat man das an, was in der Schah-Zeit nie der Fall war. Kein SAVAK-Agent (Schah-Geheimdienstler) klopfte an meine Tür. Meine Schwester und ein Bruder bekleideten hohe Posten. Mehdi kam in die Universität. (…). Niemand hat es gewagt, uns zu beleidigen. (…). Ich habe 30 Jahre Monarchie erlebt, 30 Jahre die Islamische Republik. Beim Vergleichen leide ich. Damals hatte ich zu Gott gebettet, ob ich das Blut des Schahs als Rache für einen hingerichteten Bruder trinken könnte. Heute sage ich, Gott segne ihn.

Zwei marxistische politische Gefangene des Schah-Regimes, Fatemeh Dschafari und Amir Mombini, berichten über ihre Erfahrungen. Beide beteuern zwar, dass die Gerichtsverhandlungen Schauprozesse waren und dass das Urteil bereits im Vorfeld gefällt war, doch seien die Rahmenbedingungen gänzlich anders gewesen. „Die Anklageschrift des Staatsanwalts (im Militärgericht) stimmte mit meinen Geständnissen und Verhörunen überein. Hätte man mich wegen eines (verbotenen) Buches verhaftet, so stand es auch in der Anklageschrift und niemand hängte mir bewaffneten Kampf gegen das Regime an. (…).Ich war Guerilla-Kämpferin, wurde mit drei anderen in einem Versteck mit Waffen und Munition umstellt und verhaftet, die 3 kamen um. (..) Ich wurde verhaftet, bekam fünf Jahre Gefängnisstrafe“, so Dschafari. Dschafari und Mombini weisen darüberhinaus auf einen wichtigen Aspekt hin:

Der Verhörprozess und der Gerichtsprozess waren zwei verschiedene Prozesse. Im Ersteren gab es Folter und Schikane. Aber hatten wir unser Urteil, hatten wir unsere Ruhe und wir mussten es nur aussitzen.

Das ist im Gottesstaat niemals der Fall. 1988 wurden 3 bis 5000 Gefangene, deren Urteile längst festlagen, hingerichtet. Manche Entlassenen hat man wieder geholt und gehängt. „Manchmal schäme ich mich, vor den Jungs, die in den Gefängnissen der Islamischen Republik gesessen haben, von meiner Gefängniszeit zu erzählen“, so Dschafari. Der andere Guerilla-Kämpfer Mombini hebt hervor, anders als im Gottesstaat sei das Schah-Gefängnis nicht der ideologische Kampfplatz mit den Gefangenen gewesen.

Nach dem Gerichtsurteil begann unsere Aussitzphase. Trotz des Druckes hatten wir auch eine schöne Zeit und genossen sogar zuweilen unsere Zeit. Ein Gefangener, der Angehöriger des Militärs war, war geachtet. Mein Zellengenosse war ein Major. Die Wärter (Militärs) niedrigeren Ranges als Major erwiesen ihm mit militärischem Gruß die Ehre. Der Major lief in sehr gepflegten und besten Kleidung im Gefängnis (…) ich war auch stets in gepflegten meiner damaligen Ideologie entsprechenden Kleidung.

Die politischen Gefangenen des Schah-Regimes wurden selten erniedrigt. Das Foto (1966) zeigt Mehdi Bazargan (links), Irans erster Premier nach der Revolution, zusammen mit Ayatollah Taleghani auf dem Innenhof des Teheraner Ghasr-Gefängnisses. Das folgende Foto zeigt die Oppositionsführer (Ex-Vizepräsident, Minister, Staatssekretär, Chefredakteure, Journalisten etc) im Schauprozess der Islamischen Republik nach den Präsidentschaftswahlen. Mombini hebt sogar die Schauprozesse des Gottesstaates von denen Stalins, Hitlers und Francos ab. Es lohnt sich, seine Ansichten zu lesen. Die Prozesse im Gottesstaat seien ein Unikum. Es bestehe ein fundamentaler Unterschied zu denen des Schah-Regimes.

In der Ära der Monarchie hatte der Iran ein modernes, stark von westlichen Vorbildern beeinflusstes Zivil- und Strafrecht. Der Schah beging insofern Gesetzesbruch, indem er politische Tätigkeit als Straftat ansah und diese den Militärgerichten und dem Geheimdienst übergab. Das war falsch. Ansonsten war die Justiz zwar reformbedürftig, aber modern und zeitgemäß. Das Justizsystem des Gottesstaates entspricht keineswegs unserer Zeit. Es passt zu den tribalen Strukturen, wo das Menschenleben mit Kamel, Kuh und Schaf gemessen wird. Das System basiert auf Hass, Rache und Qisas (Vergeltung). Mombinis Äußerungen spiegeln die Realität im Gottesstaat wieder.(vgl. Freie Hand für Todesurteile).

Es geht hier nicht um die Beschönigung oder Rechtfertigung der Monarchie. Es handelt sich hierbei um eine faire Aufarbeitung der neuzeitlichen Geschichte Irans. Die oben Zitierten sind keine Monarchisten, sonder ehemalige marxistische Guerilleros, die in den Schah-Gefängnissen psychisches und physisches Leid haben tragen müssen. Der Autor dieses Essays hat diese Ansichten (siehe Verbrechen im Namen Allahs) am 2. Juli auf einer Podiumsdiskussion der Heinrich-Böll-Stiftung (Iran-Tagung in Berlin) mit dem Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour und dem Publizisten Bahman Nirumand vorgetragen und war auf breite Resonanz der ca. 200 Teilnehmer (zumeist Iraner verschiedener Generationen) gestoßen.

Um die Brutalität der Gewaltmaschinerie der Islamischen Republik noch besser zu veranschaulichen, greift der Autor auf ein dramatisches Interview der Deutschen Welle mit einem iranischen Journalisten zurück, der nach den Wahlen einige Wochen im Gefängnis verbrachte. Mehdi Mahmoudian, ein Menschenrechtsaktivist und Journalist, antwortet auf die Frage, warum es eine derartige Brutalität gebe, wie folgt:

In unserem Land hat sich ein Putsch ereignet. Sie müssen Furcht und Angst verbreiten, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Ich verstehe auch nicht, dass die Ordnungskräfte und Bassidschis die Leute prügeln und sich dabei auch freuen. Das hatten wir noch nicht. Die Bassidschis und Sepahis schwingen ihre Knüppel in der Luft und schreien vor Freude, wenn sie die Bürger niederschlagen. So eine Tradition kannten wir Iraner nicht.

Prominente ehemalige Verantwortliche und Journalisten, aber auch Menschenrechtsaktivisten erzählen aus ihrer Haftzeit erschütternde Erlebnisse. Die Folterer sollen demnach bei jedem Peitschen- oder Kabelhieb laut „Ya Hussein, Ya Zahra“ geschrieen haben. Hussein, der 3. schiitische Imam und Fatemeh Zahra, Tochter des Propheten Mohammad und Frau des ersten Imams Ali, sollten den Peinigern Kraft verleihen, damit sie härter schlagen konnten. Die jüngsten Personalveränderungen in der Führungsebene der Sepah und Bassidsch beweisen, dass Khamenei noch härter gegen das Volk vorgehen will. Der Brigadier Naghdi, einer der meistgehassten und gefürchteten Pasdarangenerale, wurde im vorigen Monat zum Bassidsch-Oberkommandeur ernannt.

Perspektiven der „Grünen Bewegung“

Die Islamische Republik unter Führung von Ayatollah Khomeini und Ayatollah Khamenei hat unverzeihliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Das erste war unmittelbar nach dem Sieg der Revolution und traf erbarmungslos Angehörige des alten Regimes (Militär und Zivilisten). Die zweite Tötungswelle war eine Folge der internen Machtkämpfe im Jahre 1981/82, bei der willkürliche Massenexekutionen, sehr oft wegen eines Flugblattes in der Hand, stattfanden. Die dritte war die Massenhinrichtung von 3 bis 5000 politischen Gefangenen im Sommer 1988. Ayatollah Mohadscherani, Rafsandschanis Berater und später Minister im Kabinett Khatami, brach endlich sein Schweigen und sprach von „ beispielloser Jugendtötung in der iranischen Geschichte“. Die vierte waren zahlreiche tödliche Anschläge auf iranische Dissidenten im Ausland, die mit dem Mykonos-Desaster für das Regime erst einmal ein Ende fand. Die fünfte waren die "Kettenmorde" und die letzte sind die Morde nach den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009.

Hinzu addiert werden müssen systematische Benachteiligungen und zahlreiche Hinrichtungen auf der Basis menschenverachtender Zivil- und Strafgesetze des Gottesstaates. „Das unabwendbare Schicksal ungerechter Regierungen ist der Sturz“, hatte 2008 der ehemalige Abgeordnete Akbar Alami den Religionsführer gewarnt. Für die Opposition spricht, dass sie nicht ideologisch, islamistisch und genuin religiös ist.

Trotz des Bekenntnisses der Oppositionsführung zum Islam und zu Ayatollah Khomeini haben diese keinen Zweifel daran gelassen, dass die Perspektive der Opposition die nationalen Interessen des Landes und des Volkes sind. Sie ist schichten- religions- und gruppenübergreifend, eigendynamisch und nicht lebensnotwendig von einer Führung abhängig. Eine derartig erfahrene, kluge und vor allem friedfertige Bewegung kannte die neuzeitliche iranische Geschichte nicht. Doch bleibt der Verlauf des Kampfes für die Freiheit ungewiss. Der erstickende Druck des Regimes, der de-facto-Hausarrest der noch freien Führung (Mousavi, Karubi und Khatami) und die Inhaftierung der Führungselite haben der Oppositionsführung kaum Möglichkeiten für taktische und strategische Planungen gelassen. Am Vorabend der Revolution von 1979 stand fast die gesamte Oppositionsführung auf freiem Fuß.

Sie blieben bis zur letzten Stunde des Sturzes der Monarchie frei (siehe Verbrechen im Namen Allahs). Der Grüne Pfad der Hoffnung hat noch keinen vollständigen Führungsrat, weil die potenziellen Kandidaten meistens im Gefängnis sitzen. Bisher ist die Führung mit bzw. hinter dem Volk gelaufen, ein Reifezeichen der Bevölkerung. Aber mit der Zeit ist das Fehlen eines zentralen Führungsrates, der den Weg zeigt, eine Schwäche. Die Zeit muss auch nicht zwingend für die Bewegung arbeiten. Das Regime lernt von seinen Fehlern und hofft auch auf die Zermürbung der Bewegung.

Das Ganze soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die barbarische militärische und gewaltsame Arroganz des Regimes früher oder später dem Willen des Volkes weichen muss. In diesem Kontext ist der Versuch, aus der verständlichen Abneigung gegen das Regime den Hass gegen den Islam abzuleiten und diesen zu schüren, absolut fehl am Platz und der iranischen und auch regionalen Sache nicht dienlich. Das Volk achtet Mousavi, Karubi und Khatami, würdigt ihren Mut und wenn es ihnen das Vertrauen schenkt, dann sollen sie das Land aus dem Tief herausholen. In einem Land, in dem der Islam fast genauso alt ist wie der Islam selbst, wäre eine Kampfansage an den Islam realitätsfremd. Obendrein haben die nicht gefestigten halbsäkularen Systeme in Malaysia, Indonesien und der Türkei bewiesen, dass der Islam der Entwicklung der Demokratie und einer florierenden Wirtschaft nicht hinderlich ist.

Das Regime ist an Dreistheit nicht zu überbieten. Es schreckt sogar nicht davor zurück, in derartiger innenpolitischer Lage auch die Iraner im Ausland einzuschüchtern. Es spioniert und filmt die Demonstrationen, allen voran in Deutschland. Die betroffen Personen werden ins Visier genommen, um gegen sie später bei passender Gelegenheit vorzugehen. Die Exiliraner sollten diese Warnung des Pasdaran-Brigadiers Masoud Dschazayeri, Vize des Obersten Stabs der Armee und verantwortlich für das Kulturressourt des Stabs, ernst nehmen.

Wir werden zu passender Gelegenheit den Dissidenten begegnen. Die Auslandsaktivisten können wir sehr ernst herausfordern.

Der Autor dieser Studie wurde bereits nach der Veröffentlichung seines Buches „Die Ayatollahs und der Große Satan“ indirekt vom iranischen Geheimdienst gewarnt .

Als damals 18jähriger erinnert sich der Verfasser dieses Essays an ein bekanntes Sprichwort, das die Geistlichen stets in ihren Reden und mit dem Finger auf den Schah äußerten: „An der Lanze kann man sich anlehnen, darauf sitzen kann man nicht.“ Irans Geschichte ist an Ironie kaum zu überbieten.