Im Streit um die Falklandinseln wird der Ton schärfer

Mit den Bohrungen nach Erdöl und Erdgas wurde vor den Inseln begonnen, die Argentinien von Großbritannien beansprucht

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Die britische BBC berichtet, dass am Montag mit den Ölbohrungen vor den Falklandinseln begonnen wurde. Dies ist ein Grund, warum der Ton zwischen Argentinien und Großbritannien wieder schärfer wird. Zwar hat Argentinien 1982 den Krieg verloren, aber deshalb den Anspruch auf die Islas Malvinas (Malwinen) niemals aufgegeben. Das Land erhielt beim Treffen der Rio-Gruppe starken Rückhalt und warnte, dass des sich um eine Frage der "Selbstverteidigung" handele. Soll über den erneuten Konflikt von Problemen abgelenkt werden?

Es geht längst nicht mehr nur um die unwirtlichen Inseln im Südatlantik. Der Konflikt hat sich auf die Gewässer um die Inselgruppe ausgeweitet, welche die britische Kolonialmacht "Falkland Islands" nennt. Die englische Firma Desire Petroleum hat mit den Bohrungen an einem Punkt vor der Inselgruppe begonnen, der nach Angaben der BBC etwa 100 Kilometer nördlich der britischen Überseegebiete liege. Die Arbeiten sollen nun 30 Tage dauern und danach werde es weitere Mitteilungen geben.

Für die Bohrungen wurde die 25 Jahre alte Ölbohrplattform "Ocean Guardian" in fast drei Monaten aus Schottland über eine Strecke von mehr als 7.000 Seemeilen an die südliche Spitze von Amerika geschleppt. Vermutet werden um die Malwinen mehrere Ölfelder. Bei ersten Sondierungen war man 1998 auf Öl gestoßen und das Volumen der Vorkommen wird auf 60.000 Milliarden Barrel geschätzt. Damit handelte es sich um eines der großen Ölfelder weltweit. Der starke Anstieg des Ölpreises sorgt nun dafür, dass die Ausbeutung inzwischen als rentabel erachtet wird. Deshalb wollen auch drei weitere britische Ölfirmen vor der Inselgruppe bohren: Falkland Oil & Gas, Rockhopper und Borders & Southern Petroleum.

Großbritannien hat damit seinen Anspruch auf die 200-Meilenzone um die Inseln ausgeweitet und die Regierung unterstützt die Bohrungen ausdrücklich. Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Bill Rammel, sprach vom "legitimen Recht" der Briten, in ihren Gewässern eine Ölindustrie aufzubauen. Man werde alles Nötige tun, um den Schutz der knapp 3000 Inselbewohner sicher zu stellen, erklärte Rammel und das habe man auch Argentinien mitgeteilt. Die Regierung bemüht dabei auch das Völkerrecht. Und der britische Premierminister Gordon Brown meinte sogar: "I think the Argentinians actually understand that."

Auf die Frage, ob extra Kriegsschiffe in die Region geschickt worden seien, fügte Brown an: "We have made all the preparations that are necessary to make sure that the Falkland Islanders are properly protected." Ohnehin wurde die Region von Großbritannien längst militarisiert. Auf einem Militärstützpunkt sind etwa 2.000 britischen Soldaten stationiert, es gibt Boden-Luft-Raketen, einen Zerstörer und auch Eurofighter-Kampfjets.

Dass die Argentinier den britischen Anspruch auf die Inseln verstehen würden, damit liegt Brown völlig falsch. Das weiß er auch genau. Warum sollte Argentinien nun auf den Ölreichtum vor der eigenen Nase verzichten, wenn man sich vor fast 28 Jahren sogar einen blutigen Krieg um die tristen Inseln leistete. Die Kampfhandlungen nach der Besetzung 1982 kosteten etwa 900 Soldaten das Leben, der Großteil (649) waren Argentinier.

Ihre völkerrechtlichen Ansprüche auf die Inseln bekräftigen beide Konfliktparteien. Argentinien verweist auf das Jahr 1811, als sich Spanien von den "Islas Malvinas" zurückzog, wie sie auf Spanisch heißen. Jedoch, so erklärt man in Buenos Aires stets, habe Spanien seine Souveränität über die Inseln nie aufgegeben. Argentinien begründet deshalb seine Ansprüche in Rechtsnachfolge nach der Entkolonialisierung. 1816 erklärten die "Vereinigten Provinzen des Rio de la Plata" – also das spätere Argentinien - die Unabhängigkeit von Spanien und 1820 wurde die Inselgruppe von der Vereinigung in Besitz genommen. Argentinien führt auch an, dass man die Nähe der Inseln zur Küste Patagoniens nicht ignorieren könne.

Großbritannien beruft sich bei seinen Ansprüchen wiederum darauf, dass es sich bei der Besetzung durch das britische Königreich 1833 um "herrenloses" Gebiet gehandelt habe, womit letztlich ein Verstoß gegen das Völkerrecht legitimiert werden soll. Dass man sich in London ausgerechnet zur Legitimierung seiner Ansprüche auf das Selbstbestimmungsrecht der Inselbewohner beruft, ist einigermaßen kurios für eine Kolonialmacht. Die verwickelt sich damit in krasse Widersprüche, wie auch der Fall Nordirland zeigt. Dort hat man mit dem Selbstbestimmungsrecht schließlich so seine Probleme. Ohnehin leitet sich dieses Recht aus dem Dekolonisierungsgebot der UNO ab und kann kaum für die Bewohner der Inseln in Anspruch genommen werden, die überwiegend britischer Herkunft sind.

So ist es kein Wunder, dass Argentinien weiterhin seinen Anspruch auf die Inselgruppe geltend macht. Das Land lehnt deshalb die britische Ölsuche vor den Inseln entschieden ab. Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner hatte die Briten ausdrücklich schon im Vorfeld davor gewarnt, mit den Ölbohrungen zu beginnen. Ein militärisches Vorgehen gegen die Ölsuche wird zwar derzeit in Argentinien kategorisch ausgeschlossen, aber der Ton wird schärfer. Das hat auch damit zu tun, dass die Briten die Aufforderung der UNO ignorieren, Verhandlungen mit Argentinien über die Inseln aufzunehmen. Nach Angaben aus Buenos Aires werde am Mittwoch Außenminister Jorge Taiana mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zusammentreffen, um die Lage zu erörtern.

So sandte Kirchner zunächst eine Protestnote nach London. Danach zog sie die Schraube mit einem Dekret an, wonach Schiffe, die durch argentinische Hoheitsgewässer zu den etwa 600 Kilometer vor der argentinischen Küste gelegenen Inseln wollen, eine Sondergenehmigung brauchen. Davon betroffen sind auch die Schiffe, die zu den ebenfalls britisch verwalteten Sandwichinseln wollen. Auch sie müssen vorher eine Genehmigung in Buenos Aires beantragen.

Argentinien erhält starke Unterstützung in Südamerika

Starke Unterstützung erhält Argentinien in der gesamten Region. Beim Treffen der so genannten Rio-Gruppe im mexikanischen Cancún stellte sich nun die Mehrzahl der 32 Mitgliedsstaaten hinter die Forderungen des Landes. Sogar der konservative mexikanische Präsident Felipe Calderón sprach von den "legitimen Rechten der Argentinier im Streit mit Großbritannien". Das Land werde, anders als im Konflikt 1982, nicht alleine dastehen, war die Botschaft des Gipfels. Ecuadors Präsident, Rafael Correa, sicherte Argentinien die "bedingungslose Unterstützung" zu.

In einem Interview zeigte sich Boliviens Präsident Evo Morales überzeugt, dass sich "ganz Lateinamerika und die Karibik mit Argentinien vereinigen wird, um die Islas Malvinas zu verteidigen". Die Imperien, wie das britische Imperium, seien gescheitert. Sie versuchten aber weiter, Lateinamerika ihre Bedingungen aufzudrücken. "Deshalb ist es so wichtig, uns zusammenzuschließen", erklärte Morales. Gewohnt großmäulig zeigte sich Hugo Chávez. Der venezolanische Staatspräsident will Argentinien auch in einem bewaffneten Konflikt beistehen. "Im Falle einer Aggression gegen Argentinien wird die Schwester- Republik diesmal nicht allein sein", sagte er und forderte die britische Königin auf, die Inseln endlich an Argentinien abzutreten.

In ihrer Rede bedankte sich die argentinische Präsidentin für den Beistand. Sie bekräftigte ihren Anspruch auf die Malwinen in Cancún erneut und erklärte, bei den Forderungen handele es sich um einen "Akt der Selbstverteidigung Argentiniens". Das Aufstellen der Bohrinsel stelle ein "Verletzung der UN-Bestimmungen" dar, fügte sie an. Man bestehe mit Bezug auf das "demokratische und internationale Recht" darauf, dass die "Souveränität über die Archipele des Südens bestätigt wird". Man werde aber keinen Versuch unternehmen, die Bohrarbeiten zu verhindern.

Nationalistische Töne in Krisenzeiten?

Angesichts der innenpolitischen Probleme, die sowohl Kirchner als auch Brown in der jeweiligen Heimat plagen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Konflikt um die Inseln erneut nationalistisch zur Ablenkung benutzt wird. Doch anders als 1982, als die angeschlagene Militärdiktatur von der Besetzung der Inseln zu profitieren hoffte, setzt sicher auch Kirchner auf diese Karte. Schließlich sind ihre Popularitätswerte nicht besonders hoch.

Doch viel deutlicher gilt das für den abgestürzten britischen Labour-Politiker Brown. Die Wirtschaftskrise macht den Briten besonders schwer zu schaffen. Die Falkland-Offensive könnte ein Befreiungsschlag a la Margaret Thatcher sein. Schließlich hatte der gewonnene Krieg 1982 die "Eiserne Lady" aus einem schweren Tief geholt. Tatsächlich ist mit Verwunderung festzustellen, wie britische Medien eine kriegerische Auseinandersetzung geradezu an die Wand malen.

Versucht man davon abzulenken, wovon viele Auguren seit langem sprechen? Dass nämlich ein besonderer Pleitekandidat in Europa Großbritannien ist. Immer wieder wurde, vor allem nach der Staatspleite in Island, vom "Island an der Themse" gesprochen (Großbritannien: "It's finished!"). Tatsächlich ist es erstaunlich, dass Griechenland, Spanien und Portugal als Pleitekandidaten gehandelt werden, aber nicht Großbritannien.

Dessen Haushaltsdefizit lag 2009 mit etwa 13 % so hoch wie das Griechenlands und Spaniens. 2010 und 2011 wird das Land erneut Defizite von geschätzten 13,3 und 12,5 % ausweisen, weshalb sich das Verhältnis der Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sogar deutlich schneller verschlechtert als in Portugal, Spanien und Griechenland. Das sind, neben den schlechten Konjunkturaussichten, gute Gründe, mit einem Konflikt um die Falklandinseln von der Lage zu Hause abzulenken.